1. Startseite
  2. Region
  3. Wetteraukreis

Verständnis durch Aufklärung

Kommentare

Büdingen . Im Burgmannenhof in Büdingen ist am Donnerstagabend der Opfer der Reichspogromnacht im Jahr 1938 gedacht worden. Neben Bürgermeister Benjamin Harris (CDU), der Ersten Stadträtin Katja Euler (SPD) und Pfarrer Andreas Weik von der evangelischen Kirchengemeinde sprachen Schülerinnen der Schülervertretung des Wolfgang-Ernst-Gymnasiums und Liam Ulrich.

Er ist Vorsitzender des Kinder- und Jugendbeirats und sprach mit dieser Zeitung über die Bedeutung der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und unterschiedlichen Meinungen.

Weshalb sind Sie hier?

Ich bin zum einen hier, um der Opfer der Reichspogromnacht vor 85 Jahren zu gedenken, und zum anderen, um die aktuellen Geschehnisse einzuordnen und die Haltung meiner Generation dazu darzustellen.

Warum ist es auch heute noch wichtig, den Holocaust zu thematisieren?

Gerade die Ereignisse der vergangenen Tage und Wochen zeigen uns, wie aktuell das Thema ist. Eine aktive Erinnerungskultur ist in meinen Augen der beste Weg, um eine Sensibilität - sowohl der Jugendlichen als auch der älteren Generation - zu schaffen. In meinem Alltag als Student spielt das Vergessen des Holocaust keine große Rolle. Alle Leute aus meinem Kurs waren - etwa durch den Besuch von Gedenkstätten während ihrer Schulzeit - mit dem Thema konfrontiert und mussten sich damit auseinandersetzen. Das schafft Hintergrundwissen, auf dem man aufbauen kann.

Wie sensibilisiert man junge Menschen sonst noch für das Thema Antisemitismus?

Ich halte den Kontakt mit der jüdischen Gemeinde oder generell mit anderen Religionsgemeinschaften für wichtig, sofern die örtlichen Gegebenheiten das zulassen. Ansonsten gibt es zum Beispiel jüdische Fußballvereine - wenn auch leider nicht in Büdingen. Für uns sind die Personen auf der Gedenktafel erst mal »nur« Namen. Aber es sind ja Menschen, die dahinterstecken. Wenn es im direkten Umfeld jüdische Bekannte gibt, hat man einen anderen Bezug zu den Gräueltaten von damals.

Wie können Erwachsene Kindern und Jugendlichen den israelisch-palästinensischen Konflikt erklären?

Ganz viel hängt an der Bildung. Schulen sollten junge Leute mit dem Konflikt konfrontieren und ihnen die Möglichkeit geben, sich damit auseinanderzusetzen. Selbst auf meiner Hochschule gab es das Angebot, diesbezüglich eine Informationsveranstaltung zu besuchen, um neue Aspekte kennenzulernen. Nur durch Aufklärung kann Verständnis geschaffen werden.

Haben Sie seit dem Nahost-Konflikt ein Aufflammen von antisemitischen Tendenzen in Deutschland bemerkt?

Über Kontakte zu Schülern weiß ich, dass Antisemitismus definitiv ein Thema ist. Teilweise muss der Unterricht abgebrochen werden, weil sich Diskussionen hochschaukeln. Auch bekommt man natürlich die Demonstrationen in den großen deutschen Städten mit. In Frankfurt, wo ich den praktischen Teil meines dualen Studiums absolviere, bemerkt man diese Tendenzen. An der Universität ist das zum Glück noch nicht der Fall gewesen.

Wie kann man unterschiedliche Wertevorstellungen von Jugendlichen versöhnen?

Jugendliche befinden sich mit ihren Vorstellungen teilweise in einer Art Blase, abgeschottet von anderen Meinungen. Die sozialen Medien verstärken diesen Effekt. Hier können Schulen und Vereine helfen, die jungen Menschen abzuholen und mit ihnen in Dialog zu treten. Nur über Gespräche kann es zu einer Einigung kommen. So funktioniert Demokratie. So funktioniert unser Staat. FOTO: STEVENS

Auch interessant

Kommentare