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Ehemaliger Bankräuber berichtet von seinen Erfahrungen im Gefängnis

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Reiner Laux hat ein Buch über seine Zeit im Gefängnis geschrieben. In Bad Vilbel stellt er es vor. 
Reiner Laux hat ein Buch über seine Zeit im Gefängnis geschrieben. In Bad Vilbel stellt er es vor. © Alexander Seipp

Ein Ort, an dem Recht und Anstand nicht mehr gelten, beschreibt Reiner Laux das Gefängnis, in dem er einsaß. In Bad Vilbel erzählt er von seinen Erfahrungen.

Bad Vilbel - „Das Gefängnis ist ein Ort an dem normale Regeln nicht mehr gelten“, erklärt Reiner Laux. Der ehemalige Bankräuber hat am Donnerstagabend in der Vilbeler Stadtbibliothek von seinen achteinhalb Jahren im Gefängnis gesprochen. Vielen Zuhörern lief es wohl eiskalt den Rücken herunter, als er von den Zuständen berichtete, die er dort vorfand.

„Es herrschte eine kollektive Zerstörungslust“, erinnert sich Laux. „Sadismus war allgegenwärtig und das Recht des Stärkeren organisierte den Alltag. Es gab keinen Ort des Rückzugs, keine Pause. Es war als sei man in einen Käfig mit Pitbulls geworfen worden, die sich alle gegenseitig zerfleischen.“

Wie Laux ins Gefängnis kam, war kein Zufall. In einem Zeitraum von zehn Jahren – von 1985 bis 1995 – überfiel er im Zorro-Kostüm insgesamt 13 Banken. Teile der Beute spendete er für soziale Zwecke. Bald war er wegen seiner ruhigen Art als „Gentleman-Bankräuber“ bekannt.

Bad Vilbel: Ehemaliger Bankräuber zu Gast in Stadtbibliothek

Über zwei Jahre waren ihm die Ermittler der Polizei auf den Fersen, um ihn zu fassen. Bereits seit 1993 wurde Laux beschattet, seine Wohnung in Portugal wurde durchsucht. Aber man konnte ihm zunächst nichts nachweisen. Laux wurde nie auf frischer Tat ertappt, sondern von einem Geliebten seiner besten Freundin denunziert. In Lissabon wurde er 1995 verhaftet und nach mehreren Indizienprozessen in Deutschland zu achteinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.

Doch zuvor ließ seine Auslieferung nach Deutschland auf sich warten. Gemeinsam mit 25 anderen Häftlingen saß er viereinhalb Monate in einer Zelle in Portugal ein. Das war für ihn damals ein überaus prägendes Erlebnis. „Wir waren 26 Männer in einer Zelle für zwölf“, sagt er. „Die Neuankömmlinge mussten auf dem Boden schlafen, es gab zu wenig Betten.“

Doch schlimmer seien die Gewalt und der Verfall der Insassen gewesen. Bereits in der Untersuchungszelle hatte Laux einen jungen Bauarbeiter kennengelernt: Nando. In der Massenzelle wurde der junge Mann zum Terroristen. Der sittliche Verfall der Insassen nahm jeden Tag zu, und aus Nando, dem einst freundlichen jungen Mann, wurde ein Boss ohne Skrupel oder Moral. Gewalt habe dem Anstand Platz gemacht, sie wurde zum Alltag.

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„Das Gefängnis hat eigene Regeln, die mit denen außen nichts zu tun haben„, berichtet der ehemalige Bankräuber. “Es gilt das Recht des Stärkeren. Personen aus dem Weg zu gehen ist im Gegensatz zu draußen unmöglich. Ist man körperlich schwach, wie ich es damals war, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Sich unterordnen oder bluffen.“

Laux entschied sich für Letzteres. „Als Bankräuber hatte ich von Anfang an den Vorteil einer gehobeneren Position in der Gefängnishierarchie“, erklärt Laux. Durch seine Schreibkenntnisse half er den oft schreibunkundigen Mithäftlingen bei wichtigen Anträgen, sei jedoch stets auf Abstand geblieben. Mit der Kriminalität wollte er nichts zu tun haben. „Ich schrieb zwar auch Sachen für die Mafiabosse, einer von denen bot mir sogar nach dem Gefängnis eine Position als Consoliere an. Doch ich wollte mit all dem nichts zu tun haben.“

Auch Drogen seien ein allgegenwärtiges Problem gewesen. Viele der Häftlinge seien deswegen ins Gefängnis gekommen und dort ging es für sie weiter. „Gefängnisse sind Drogen-Hotspots“, weiß Laux zu berichten. „LSD, Kokain, Marihuana – alles war dort zu bekommen. Selbst diejenigen, die davor nicht süchtig waren, nahmen bald ihre Dosis. Dafür verschuldeten sie sich bei den Bossen und einige prostituierten sich, als das Geld nicht mehr reichte. Es war eine Spirale die immer tiefer in den Abgrund führte.“ Möglich gemacht worden sei dies durch korruptes Personal, Schmuggelrouten und vor allem durch die Besucher, die die Drogen ins Gefängnis brachten.

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Am Schlimmsten war für ihn – besonders am Anfang – die Atmosphäre des Gefängnisses. „Das Gefängnis existiert außerhalb von Raum und Zeit“, erklärt der ehemalige Häftling. „Man hat das Gefühl, dass man nicht auf dieser Erde ist. Alles was draußen selbstverständlich ist, existiert hier nicht.“

Allgegenwärtige Kontrolle, stetige Unruhe und Unsicherheit hätten das Bild geprägt. Tugenden des menschlichen Zusammenlebens existierten nicht mehr, ist Laux überzeugt. Das Personal hatte schon damals kaum Kontrolle. Das Gefängnis verstärkte die Gewaltsucht der Insassen oder rief diese erst hervor. Es sei kein Wunder, dass viele nach ihrer Entlassung direkt wieder straffällig würden. Bei Schwerverbrechern sei es klar: „Die gehören ins Gefängnis.“ Doch besonders bei den „kleinen Verbechern“, die etwa für Schulden ins Gefängnis kämen oder für andere kleinere Delikte, gebe es seiner Meinung nach bessere Lösungen, wie etwa Sozialarbeit. „Im Gefängnis werden sie nur selbst zu Pitbulls erzogen. Eine Resozialisierung ist dann gescheitert.“

Von Alexander Seipp

Info: Ein Bankräuber rechnet ab

Reiner Laux war bekannt als “Zorro der Gentleman-Bankräuber„. Ursprünglich um seiner WG aus finanziellen Nöten zu helfen, überfiel er von 1985 bis 1995 in Deutschland dreizehn Banken und meistens zweimal dieselbe. Später verstand er seine Bankraube auch als Protest gegen die Machenschaften der Banken und spendete einen Teil der Beute an soziale Organisationen, indem er Teile seiner Beute direkt bei einer anderen Filiale einer überfallenen Bank wieder einzahlte. Er wurde nie auf frischer Tat ertappt, doch von einem Geliebten seiner besten Freundin denunziert. In Portugal wurde er 1995 verhaftet und nach mehreren Indizienprozessen zu achteinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. 2003 erlangte er seine Freiheit wieder.

In seinem ersten Buch “Hinter blauen Augen. Bekenntnisse eines aufrechten Bankräubers„ (Heyne Hardcore 2014) erzählt er die Geschichte seiner Banküberfälle und des freiheitlichen Lebens in Portugal. Das Nachwort verfasste sein Freund Günter Wallraff. Sein zweites Buch “Seele auf Eis„ (Solibro 2018) berichtet vorrangig von seinen Gefängniserlebnissen und welche Schlüsse er daraus zieht. Heute führt Laux seinen Kampf gegen die Banken auf legale Weise fort und arbeitet ehrenamtlich beim Dachverband der Kritischen Aktionäre mit. (red)

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