Vom Kanal zum Fluss: Nidda-Renaturierung bis Sommer

Der nächste Abschnitt der Nidda-Renaturierung steht an: Nördlich der Bad Vilbeler Kernstadt soll der Fluss auf 500 Metern Länge seinen Kanal-Charakter verlieren. Vorrang bekommt dadurch nicht nur die Natur, auch für Radfahrer und Fußgänger auf dem Niddaradweg wird es bequemer – und für Rinder.
Bad Vilbel - Das dürfte ein Anblick sein, an den sich nur noch die Großeltern erinnern: Rinder stapfen gemächlich durch die Nidda, das Flusswasser spritzt auf. Von einem Ufer ans andere, von einer Weide auf die nächste sollen die Tiere des Dottenfelderhofs schon ab diesem Sommer die Nidda durchqueren können – mithilfe einer Furt und ihrem ganz niedrigen Wasserstand.
Die Furt ist der wohl eindrücklichste Bestandteil des nächsten Projekts zur Nidda-Renaturierung. In der kommenden Woche sollen die Bauarbeiten für sie nördlich der Bad Vilbeler Kernstadt beginnen. Auf rund 500 Metern Länge zwischen der Büdinger Straße und dem Rosengarten soll der Fluss ein natürlicheres Ambiente erhalten.
»Einen sechsstelligen Euro-Betrag« wendet die dem Tier- und Naturschutz verpflichtete Frankfurter Gerty-Strohm-Stiftung dafür auf. Das erklärt auf Nachfrage ihr Vertreter Hans-Georg Jehner aus Bad Vilbel. Seit mehr als zwei Jahrzehnten engagiert sich die Stiftung bereits bei der Nidda-Renaturierung.
Baumfällung für die ökologische Vielfalt
»Drei Wochen Bauzeit«, kündigt Gewässerökologe Gottfried Lehr an – Verzögerungen durch allzu feuchtes Wetter oder Frost nicht mitgerechnet. Vom Renaturierungsabschnitt der Hassia aus dem Jahr 2015 bis knapp in Höhe des Parkplatzes der Straße Im Rosengarten soll der Fluss mehr Platz bekommen. Dafür wird der Hochwasserdamm zurückversetzt, der Fluss von seinem steinernen Ufer und Bett befreit. Dadurch können die Nidda verbreitert und Buchten, Aufweitungen und Buhnen, kleine Landzungen eingebaut werden.

»Bisher ist die Nidda hier ein Kanal mit kosmetischem Begleitgrün«, sagt Lehr. Und die Bäume auf der Dammkrone? »Alibi«, winkt der Experte ab. Zwar sei es »nicht schön«, Bäume zu fällen. Doch sei der Flussumbau anders nicht möglich. »Ohne Baumfällungen erhalten wir hier nicht die ökologische Vielfalt«, erklärt der Fachmann. »Ein gesunder Fluss besteht aus einem geschlossenen Bestand an Erlen, Weiden und Eschen.«
Diese könnten aber nicht einfach in den Kanal hineingepflanzt werden, da dessen Durchfluss ein 100-jähriges Hochwasser aushalten müsse, betont Erster Stadtrat Sebastian Wysocki (CDU). Andernfalls drohe die Innenstadt überflutet zu werden, ergänzt Lehr. Daher muss die Nidda aufgeweitet werden, die Ufer werden abgeflacht.
Bad Vilbel: Bäume als natürliche Klimaanlage für das Wasser
Der Fluss erhält mehr Raum zum Fließen und auch für Bäume. Diese seien im Wasserbereich notwendig und nicht auf der Dammkrone – gerade angesichts der fortschreitenden Erderwärmung, mahnt der Gewässerökologe. »Wir benötigen die Bäume mit ihrem Schatten als natürliche Klimaanlage für das Wasser.« Um fünf Grad könne so die Flusstemperatur im Sommer gesenkt werden. Damit der Effekt schnell eintrete, sollen Naturschutz-Jugendgruppen nach Ende der Bauarbeiten schnell wachsende Weiden pflanzen.
Erleben sollen Menschen die Natur unter anderem von Aussichtspunkten mit Sitzbänke und Tischen aus. Und sie kommen wieder an den Fluss heran, zum Beispiel beim Gassigehen mit Hunden. Da der Dottenfelderhof direkt an die Nidda angrenzt, will Lehr aus dem Kies aus alten Hochwasserdämmen auch eine Furt durch den Fluss hindurch formen. Der biologisch-dynamische Landwirtschaftsbetrieb soll dann seine Rinder wie in alten Zeiten durch die Furt zu Weiden am anderen Ufer treiben können.
Nidda soll im Sommer fertig sein
In etwa vier Monaten – also zum Sommer – sollen sämtliche Bauarbeiten inklusive des neuen Niddaradwegs fertig sein. Eine Zeit lang wird es dann noch dauern, bis auch das neue Grün groß gewachsen ist. Radfahrer, Ausflügler, Spaziergänger werden aber schon in wenigen Jahren nördlich der Kernstadt eine ganz andere Nidda erleben statt des heutigen Kanals. »Der Fluss«, verspricht Gottfried Lehr, »wird nachher ökologisch und optisch in einem viel besseren Zustand sein.«
Warum die Nidda derzeit auch das Sorgenkind der Ökologen ist, können Sie hier nachlesen.