Vom Umtausch ausgeschlossen

Mal Hand aufs Herz: Würden Sie, liebe Leserinnen und Leser, tauschen wollen? Unsere zugegebenermaßen manchmal etwas verschlafen wirkende Heimat gegen, sagen wir mal, Frankfurt? Sehen Sie, geht mir genauso. Beim Blick in die Ferne in Richtung Hoherodskopf keimt es unweigerlich auf, das vertraute Gefühl, hierher zu gehören. Land und Leute sind wie ganz alte Freunde - immer da, wenn man sie braucht, nicht böse, wenn im Alltag der Blick mal woanders hinfällt.
Sie haben gewiss ihre Marotten, halten ihre Laune nur selten hinterm Berg, sind aber die allerbesten Gastgeber, wenn’s drauf ankommt.
Für Eike und Heinz Ulrich ist der Niddastausee ein bisschen wie der Freund von nebenan. Immer in Reichweite, hat stets das Salz in der Suppe, wenn es in der heimischen Küche mal wieder fehlt. Bei vorfrühlingshaften 13 Grad ist das Ehepaar aus Nidda mit seinen E-Bikes in den Vogelsberg geradelt. Das Gute liegt bekanntlich so nah - den Ulrichs steht die Freude über die Landschaft und den Sonnenschein ins Gesicht geschrieben.
Kurze Zeit später kommt Clarissa Feth auf Inlinern um die Ecke. Sie schaut mal eben nach Jano und Marlin auf dem Spielplatz, da wird es auf einmal wuselig. Lene, Ida, Gianni, Lenny, Lio und Lukas machen das Kinderglück perfekt. »Kommt mal alle, wir machen ein Kita-Mama-Stausee-Ausflugsfoto.« Es ist eine wahre Freude. Schnell noch werden die Laufrädchen geparkt und die Helme an die Lenker gehängt. Katrin Ulrich, Jelena Jepifanova, Sina Steuernagel, Silvana Rauch und Clarissa Feth sind fünf Mütter, die sich über den Kindergarten kennen und sich jeden Montag treffen. Da werden Rucksäcke gepackt, Verpflegung, Spielzeug und Sportgeräte verstaut - und ab geht die Post. Der See entpuppt sich als Paradies.
Obwohl die Anlage in erster Linie dem Hochwasserschutz dient, ist sie am südwestlichen Rand des Vogelsberges längst eines der wichtigsten Naherholungsziele weit und breit. An diesem warmen Nachmittag Mitte Februar kommen Spaziergänger und Freizeitsportler aus allen Himmelsrichtungen. Hier ein Paar, das ein Selfie macht, dort eine Frau, die die warmen Sonnenstrahlen im Gesicht genießt. Das tiefblaue Wasser liegt da wie gemalt. Ist es wirklich 24,1 Meter hoch, wie es das Display am Haus des Wasserverbandes Nidda anzeigt? Und wie gewaltig wirken die 4,6 Millionen Kubikmeter Wasser, die das Becken da hinter der 35 Meter hohen Mauer fasst?
Zu einem perfekten Tag hätte zur Kaffeezeit nur der Kiosk göffnet haben müssen. Die Nussecke und der Pott Kaffee, die auf einer Tafel angepriesen werden, wären die Krönung gewesen. Sei’s drum, die Stippvisite am Stausee ist auch so Balsam für die Seele. Mit keiner Großstadt der Welt möchte ich tauschen. BJÖRN LEO
