Vom Vorteil des anderen Blickwinkels

Nach 24 Jahren wird der Chefsessel im Ortenberger Rathaus neu besetzt. Erster Bewerber war der Bleichenbacher CDU-Mann Valentin Schwarz, der nun im Interview seine Ziele näher erläutert.
D er stellvertretende Vorsitzende der Ortenberger CDU-Fraktion, Valentin Schwarz wirbt mit frischen Ideen und will mit der Unterstützung seiner Parteifreunde gegen die Mitbewerber Markus Bäckel (FWG) und den von der SPD unterstützten Udo Schädel einen erfolgreichen Wahlkampf um das Bürgermeisteramt führen. Der ledig liierte Schwarz ist beruflich als Gebietsverkaufsleiter tätig und trotz seines jungen Alters kein kommunalpolitisches Greenhorn. Vor fünf Jahren wurde er zum Ortsvorsteher Bleichenbachs gewählt, seit 2020 ist er Stadtverordneter. Bereits in jungen Jahren ist der Bleichenbacher in der Jungen Union aktiv gewesen, aktuell ist er als Mitgründer engagiert ins ambitionierte Projekt Dorfwärme Bleichenbach eingebunden. Im Gespräch mit dem Kreis-Anzeiger berichtet Schwarz von seinen Plänen als Bürgermeisterkandidat.
Herr Schwarz, Sie sind bereits mit 26 Jahren Ortsvorsteher in Bleichenbach geworden. Was war für Sie als junger Mensch der Antrieb, sich politisch zu engagieren?
Es war schon immer mein Naturell, mich für andere einzusetzen. Es ist für mich auch eine Selbstverständlichkeit. Ich war Schülervertreter, Klassensprecher und sogar zwei Jahre lang Schulsprecher. Selbst in der Zeit meines dualen Studiums bei Heraeus war ich Jugendausbildungsvertreter. Ich bin 31 Jahre alt, aber schon längere Zeit politisch aktiv. In Ortenberg war ich seinerzeit Mitgründer des Stadtverbands der Jungen Union. Damit war auch die politische Farbe geklärt (schmunzelt).
Jetzt bewerben Sie sich für das Amt des Bürgermeisters, würden dafür einen guten Job als Gebietsleiter aufgeben. Welche Schnittmengen gibt es in ihrem aktuellen Beruf mit dem Amt eines Rathauschefs?
Als Salesmanager bin ich in einem hart umkämpften Wettbewerb tätig, da ist Verhandlungsgeschick gefragt. Ich muss meine Kunden überzeugen und auch hartnäckig sein, wenn es darum geht, das Unternehmen zu präsentieren. Dass ich aus der Wirtschaft komme, sehe ich als Vorteil an. Eine andere Denkweise kann einer Verwaltung guttun.
Kommunen erscheinen chronisch unterfinanziert. Bleiben da frische Ideen und Vorhaben nicht zwangsläufig auf der Strecke?
Oft lohnt sich, auf Dinge aus einem anderen Blickwinkel zu schauen. Das beste aktuelle Beispiel liefert die Dorfwärme Bleichenbach. Da war zunächst auch kein Geld da, und wir haben eine Machbarkeitsstudie beauftragen können. Es gibt ab und an Spenden- oder Fördertöpfe, die man auf den ersten Blick nicht sieht.
Werden sich die Bürger Ortenbergs zur Verbesserung der Finanzlage auf Steuererhöhungen einstellen müssen, oder gibt es andere Stellschrauben, an denen man drehen könnte?
Steuern zu erhöhen, erscheint immer als der einfachste Weg. Doch haben wir Vorteile, wenn plötzlich Kaufkraft verloren geht? Es wäre schlimm, wenn sich die Menschen hier in der ländlichen Region plötzlich ihr Eigenheim nicht mehr leisten können. Das gilt es mit aller Macht zu verhindern. Gerade bei der Grundsteuer B ist das Ziel, in absehbarer Zeit eine Senkung zu erreichen. Hier müssen wir die Auswirkungen der Grundsteuerreform des Bundes mit einbeziehen.
Die CDU betreibt seit Jahren eine Kooperation mit der SPD. Die SPD wiederum schickt einen eigenen Kandidaten ins Rennen. Wird die Zusammenarbeit in Wahlkampfzeiten jetzt schwieriger?
Schwieriger würde ich nicht sagen. Natürlich werde ich auch eigene Ideen einbringen. Ich kann nur für die CDU sprechen, doch wir schätzen die Zusammenarbeit auf der sachlichen Ebene. Grundsätzlich geht es um positive Entscheidungen für Ortenberg. Guten Ideen von FWG und Grünen stehen wir natürlich auch immer offen gegenüber. Ich schließe aus, dass zwischen den Fraktionen plötzlich mit falschen Karten gespielt wird, nur weil eine Bürgermeisterwahl mit unterschiedlichen Kandidaten ansteht.
Bleichenbach ist nach der Kernstadt der einwohnerstärkste Stadtteil Ortenbergs. Nicht wenige behaupten, dort werden Ortenberger Wahlen entschieden. Ein Vorteil für Sie?
Ich habe als Ortsvorsteher in Bleichenbach einen Bekanntheitsgrad, das ist dort sicher kein Nachteil. In Bleichenbach wohnen nicht viel weniger Menschen als in der Kernstadt. Rechnerisch ist an der These somit etwas dran. Wobei das mit dem Bekanntheitsgrad ist immer so eine Sache. Dort, wo man viele Freunde hat, gibt es auch immer Leute, die einen nicht mögen. Generell gilt: Ich möchte gerne der Bürgermeister aller Ortenberger Stadtteile werden.
Sie sind der jüngste der drei Kandidaten. Wie möchten Sie ihren Bekanntheitsgrad außerhalb Bleichenbach steigern?
Da ich schon bei zwei Kommunalwahlen auf dem Wahlzettel vertreten war und auch unter anderem als Stadtverordneter tätig bin, hat bestimmt der eine oder andere Ortenberger schon mal von mir gehört. Selbstverständlich möchte ich in den nächsten Wochen und Monaten meinen Bekanntheitsgrad weiter steigern. Ich führe aktuell schon viele Gespräche, möchte über Sorgen und Nöte der Menschen Bescheid wissen. Ich will alle Ortsteile noch besser kennenlernen und werde mich im Wahlkampf bei den Bürgern persönlich vorstellen. Überdies suche ich den Austausch, zum Beispiel mit Vereinen, Gewerbetreibenden und Ärzten. Es gibt so viele Plattformen. Ich möchte mit so vielen Menschen wie möglich ins Gespräch kommen und freue mich über jedes Feedback.
Der Wahlkampf hat noch nicht begonnen. Haben Sie dennoch bereits eine Kernbotschaft/einen Schwerpunkt und womöglich schon einen Slogan parat?
Die heiße Wahlkampfphase startet sicher erst im neuen Jahr, doch angelaufen ist das Wahlprojekt für mich bereits seit einiger Zeit. Mein Wahlslogan heißt »Ortenberg kann mehr«. Der soll, das möchte ich herausstellen, keine Kritik an der aktuellen Arbeit im Rathaus sein, denn dort machen die Leute einen guten Job. Vielmehr will ich Türen öffnen und Raum für neue Ideen schaffen. Ziel ist, die Dorfkerne zu beleben und das Vereinsleben zu stärken, um zwei Beispiele zu nennen. Dabei darf die Politik die Bedürfnisse von jungen Menschen, Familien und Senioren niemals außer Acht lassen.
Ihr Mitbewerber Markus Bäckel hat bereits einen Bürgermeisterwahlkampf hinter sich und ist kommunalpolitisch erfahren. Im Jahr 2018 verlor er gegen Amtsinhaberin Ulrike Pfeiffer-Pantring nur knapp, holte respektable 42,1 Prozent der Stimmen. Geht er damit als Favorit ins Rennen?
Vor sechs Jahren gab es nur die Varianten A oder B. Weiter mit Bürgermeisterin Ulrike Pfeiffer-Pantring oder Markus Bäckel neu ins Rathaus. Ich würde sagen, für die Wähler wird jetzt alles auf null gestellt. Die aktuelle Bürgermeisterin war ja über 20 Jahre im Amt. Ortenberg hat die Chance auf einen richtigen Neustart. Ich sehe daher im Vorfeld keinen Favoriten. Klar verfügt Markus Bäckel auch über politische Erfahrung und ist nicht nur in seinem Heimatort Effolderbach bekannt. Doch was ich vorhin gesagt habe, trifft auch auf ihn zu. Ein hoher Bekanntheitsgrad bedeutet nicht automatisch eine hohe Zustimmung.
Man könnte meinen, Sie tippen auf eine Stichwahl?
Ich halte sie zumindest für sehr wahrscheinlich. Bei der letzten Kommunalwahl lagen in Ortenberg FWG, SPD und CDU von den Prozenten nahezu gleichauf und alle drei Fraktionen schicken jetzt einen Kandidaten ins Rennen. Es wäre töricht von mir zu sagen, dass ich die Wahl im ersten Wahlgang gewinnen werde. Eine mögliche Stichwahl zu erreichen, ist jedoch mein erstes Ziel.
Sie werden auf ihrer Arbeitsstelle in Grebenhain von einem Vogelsberger Kollegen gefragt, was Ortenberg außer dem Kalten Markt und einem schönen Freibad eigentlich zu bieten hat. Wie lautet ihre spontane Antwort?
Der Vogelsberg bietet in Sachen Tourismus zwar allerhand. Aber auch Ortenberg hat in allen Stadtteilen viele schöne Ecken. Das NABU-Gelände in den Salzwiesen in Selters, die weithin sichtbare Burg Lißberg und das Kloster Konradsdorf sind auch für Ortsfremde eine Reise wert. Entlang des Vulkanradwegs gibt es sowieso wahnsinnig viel zu entdecken.
Apropos: Der Kalte Markt steht ja vor der Tür- Auf was freuen Sie sich besonders?
Die Tradition und Vielfalt machen den Kalten Markt so reizvoll. Es ist einfach toll, jedes Jahr bekannte Stände und Gesichter zu treffen. Es ist eine tolle Abwechslung von Krammarkt über Fahrgeschäfte und andere Locations. Für die Gemeinschaft ist solch ein Ereignis einfach klasse. Nicht nur ich freue mich auf ein tolles langes Wochenende.