Von wehrhaften Bürgern

Vom 18. bis 21. Mai erinnert die Stadt Frankfurt dieses Jahr an die Sitzung des ersten gesamtdeutschen Parlaments vor 175 Jahren in der Paulskirche. In einer kleinen Serie beleuchtet der Kreis-Anzeiger die historische Situation in der heutigen Region Oberhessen. Teil zwei handelt nach der Rebellion 1830 von der daraus resultierenden Aufstellung einer Bürgerwehr in Ortenberg.
U nter dem Eindruck der Rebellion von 1830 forderte im Jahr 1848 die Hessische Regierung ihre Gemeinden und Städte auf, Bürgerwehren zu bilden, um Ruhe und Ordnung zu gewährleisten. Nach dem Aufruf in Ortenberg schreiben sich 63 Gardisten ein, die 17 Gulden freiwillige Beiträge und 11 Gulden für die Musik aufbringen. Als »Chargierte« nennen die Akten (Stadtarchiv Ortenberg, XVIII, 2,25) unter anderen: »Hauptmann Hartmann, Oberleutnant Emrich, Leutnant Eisener, Oberfeldwebel Bechtold, Fourier Roth und Fahnenträger Schnitter, Gardist Meyer Heß«. Von besagtem »Oberfeldwebel bey der Bürgergarde Bechtold« erhielt das spätere Wirtshaus »Bürgerspieß« am Alten Markt seinen Namen.
An die Mannschaft werden schließlich 23 Gewehre ausgegeben. »Auf einer Wiese nach Bergheim wurde manövriert und exerziert und nach Beendigung dieser Übung marschierte die Bürgerwehr nach der nicht weit entfernten Breitenheide, wo allerdings getrunken und gegessen wurde, je nachdem der Gardist Geld und Appetit hatte« (Intelligenzblatt Nr. 30 des Reg.-Bezirks Nidda).
Appell an Vertreter der Paulskirche
An dem politischen Geschehen in Deutschland nahm die Ortenberger Bürgerwehr regen Anteil. So wandte sie sich am 8. Mai 1849 an die Nationalversammlung in Frankfurt und machte den Vertretern in der Paulskirche Vorhaltungen, »Ihr zögerndes Verhalten gegenüber dem Willen des Volkes, dem Sie die Treue nicht gehalten und dem gegenüber Sie nicht den Mut aufgebracht habe, die Beeidigung des Militairs und der Beamten zu decretieren. Wir haben die vollständige moralische Gewißheit, daß Ihr selbst an Eurem kaiserlichen Werk verzweifelt... Ihr, die Ihr Euch für das deutsche Wohl nicht in die Schanzen zu schlagen wagt, tretet aus dieser Versammlung und überlaßt denen, die ohne Scheu und Furcht mit Unerschrockenheit den feindlichen Anstrebungen gegen unsere teuere Verfassung entgegentreten können, überlaßt denen, die unser volles Vertrauen genießen, die Zuendeführung unsrer unseligen Revolution!« Einige Tage danach, am 31. Mai 1849, ruft Hartmann die Ortenberger Bürger auf, »die allhier gebildete Bürgerwehr für die Aufrechterhaltung der Ordnung und für die Durchführung der Reichsverfassung nach Kräften zu wirken. Die Mitglieder der Bürgerwehr verkennen nicht, daß diese Aufgabe eine schwierige ist, allein sie hoffen, daß der gute Sinn der hiesigen Einwohner durch die Zeitverhältniße belebt wird und daß die sämtlichen Bewohner Ortenbergs ihnen zur Seite stehen, wenn es gilt, diese Aufgabe zu lösen«.
88 Gulden spenden die Bürger, das Inventar im Stadtarchiv nennt eine große schwarz-rot-goldene Fahne, drei Richtfähnchen, ein Exerzierreglement, gestiftet von Oberleutnant Dornseif, ein messingenes Signalhorn und neue Gewehre. Die Ruhe der Stadt wurde jedoch in der Folgen nicht mehr gestört, sodass die Bürgerwehr ihren Sinn verlor und am 2. Februar 1854 in einer Versammlung »Zur Post« aufgelöst wurde. Die Gewehre, Säbel und die Fahne aber wurden zur Gaudi der Jungen bis in die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts auf dem Dachboden des Alten Rathauses aufbewahrt.