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Vorwurf des schweren Raubs: Im Zweifel für den Angeklagten

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Einem 59-Jährigen wurde vorgeworfen, vor 20 Jahren einen schweren Raub in Reichelsheim-Blofeld begangen zu haben. Nun ist vor dem Landgericht Gießen das Urteil gefallen. Der Mann ist wieder frei.

Sieben Verhandlungstage brauchte es am Landgericht Gießen, bis Richter Peter Neidel ein Urteil sprechen konnte. Gestern wurde ein staatenloser Serbe nun davon frei gesprochen, im Mai 2003 einen schweren Raub in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub begangen zu haben. Die Gerichtskosten übernimmt der Staat, und für seine elfmonatige Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt in Gießen wird der 59-Jährige mit etwa 24 000 Euro entschädigt. Zudem wird ein noch ausstehender Haftbefehl vom Amtsgericht Friedberg aufgehoben - alles ganz im Sinne von Verteidiger Alexander Hauer.

Dem Freigesprochenen konnte am Ende nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden, dass er in einer Nacht vor fast 20 Jahren zusammen mit zwei Komplizen maskiert und bewaffnet in ein Einfamilienhaus in Blofeld eingebrochen sei. Nachdem die ursprünglichen Ermittlungen in dem Fall zu keinem Ergebnis kamen, wurde er als Cold Case 2021 wieder aufgenommen. Dabei sei laut den Cold-Case-Ermittlern herausgekommen, dass bei den polizeilichen Untersuchungen vor rund 20 Jahren vielen Spuren nicht ausreichend nachgegangen worden sei. Neue Erkenntnisse in dem Fall führten dann zum Haftbefehl gegen den nun Freigesprochenen. Er wurde nach einem selbst verursachten Auto-Unfall in seiner Wetterauer Wohnung festgenommen.

Indizienkette ohne echte Beweise

Im Laufe des am 10. Januar gestarteten Prozesses wurden eine Reihe von Indizien vorgelegt, darunter etwa eine am Tatort gefundene Getränkeflasche mit einer DNA-Mischspur. Hier sei auch die DNA des freigesprochenen Mannes gefunden worden. Der sagte jedoch aus, er sei zum Tatzeitpunkt in Afrika gewesen und könne sich vorstellen, diese Flasche sei aus einer Gemeinschaftsunterkunft an den Tatort gelangt. Neben dem 59-Jährigen sei hier laut Staatsanwaltschaft auch eine Verbrecherbande namens »Soldaten« untergekommen, der Verbrechen mit einem ähnlichen Modus Operandi wie in Blofeld nachgewiesen worden sei. Der ehemalige Angeklagte sagte aus, er kenne Mitglieder dieser Gruppe. Trotzdem: Weder war es zweifelsfrei seine Flasche, die er selbst am Tatort hinterlassen hat, noch konnte man nachweisen, dass er zur Tatzeit überhaupt in Deutschland und nicht in Afrika war.

Zweifel kamen auch auf, ob die bei einer Durchsuchung seiner Unterkunft gefundene Theo-Weigel-Maske diejenige war, die zur Tatzeit getragen wurde. Weder wurden an der sichergestellten Maske mit dem Gesicht des Politikers DNA-Spuren vom ehemaligen Angeklagten gefunden, noch konnte bewiesen werden, dass es dieselbe Maske ist. Schließlich seien Masken dieser Art ein Massenprodukt, waren sich Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Richter einig.

Vernünftige Restzweifel

Neben Flasche und Maske sprachen »von Anfang an einige wesentliche Umstände« für die Schuld des 59-Jährigen, sagte Staatsanwältin Dr. Julia Vorländer während ihres Abschluss-Plädoyers. »Trotzdem stellt sich hier die Frage, ob nicht vernünftige Restzweifel an der Tatbeteiligung des Angeklagten bestehen.« Doch Vorländer hält nach der Beweisaufnahme weiterhin seine Beteiligung an der Tat für »wahrscheinlich«. Dennoch sei der 59-Jährige freizusprechen, sagte sie und teilte damit die Forderung von Verteidiger Alexander Hauer. Sie verzichtete auf weitere Rechtsmittel.

Richter Peter Neidel beschrieb den Freigesprochenen beim Urteilsspruch als »kein Kind von Traurigkeit« und zählte die acht Fälle auf, in denen der Mann bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten war. Darunter illegaler Erwerb und Besitz von Schusswaffen, Fälschen amtlicher Ausweise, unerlaubte Einreise und Aufenthalt in Deutschland. Dennoch sah auch der Richter »vernünftige Zweifel« an der Tatbeteiligung. Ein Freispruch sei damit angebracht.

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