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Wallernhausens Alter Dorfladen im Schotten-Karo

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Haggis - gefüllter Schafsmagen und schottisches Grundnahrungsmittel: Aus humanitären Gründen verzichten die Kabarettisten Mathias Tretter (l.) und Sven Kemmler da auf eine Verkostung. Sonst wagen sie sich in Wallernhausen aber unterhaltsam in alle Bereiche schottischer Kultur. © Elfriede Maresch

Wallernhausen (em). »Schottenabend - Zwei Stunden mit nix drunter« war im Alten Dorfladen angesagt. »Nix drunter, aber viel dahinter« hätte man den Titel erweitern können. Denn das Publikum erfuhr dank Mathias Tretter und Sven Kemmler von »Kilt und Kult der Kelten - Wetter noch kälter« und wurde mit »Werbung für das kleine Land im Norden Englands« konfrontiert.

Das stimmungsvolle Ambiente der gewandelten alten Hofreite erwies sich erneut als Besuchermagnet. Aber die Herren mit den neuerdings schottischen Vornamen gingen noch mehr aufs Ganze und zeigten (kurzzeitig) Bein. Nicht etwa, um bisher unbekannten schottischen Cancan vorzuführen, sondern um ihre stilechten Kilts und ihre ernsthafte Annäherung an die Breite der schottischen Kultur zu demonstrieren.

Sven Kemmler, Pardon Stuart Kemmler natürlich, hat sich mit seinen Soloprogrammen bei Kritikern den Ruf des »sinnenfreudigen Intellektuellen« erworben. Als selbst ernannter Kulturbotschafter des Robert-Louis-Burns-Instituts in Aberglenkirkmuir konnte er aber diese anspruchsvolle Aufgabe nicht allein schultern, sondern schloss ein Unter-Männern-Bündnis mit Malcolm Tretter. Bedeutende Männer haben sich gelegentlich neu erfunden - mit dem Vornamen Mathias war dieser bisher geschätzter Gast im Alten Dorfladen. Das Publikum erinnerte sich gern an seine Trioauftritte mit dem »Ersten Deutschen Zwangsensemble«, seine Soloprogramme »POP - Politkomik ohne Predigt« und »Sittenstrolch«.

»Schotten mögen Deutsche«

Im Auftrag des Goethe-Instituts Glasgow kam er als Assistant Teacher für den Deutschunterricht und wurde mit der umfangreichen Info »Schotten mögen Deutsche« auf seine Aufgabe vorbereitet: »Meine Schüler hassten mich.« Das änderte sich, als er auf bräunlich gefärbte Nostalgie setzte (»Damals habens die Deutschen den Engländern gezeigt!«). Den Sitzkreis funktionierte man zum »Lernkessel« um, Fragen wie »Is it der, die oder das Blitzkrieg?« beantwortete man konzentriert, und Malcolm erwarb sich bei den Schülern die respektvolle Bezeichnung »Hermann, the German«. Und auch hier bewies Tretter, dass er mit sprachlicher Kreativität Herausforderungen standhält. Die Schülerfrage »What is ›fuck off‹ in German?« beantwortete er schlagfertig mit »Hochofen« und seither schalle gelegentlich »Hoch-o-fen«, im Wagnerschen Chor skandiert, durch die Klassenräume.

Sprachliche Kreativität ist ein Markenzeichen von Stuart und Malcolm. So habe wohl kaum ein Volk eine solche Fülle an Bezeichnungen für erhöhten Promillespiegel, erfuhr man: »Soaped, wasted, off my trolley« und noch viel mehr. Die ohne Zweifel bildhafteste Bezeichnung: »Yesterday I was fuckin’ Boris Jelzined!«

Nach dem Motto »Probieren geht über Studieren« fanden sich Corinna Ulm und Andreas Spira aus dem Publikum zu einer Verkostung von »weichem«, »mittlerem« und »hartem« Whisky (»Wer hat Lust auf Nahtod-Erfahrung?«). Schonungslos klärten sie die Kabarettisten auf: »Der Geschmack liegt irgendwo zwischen Industriegebiet und nassem Schaf, vielleicht mit einem Hauch Bitterschokolade!« Und wie schilderten die Furchtlosen den Geschmack? »Ein Hauch Bitterschokolade vielleicht…« Auf eine Verkostung von Haggis, gefülltem Schafsmagen und schottisches Grundnahrungsmittel, hatten Malcolm und Stuart aus humanitären Gründen verzichtet.

Ein etwas anderes Sprachtraining

Und wieder Weiterbildung: So begab sich Stuart im zweiten Teil auf einen Streifzug durch die englischsprachige Welt im Großen, der Übersichtlichkeit halber mit der Vokabel »fuck«, zunächst in Urban American: »Da geht noch viel, viel mehr!« Dann im Idiom der Südstaaten, genauer gesagt dem von Pensacola (»Not the end of the world, but you can see it from there!«). Auch hier der ganz niedrigschwellige Hot-potato-Zugang: Einfach immer so sprechen, als hätte man eine kochend heiße Kartoffel im Mund. Oxford English erfordert den gedämpften Klang eines Patienten mit großen Polypen in der Nase und den Mut zu sprachlichen Verzierungen. Also nicht das plumpe »It rains«, sondern »I think, it is raining, isn’t it?« Schottisch hingegen hat eine tiefe Verwandtschaft mit dem Deutschen: breite Lippenstellung, abgeflachte Vokale.

Schotten gelten ja gemeinhin als geizig - an Humor, Pointen und völkerverbindender Unterhaltung haben Malcolm und Stuart nicht gespart!

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