Warum Stefan Repp zweimal im Jahr Geburtstag hat

Am 1. März 1973 wäre der damals acht Jahre alte Stefan Repp beinahe in der Nidda ertrunken. Dass er noch lebt, verdankt er Herbert Diehlmann, dem Vater seiner Spielkameraden. Er zog den bewusstlosen Jungen aus dem Fluss und rettete ihm das Leben.
Der 1. März 1973, ein Donnerstag, ist allen Beteiligten im Gedächtnis geblieben. An diesem Tag rettete Herbert Diehlmann dem achtjährigen Stefan Repp das Leben. Er zog den bewusstlosen Jungen, der in der Nidda zu ertrinken drohte, aus dem Fluss.
5 0 Jahre sind seitdem vergangen. Während eines Treffens in Unter-Schmitten erinnern sich Diehlmann, seine beiden Söhne Jens und Frank sowie Repp an die Beinahe-Katastrophe.
Eine Clique von vier sechs- bis neunjährigen Jungs war damals im Niddatal unterhalb von Unter-Schmitten unterwegs: Repp, die Diehlmann-Söhne Frank und Jens sowie Ralf Baum.
Achtjähriger ist bewusstlos
Zum Fußballspielen waren die Wiesen noch zu nass. Aber die Jungen hatten einen anderen Anziehungspunkt. Wo heute die Wasserentnahmestelle der Ovag ist, gab es ein Wehr. Die Schneeschmelze im Oberwald hatte den Fluss gefüllt, das Wasser schoss nur so dahin und bildete am Wehr einen Wirbel.
Immer wieder tauchten Äste, Steine und andere mitgespülte Gegenstände auf, erinnert sich Frank Diehlmann, damals neun Jahre alt. Ein interessanter Ort für abenteuerlustige Kinder. Mit Stöcken versuchte die Clique, das herauszuziehen, was im Wasser trieb. Doch plötzlich wurde aus Spaß Ernst: Der achtjährige Stefan kam auf dem aufgeweichten Uferhang ins Rutschen, fand keinen Halt mehr und fiel in das brausende, wirbelnde und eiskalte Wasser. Seine Freunde waren einen Moment lang starr vor Schreck, dann versuchten sie, den Freund mit Stöcken herauszuziehen - vergeblich. Zwei-, dreimal tauchte er auf, schnappte nach Luft und geriet dann mit dem Kopf unter Wasser. Blitzartig war den Kindern klar, dass da nur ein Erwachsener helfen konnte. Der sechsjährige Jens rannte, so schnell er konnte, die etwa 200 Meter nach Hause.
Mutter Barbara war zum Einkaufen im Dorf. Vater Herbert, ein Fernmeldeingenieur, arbeitete bei den Funkanlagen auf dem Hoherodskopf und wäre eigentlich noch an der Arbeit gewesen, kam aber wegen eines anderen Termins kurz nach Hause. Gerade hatte er sich ins Auto gesetzt, um in Richtung Nidda zu fahren, als es an den Kofferraum klopfte. Draußen stand Jens, offensichtlich in Panik: »Papa, komm schnell, der Stefan liegt im Wasser!«
Sofort rannte Diehlmann über die matschigen Felder zum Wehr. Er musste bis an die Taille in die Nidda steigen, um das Kind am Pullover zu erwischen und ans Ufer zu ziehen. Instinktiv tat er dann das, was er während eines Erste-Hilfe-Lehrgangs gelernt hatte: Er hielt den Jungen an den Füßen hoch, damit Schlamm und Wasser aus den Atemwegen fließen konnten. Doch der bewusstlose Achtjährige reagierte nicht, der Puls ließ sich nicht ertasten, Stefan schien nicht mehr zu atmen.
Beatmung und Herzmassage
Kurzerhand legt Diehlmann den Jungen auf den Acker, kniete sich dazu, presste die Lippen auf das kleine Gesicht und machte Mund-zu-Mund-Beatmung, abwechselnd mit einem kräftigen Druck auf das Brustbein als Herzmassage. Auch nach 50 Jahren erinnert sich Herbert Diehlmann noch an das unangenehm gurgelnde Geräusch, das aus Stefans Brustkorb kam.
Der ausgekühlte Junge musste schnellstens ins Warme. Diehlmann schleppte ihn ein paar Meter weiter, legte ihn auf die nächste Wiese, wieder Beatmung und Herzmassage. »Geschafft«, dachte er, als er den ersten spontanen Atemzug des Jungen hörte. Aber dann kam eine lange, eine zu lange Pause. »Noch einmal Erste Hilfe«, dachte Herbert Diehlmann, der langsam an den Rand seiner Kräfte kam und nach weiterer Beatmung und Massage schließlich sein Haus erreichte.
Seine Frau war inzwischen nach Hause gekommen und holte die damalige Hausärztin Dr. Hedda Ahrenbeck zur Hilfe. »In eine Badewanne mit lauwarmem Wasser legen«, befahl diese. Stefan Repp atmete inzwischen regelmäßig, schlug die Augen auf, schaute verwirrt um sich. Heute kann er sich noch an das Kreiseln im Wasser und das Auftauchen erinnern. »Alles andere ist weg«, sagt er.
Als der Rettungswagen kam und Stefan ins Schottener Krankenhaus brachte, waren nicht nur die Kinder, sondern auch die drei Erwachsenen fix und fertig. »Geben Sie mir bitte einen Cognac, und eine rauchen muss ich auch«, sagte die Ärztin.
Stefan Repp wurde anschließend in die Kinderklinik in Gießen verlegt und nach drei Tagen wieder entlassen. »Mein Leben hing wirklich an einem seidenen Faden«, sagt er heute. »Dass ich Frau, zwei erwachsene Kinder und einen guten Beruf habe, verdanke ich alles diesem zweiten Geburtstag - und Herbert Diehlmann.« VON ELFRIEDE MARESCH