Wasserkraftwerk in Lißberg: 100 Jahre Heimatenergie

Beim Tag der offenen Tür im Wasserkraftwerk in Lißberg bietet die Ovag Rundgänge durch das Jahrhundertbauwerk an, das 1923 als »Überlandwerk der Provinz Oberhessen« gebaut wurde.
Lißberg (een). Nach nur zwei Jahren Bauzeit ging 1923 in Lißberg das Wasserkraftwerk der elf Jahre zuvor gegründeten Ovag in Betrieb, um die Bevölkerung mit Strom zu versorgen - damals noch als »Überlandwerk der Provinz Oberhessen«. Also lange, bevor erneuerbare Energien und CO2-Einsparung zum Thema wurden. Ein Wasserkraftwerk war die erste und damals einzige Möglichkeit, in der Region regenerative Heimatenergie zu gewinnen. Das wurde nun zum Anlass genommen, die Bevölkerung mit der 100-jährigen Geschichte dieses besonderen Bauwerks vertraut zu machen.
Das strahlende Spätsommerwetter trug sicherlich dazu bei, dass Besucherströme am malerischen Stausee unterhalb des Kraftwerks vorbei zur Anlage pilgerten. Ovag-Vorstandsvorsitzender Joachim Arnold freute sich beim Tag der offenen Tür über das große Interesse der Bevölkerung, die sich auf dem weitläufigen Areal verteilte. Zu den stündlichen Führungen bildeten sich Menschtrauben um Betriebsleiter Martin Rühl und Maschinist Randolf Heß.
Spannend und informativ erklärten sie den Weg des Wassers von Hillersbach und Nidder durch die beiden Stauseen zwischen Igelhausen und Lißberg und in Hirzenhain und wie es in 1,8 Meter dicken Röhren von dort bis zum Wasserschloss geleitet wird. Vom Wasserschloss aus, das als Druckausgleich fungiert, legt es noch einmal 250 Meter mit einem Gefälle von 65 Metern zurück, bevor es im Wasserkraftwerk ankommt und die beiden großen Turbinen antreibt.
Turbinen stehen still
Während die Besucher durch das Kraftwerk gingen, standen die beiden 100 Jahre alten Turbinen aus Sicherheitsgründen still - doch schon am Abend gingen sie wieder in Betrieb. Unter Volllast strömen drei Kubikmeter Wasser pro Sekunde durch die Anlage und produzieren im Jahr durchschnittlich 3,5 Millionen Kilowattstunden sauberen Strom. Damit wird der Bedarf von rund 2300 Haushalten gedeckt. Allerdings nur in den Zeiten, in denen es genug Wasser in den Bachläufen und Stauseen gibt. Maschinist Heß hat das jedoch stets im Blick und lastet die Anlage bestmöglich aus. Ausgangs des Kraftwerks fließt das Wasser in das Ausgleichswehr, um dann wieder in die Nidder zu fließen.
Zwischen den Führungen konnten sich die Besucher auch anhand der historischen Aufnahmen über die Geschichte des Werkes informieren. Beeindruckende Grafiken und Schaubilder lieferten Fakten über den Weg des Wassers zur Anlage und veranschaulichten die Gewinnung der sauberen Energie. Die Teilnehmer der Führungen bestaunten vor allem die tonnenschweren Schwungräder und Spiralturbinen. Sie vermittelten einen Eindruck davon, welche Gewalten gebändigt und zielgerichtet eingesetzt werden, während sie mit 750 Umdrehungen pro Minute ihre Arbeit verrichten. An der Decke sind Laufkräne mit einer Tragkraft von fünf Tonnen montiert, um die schweren Teile bei einer Wartung oder Reparatur bewegen zu können.
Man kann sich auch mit Gruppen oder Vereinen für eine Führung im Wasserkraftwerk anmelden. Betriebsleiter Rühl bedauerte, dass das Interesse der Schulen nachgelassen hat. Otto Schött, ein Besucher aus Lißberg, erinnerte sich noch gut an einen Besuch mit seiner Schulklasse. Nach dem Ende der Schule wollte er eine Ausbildung zum Elektriker machen und bewarb sich auch bei einer Frankfurter Firma. Während der Aufnahmeprüfung wurde die Funktionsweise eines Wasserkraftwerkes abgefragt, was er wohl als Einziger detailliert erklären konnte. Der Firmenchef aus Frankfurt suchte ihn danach sogar zu Hause auf, um ihn zu einer Ausbildung in seinem Betrieb zu bewegen. Am Ende entschied sich Schött wegen der Nähe aber doch für die Hassia.
Nicht nur nachhaltige, beeindruckende und langlebige Technik gab es zu sehen. Die Organisatoren hatten dafür gesorgt, dass man einen gemütlichen Familientag verbringen konnte.
Programm für die ganze Familie
Die malerische Szenerie am Ausgleichswehr wurde vielfach zum Fotoshooting genutzt, die kleinen Besucher tobten auf der Hüpfburg oder ließen sich schminken. Die ganze Familie konnte bei Pfannkuchen oder Leckerem vom Grill die Sonne genießen. Für Speisen und Getränke sorgte die Lißberger Feuerwehr, sodass niemand hungrig oder durstig den Heimweg antreten musste.