Weckler, Kötter, Zebunke und Faulhaber: Für Oberhessen machen sich alle stark

Die geringe Resonanz auf die Podiumsdiskussion zur Landratswahl, die der Förderkreis Oberhessen im Ortenberger Bürgerhaus organsiert hat, gibt durchaus Anlass zur Sorge.
Hier die Vorgaben von Bund und Land, dort die Wünsche und Bedürfnisse der Kommunen - und immer mittendrin: der Landrat. Dass es in dieser Lage keinesfalls einfach ist, allen Seiten gerecht zu werden, das weiß Jan Weckler (CDU) freilich am allerbesten. Der Amtsinhaber, der seit Mitte April 2018 in der Friedberger Kreisverwaltung regiert, lässt aber dennoch keinen Zweifel daran, dass er sich auch weiterhin diesen Spagat zutraut. Und die Herausforderer - Rouven Kötter (SPD), Thomas Zebunke (Bündnis 90/Die Grünen) sowie Gabriele Faulhaber (Die Linke) - haben ebenfalls Lust auf ein Amt, zu dem nicht wirklich viele Menschen einen Bezug haben. Das zeigen unter anderem die jüngsten Landratswahlergebnisse, die 2018 und 2014 in der Wetterau unter der 30-Prozent-Marke lagen. Und auch die Podiumsdiskussion, zu der der Förderkreis Oberhessen ins Ortenberger Bürgerhaus eingeladen hat, ist mit weniger als 100 Gästen nicht gut besucht. Ohne die Vertreter der Kommunalpolitik würde es mau aussehen im Saal.
Junge Leute? Fehlanzeige
Und so lässt sich genau an diesem Thema auch ein wichtiger Kritikpunkt des Abends festmachen: Fehlendes Vertrauen in und mangelndes Interesse an Politik kommt eher zufällig und nur ganz am Rande zur Sprache. Als es um die Frage geht, was die Kandidaten von einem nomadischen Kreistag halten, der nicht mehr starr in Friedberg, sondern in wechselnden Kommunen tagt, erwähnt Thomas Zebunke, dass die Resonanz auf die Sitzungen grundsätzlich zu wünschen übrig lässt. Zudem bereite ihm das Durchschnittsalter im Kreistag Sorgen - das gehe bis 25 und fange erst wieder bei über 60 an. »Wir haben ein Leck in der Grundversorgung der Kommunalpolitik.« Es sei höchste Zeit, mehr auf junge Leute zuzugehen, ihnen einen Zugang zum politischen Engagement zu verschaffen. Dazu passt, dass sich ins Ortenberger Bürgerhaus am Dienstag höchstes eine Handvoll junger Menschen verirrt.
Inhaltlich wie thematisch ist die Veranstaltung trotzdem prima vorbereitet. André Hülsbömer und Christian Renner moderieren mit Verve und platzieren drängende Fragen. Die Löcher in den kommunalen Kassen wollen sie alle stopfen. »Hier die Hyperreichen und da die Mehrheit der Bevölkerung. Das muss aufhören, wir brauchen eine Umverteilung«, hebt Gabriele Faulhaber die Stimme. Sie würde als Landrätin den Kreistag mehr in die Pflicht nehmen und kündigt an, »ordentlich Rabatz« machen zu wollen. Thomas Zebunke plädiert dafür, bei künftigen Finanzentscheidungen den Osten der Wetterau bevorzugen zu wollen. »Oberhessen muss Vorrang haben vor dem Rest des Landkreises.« Rouven Kötter mahnt ebenfalls, die Kommunen müssen besser ausgestattet werden. »Da braucht es einen langen Atem und Mumm, dies nach oben durchzusetzen.« Landrat Weckler indes verweist für die Arbeit der Wirtschaftsförderung sowie auf Förderprogramme, die helfen.
Was wird aus der Koalition?
Überhaupt der Ostkreis, unser Oberhessen. Es mag dem Wahlkampf geschuldet sein, aber vor allem die drei Männer auf dem Podium betonen mehrfach, die Region künftig priorisiert behandeln zu wollen: bei der Verteilung von Geldern, beim Ausbau der Infrastruktur, im Zusammenhang mit der Landesgartenschau und auf Verwaltungsebene. Der Landrat muss sich reichlich Kritik ob des in Friedberg geplanten 50-Millionen-Euro-Neubaus der Kreisverwaltung anhören. Dezentralisierung führen vor allem Faulhaber und Zebunke ins Feld, der Grüne will zudem drei Außenstandorte der Kreisbehörde in Büdingen, Nidda und Ortenberg umsetzen. Weckler bleibt souverän, nennt die Friedberger Pläne (aus 17 werden vier Standorte) »wirtschaftlich« und betont den bevorstehenden Aus- und Anbau des Büdinger Landratsamtes. Als Kötter erklärt, dem Antrag »nicht mit Begeisterung« zugestimmt zu haben, ihn auch nicht verteidigen zu wollen und auch nicht daran glaube, dass für 50 Millionen Euro in Friedberg gebaut wird, gerät - eher humorvoll - die schwarz-rote Koalition etwas ins Wanken. Durchaus ernst scheint es dann Thomas Zebunke mit seiner Vermutung zu sein, ab April 2024 gebe es im Kreis einen neuen Koalitionsausschuss unter Beteiligung der Grünen.
Unter dem Strich erlebt das Publikum den zu erwartenden verbalen Schlagabtausch. Die beiden Protagonisten Weckler und Kötter, in den Augen vieler die Favoriten bei der Wahl am 8. Oktober, spielen sich professionell die Bälle zu, Zebunke, so etwas wie die Wundertüte, gibt sich angriffslustig, und Faulhaber präsentiert sich locker und in vielen Themen derart versiert, dass selbst so manche Genossen im Saal der früheren Lehrerin an der Gesamtschule Konradsdorf großen Respekt zollen.