Weihnachtsgefühle im Jazz-Rhythmus

Gedern/Hirzenhain (ten). Grundschulklassen aus Gedern, Ober-Seemen und Hirzenhain haben vergangene Woche einen besonderen Musikunterricht erlebt. Im Wappensaal des Gederner Schlosses spielten drei Musiker für sie Weihnachtslieder als Jazz-Arrangement. Erläuterungen zu Instrumenten und Rhythmen erfüllten den didaktischen Anspruch.
Schon allein die Enge des gewohnten Klassenraums mit dem repräsentativen Wappensaal des Schlosses vertauschen zu dürfen, war schon ein kleines Weihnachtsgeschenk. Ergänzt wurde dieses für neun Klassen der Erlenbachschule in Gedern, der Seementalschule in Ober-Seemen und der Hugo-Buderus-Schule in Hirzenhain durch ein exklusives Live-konzert des Christmas-Jazz-Trios von Christoph Spendel (Piano), Claudio Zangheri (Bass) und Martin Stanke (Schlagzeug).
Lange Tradition in den USA
»Dieses Schulprogramm machen wir schon seit zehn Jahren«, erläutert Spendel. »Das ist immer ein Erlebnis. Die Kinder kennen die Lieder, aber nicht die Interpretation.« Die Idee sei ihm in den 90er-Jahren, als er in New York gelebt habe, gekommen. In den USA gebe es eine lange Tradition, Weihnachtslieder als Jazz-Arrangements zu interpretieren. Dass Kunst schön ist, aber viel Arbeit macht, wie es in einem fälschlicherweise Karl Valentin zugeschriebenen Zitat heißt, zeigt der Tourplan des Frankfurter Trios. 22 Konzerte stehen im Dezember darauf, manchmal drei an einem Tag.
Umso bemerkenswerter, dass sie gleich mehrere Tage in Oberhessen vor Grundschülern spielen. Möglich wurde das, wie die Leiterin der Seemenbachschule, Gabriele Mewes, erklärt, durch das Programm Löwenstark des Landes Hessen und Gelder der Fördervereine der musikalischen Grundschulen.
Das die Schüler der dritten und vierten Klasse noch nicht viel mit dem Begriff Jazz anfangen können, obwohl sie - ohne es zu wissen - durchaus den einen oder anderen Titel schon gehört haben, zeigt die Antwort auf die Frage, die Spendel zur Eröffnung stellt. »Das ist so eine ruhige Musik«, meint eine Schülerin. »Jazz ist eine Musik, die den Rhythmus in den Vordergrund stellt«, erläutert der Schlagzeuger Stanke und beginnt einige typische Rhythmen zu spielen.
Die Reaktionen sind höchst unterschiedlich. Während einige Schülerinnen und Schüler nahezu regungs- bis teilnahmslos auf ihren Stühlen sitzen, fährt anderen der Rhythmus sofort in Beine und Körper. »Cool«, entfährt es einer Schülerin. Durch die Mischung von Erläuterung und Vorspiel auf den Instrumenten, verbunden mit bekannten Melodien lernen letztlich alle Schüler mit Vergnügen. Sie erfahren, dass »Rudolph, the rednosed Reindeer« ebenso wie »In der Weihnachtsbäckerei« wegen des Rhythmus eigentlich Jazz-Musik ist. Mit »Feliz Navidad« stellt das Trio lateinamerikanische Salsa-Rhythmen vor.
Natürlich erkennen die Grundschüler schnell, dass der Pianist Spendel der Anführer des Trios ist. »Das ist wie beim Fußballspiel«, betont dieser, dass er auf den Schlagzeuger Stanke und den Bassist Zangheri angewiesen ist. »Wenn man zusammenarbeitet, geht das alles besser.«
Überholmanöver bei »O Tannenbaum«
Durch Mitklatschen und -singen werden die Kinder Teil des Ensembles. Mit Tücken. Denn »O Tannenbaum« singen sie im Gegensatz zu dem Jazz-Arrangement zu schnell und im gewohnten Rhythmus. »Wie Ihr gemerkt habt, Ihr habt uns überholt«, korrigiert Spendel sanft. »Es herrscht absolutes Überholverbot.«
»Ich habe Euch zugeguckt, es war schön, wie Ihr mitgegangen seid«, freut sich Mewes. Doch so sehr die Musik viele Kinder erfasst, werden nach etwa 40 Minuten die Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren immer deutlicher. Dem Rhythmus der üblichen Schulstunden können sie auch im Wappensaal nicht entfliehen.
Eine Beobachtung, die die drei Musiker öfter machen. »Die waren jetzt nicht besonders unruhig«, stellt Stanke fest. Trotzdem ist es den Musikern wichtig, den Grundschülern das Konzerterlebnis zu ermöglichen. »Manche haben noch nie eine Live-Band erlebt«, berichtet Stanke.