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Wie ein rechtlicher Betreuer helfen kann

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Andreas Gerlach hat dank der Unterstützung durch einen rechtlichen Betreuer eine Arbeitsstelle im Vogelpark Schotten gefunden, die ihm sehr gut gefällt. © Elfriede Maresch

Seit zwölf Jahren ist Andreas Gerlach aus Nidda ein rechtlicher Betreuer bei der Regelung von Behördenangelegenheiten und Ähnlichem behilflich. Der verheiratete Vater dreier Kinder schildert, wie sich sein Leben dadurch verbessert hat.

Vor einigen Jahren war die Familie von Andreas Gerlach in einer Sackgasse. Die Wohnung war zu eng, sie musste sich vergrößern. Zu dieser Zeit arbeitete der 48-Jährige aus Nidda bei gemeinnützigen Beschäftigungsgesellschaften, wo er sich aber nicht wohlfühlte. Der gelernte Maler und Lackierer wünschte sich eine Arbeit, die ihn mehr befriedigte. Außerdem war der älteste Sohn krank, er musste in auswärtige Kinderkliniken.

Andreas Gerlach erinnert sich: »Es gab damals viel Schriftkram, Anträge mussten ausgefüllt, Atteste eingeholt werden. Ich bin aber eher der Mann fürs Praktische. Seitenlange Anträge auszufüllen, liegt mir nicht. Dann wurde mir ein rechtlicher Betreuer als Hilfe für solche Sachen vorgeschlagen. ›Erst mal ausprobieren, vielleicht für ein Jahr‹, dachte ich. Man muss ja sehen, wie man miteinander auskommt.«

Situation verbessert sich

Schritt für Schritt verbesserte sich die Situation, dabei half Eberhard Marten, Diplom-Sozialarbeiter und seit vielen Jahren als selbstständiger rechtlicher Betreuer in der Region tätig. »Er kam zu uns nach Hause und wir haben ganz in Ruhe miteinander geredet. Wir haben alles durchgeguckt, was schriftlich zu regeln war, und er hat uns dabei geholfen. Er hat mir vorgeschlagen, bei den Schottener Sozialen Diensten zu arbeiten. Ich habe einen Probetag im Vogelpark Schotten bei den Tieren gemacht. Am liebsten hätte ich gleich dort angefangen. Aber das war kompliziert«, schildert Gerlach.

Die Einrichtungen der Schottener Sozialen Dienste gehören zu den Werkstätten für Menschen mit Behinderung (WfbM). Die Besetzung der Arbeitsplätze muss mit dem Landeswohlfahrtsverband beziehungsweise mit der Agentur für Arbeit abgesprochen und genehmigt werden. Daher mussten Anträge ausgefüllt werden. »Es war gut, dass der Herr Marten dabei geholfen hat«, meint Andreas Gerlach.

Die Familie konnte in eine neue Wohnung umziehen und fand Kindergartenplätze für die zwei kleinen Jungen. Und dann klappte es doch mit dem Arbeitsplatzwechsel. »Am ersten Arbeitstag im Vogelpark hat mein Chef Frank Jung mich allen im Team vorgestellt. Er hat mir die ganze große Anlage mit allen Tieren gezeigt. ›Das muss ich den Kindern daheim erzählen, dass es hier Erdmännchen und Lamas und einen sprechenden Papagei gibt‹, habe ich gedacht«, erinnert sich Gerlach.

Die Pflege der Tiere gefiel ihm gut. Er merkte aber auch, wie viel Arbeit es ist, die große Anlage in Schuss zu halten. Der Vogelpark gehört zu den beliebtesten Freizeitparks in Mittelhessen und hat an Sommersonntagen manchmal über 1000 Besucher.

Andreas Gerlach kamen die handwerkliche Erfahrungen zugute, die er in Malerfirmen gesammelt hatte. In die Tierpflege arbeitete er sich ein. Er berichtet: »Es gibt viel zu tun in der Futterküche und noch mehr in den Gehegen: sauber machen, Sand und Einstreu erneuern, Trink- und Futternäpfe reinigen und füllen, die Pflege der Grünanlage.« Das Wichtigste sei, die Tiere aufmerksam zu beobachten. »Sind alle da oder ist eins doch aus dem Gehege raus? Fällt was auf, hängt ein Vogel den Flügel, hat Federn ausgerissen oder will nicht fressen?«, beschreibt er. Dann müsse der Chef informiert, manchmal auch der Tierarzt geholt werden. Gerlach übernahm noch zusätzliche Aufgaben. »Wir haben auch Kollegen, die schlecht hören. Man muss mit den Händen zeigen. Einer wollte immer mit mir die Runde machen. Ich habe die Handzeichen aufs Handy runtergeladen und nachgemacht. Dann hat er mich verstanden«, berichtet er.

Im Vogelpark viel Neues gelernt

Gerlach hat im Vogelpark viel Neues gelernt, »auch Pflastern, am Gehege bauen oder Büsche schneiden«. Im Team wurde das ehemalige Luchsgehege für die Steppen- und Polarfüchse umgebaut. »Das war anstrengend, es mussten viele alte Pflanzen raus. Hand in Hand haben wir das geschafft. Jeder wusste, was er machen soll«, sagt der 48-Jährige

Auf das Vertrauen seiner Kollegen, die ihn zum Vorsitzenden des Werkstattbeirats gewählt haben, ist Gerlach stolz. Er meint: »Der Vogelpark ist der richtige Platz für mich. Es passt. Ich freue mich, dass Leute immer wieder kommen und die Kinder Spaß haben. Ich brauche den Herrn Marten nicht mehr so oft wie früher. Aber wenn etwas ansteht, rufe ich ihn an und mache einen Termin - und dann ist er für uns da.«

»Der Bedarf an rechtlicher Betreuung ist steigend und zugleich sind die vorhandenen Angebote durch chronische Unterfinanzierung in Gefahr.« So kurz und bündig fassen sowohl der Bundesverband rechtlicher Betreuer und Betreuerinnen (bdb) als auch die Teams der regional tätigen Betreuungsvereine der freien Träger und die selbstständigen Fachkräfte mit Beratungsbüros die Situation zusammen. Die letzte Aufbesserung gab es 2019 nach einer Pause von 14 Jahren. Entgegen der ursprünglich geplanten 17 Prozent gab es jedoch nur eine 12,3-prozentige Erhöhung des Stundensatzes. Inzwischen sind die Energiepreise gestiegen, die Inflation macht sich bemerkbar. »Die Änderung des Betreuungsgesetzes zum 1. Januar 2023 hat unsere Arbeit noch verdichtet. Wenn ehrenamtliche Betreuer krankheits- oder urlaubsbedingt ausfallen, sind wir angehalten, Ersatzbesuche zu machen. Die Begleitung der Betreuten soll kontinuierlich sein«, ist vom Hessischen Landesverband zu hören. »Der Stundensatz einer Fachkraft in der rechtlichen Betreuung ist deutlich niedriger als der eines Kollegen mit einer tariflich bezahlten Arbeitsstelle. Deshalb haben schon selbstständige rechtliche Betreuer aufgegeben.« Die bdb-Forderungen sind klar: »Um kostendeckend arbeiten zu können, brauchen wir einen Inflationsausgleich von 19,3 Prozent und eine grundsätzliche Vergütungsreform bis 2025.« VON ELFRIEDE MARESCH

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