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Wie ein Streicheln für die Seele

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Zwei Harfen und eine Sitzgelegenheit - mehr braucht Tom Daun nicht, um sein Ortenberger Publikum zu begeistern. Dieses lässt ihn auch erst nach drei Zugaben gehen. © Manuela Baumann

Zauberhaft und nahezu meditativ klingt das Spiel von Tom Daun im Ortenberger Karo-Keller. Auf Einladung des Kulturkreises fesselt der Harfenist sein Publikum mit keltischen Weisen.

Ortenberg (mba). Harfenisten und adelige Damen - derlei Beziehungen waren aufgrund der Standesunterschiede im alten Irland undenkbar. Das lernten die Zuhörer am Vorabend des Tags der Deutschen Einheit im Ortenberger Karo-Keller, denn der Kulturkreis Altes Rathaus hatte unter dem Motto »Von Mönchen, Barden und Elfen« zum Konzert von Tom Daun eingeladen. Der »Master of Music« der Universität Edinburgh ist europaweit einer der führenden Vertreter traditioneller Harfenmusik.

Weil die Musiker, ganz gleich, ob deutsche Minnesänger, französische Troubadoure oder anglo-keltische Barden, von Hof zu Hof zogen und für Fürsten und Könige musizierten, ihrer Tätigkeit also überwiegend genau dort nachgingen, wo Herrschaften mit Macht und Einfluss ansässig waren, war so manche unglückliche Liebe vorprogrammiert. Diese verarbeiteten die Künstler dann nicht selten, indem sie ihrer unerreichbaren Angebeteten traurige oder romantische Weisen widmeten. Etliche davon bekam das Ortenberger Publikum im Laufe des Konzerts zu hören.

Entschleunigen vom Alltagsstress

Zwei Harfen und eine Sitzgelegenheit - mehr brauchte Tom Daun nicht, um sein Publikum in eine verwunschene Welt zu entführen und mit seiner Musik Seelen zu streicheln. Mit geschlossenen Augen konnte man die zarten, sachten Klänge genießen und dabei wunderbar entschleunigen und den Alltagsstress hinter sich lassen. Zauberhaft und nahezu meditativ waren die keltischen Weisen, die der Solinger zu Gehör brachte, und dabei doch von enormer Klangstärke und -vielfalt. Dazwischen erzählte er aus der Welt der Barden, schilderte die historischen Hintergründe mancher Komposition oder erläuterte die Funktionsweisen seiner Instrumente. Nicht zum ersten Mal war Daun in Ortenberg zu Gast. Bereits in den späten 80er und 90er Jahren hatte er hier konzertiert und dabei Zuhörer so sehr beeindruckt, dass sie sogar begannen, sich selbst dem Harfenbau und deren Spiel zu widmen - und sich nun natürlich die Gelegenheit nicht entgehen ließen, den Meister einmal wieder live zu erleben.

Auch wenn die Tradition des Harfenspiels bis in biblische Zeiten zurückreicht - es sei an den Harfenisten David erinnert, der schließlich Goliath besiegte - lag der Schwerpunkt der jüngsten Veranstaltung im Mittelalter und der frühen Neuzeit. Vor allem die romantischen, tänzerischen oder auch melancholischen Kompositionen des blinden Virtuosen Turlough O’Carolan (1670 bis 1738) waren zu hören. Wie Daun berichtete, war es in Irland üblich, blinde Jungen zu Harfenisten in die Lehre zu schicken, wo sie dann über viele Jahre in dieser Kunst unterwiesen wurden. Da O’Carolan erst als fast Erwachsener infolge der Pocken erblindete, war seine Lehrzeit kürzer. Dennoch brachte er es nicht zuletzt aufgrund seiner vielen Kompositionen schließlich zum bekanntesten irischen Harfenisten, ja sogar zum Nationalkomponisten, einer echten irischen Legende.

Große, unerfüllte Liebe

Natürlich hatte auch Turlough O’Carolan eine große, unerfüllt gebliebene Liebe. Diese hieß Eleanor Plunkett, und eine Geschichte erzählt, dass er diese nach Jahrzehnten allein an ihrem Händedruck wiedererkannte, als er eines Tages gebeten wurde, einer alten Dame beim Besteigen eines Bootes die Hand zu reichen. Eine weitere Geschichte bezog sich auf das Stück »Sídh Beag und Sídh Mó«, dessen Melodie O’Carolan von Elfen im Traum geschenkt worden sein soll, als er sich in einer Schaffenskrise befand.

Als eine von drei Zugaben - das Publikum wollte ihn gar nicht von der Bühne lassen - spielte Daun das Stück »Lady Andrea«, das er für seine Frau geschrieben hat. So gab es dann zum Schluss des Konzertes tatsächlich auch noch eine Liebesgeschichte, die offensichtlich gut ausgegangen ist.

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