Wie Geldinstitute auf Automaten-Sprengungen in der Wetterau reagieren

In der Wetterau gab es schon viele Geldautomaten-Sprengungen. Wie schützen Sparkasse Oberhessen und Volksbank Mittelhessen ihre Automaten? Und wollen sie an ihnen festhalten?
Bislang sind wir relativ glimpflich davon gekommen: Die Sprengung unseres Geldautomaten in Butzbach im März 2022 ist bis jetzt die einzige geglückte Sprengung eines Automaten unseres Hauses. Das zeigt, dass unsere bereits Anfang 2022 ergriffenen Präventionsmaßnahmen Wirkung zeigen«, macht Erik Zimdars, Sprecher der Sparkasse Oberhessen, deutlich. In den vergangenen Jahren sind in der Wetterau jedoch zahlreiche Geldautomaten anderer Bankinstitute gesprengt oder aufgehebelt worden - worauf die Sparkasse mit der erwähnten Prävention reagiert hat.
Scheine einzufärben bringt nicht viel
Sie habe den Zugang zu allen SB-Bereichen zwischen Mitternacht und 5 Uhr eingeschränkt, erläutert Zimdars. »Wir kamen dabei den Empfehlungen der Ermittlungsbehörden nach und wollen verhindern, dass Unbeteiligte oder Anwohner zu Schaden kommen. Auch haben wir stets die Sicherheit unserer Geldautomaten im Auge und haben unsere Geräte mit diversen Sicherheits- und Alarmvorkehrungen ausgestattet und auch die Geldbestände der generell sinkenden Nachfrage nach Bargeld angepasst.«
Auch die Volksbank Mittelhessen tut viel, um der Gewalt Herr zu werden. So habe sie jüngst beschlossen, erneut einen sechsstelligen Betrag in die Sicherheit zu investieren, informiert Vorstandssprecher Dr. Lars Witteck. Die Volksbank setze vereinzelt auf Einfärbungen von Geldscheinen. »Allerdings gibt es gerade in Osteuropa einen Markt für dieses verfärbte Geld. Es wird dort sprichwörtlich gewaschen, 100 Euro kann man für 50 Euro verkaufen. Diese Maßnahme hilft also nur bedingt.«
Vernebelungs- und Lichteffekte
Neben nächtlichen Schließungen verspricht sich der Volksbank-Vorstand viel von Vernebelungs- und Lichteffekten. »Dann sehen die Verbrecher nichts mehr und finden das Geld nicht.« Sicherheitspersonal, wie es teils in anderen Ländern eingesetzt wird, hält Witteck für unpraktikabel. »Das hätte höhere Gebühren zur Folge. Das will ich unseren Kunden nicht antun.«
In Deutschland gibt es über 50 000 Geldautomaten. Die Volksbank Mittelhessen betreibt 180, die Sparkasse Oberhessen 81. Teilweise kooperiert Letztere mit den Genossenschaftsbanken der Region. »Unser gemeinsames Ziel ist es, ein flächendeckendes Automatennetz aufrecht zu erhalten und die Bargeldversorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. In diesem Zusammenspiel unterhalten wir in nahezu allen Gemeinden einen Geldautomaten«, erläutert Erik Zimdars.
Geldautomaten beherbergen immense Bargeldsummen, über 100 000 Euro können in ihnen stecken. Kein Wunder, dass sie attraktive Ziele für Kriminelle sind. »Die Verbrecher sind hochprofessionell organisiert«, sagt Witteck und erzählt, dass viele Banden aus den Niederlanden kämen und dort Akademien existierten, in denen das Sprengen erlernt werde. »Wir befinden uns daher in einem Wettlauf mit den Kriminellen.«
Die Sparkasse Oberhessen setzt bei diesem Wettlauf auf Kooperation und Risikoanalyse. So sei sie als eines von 15 hessischen Kreditinstituten Gründungsmitglied der vom Innenministerium ins Leben gerufen »Allianz Geldautomaten«, teilt Zimdars mit. Der Zusammenschluss von Polizei und Kreditwirtschaft habe sich das Ziel gesetzt, die Anzahl von Geldautomaten-Sprengungen in Hessen signifikant zu senken, um so insbesondere die Gefahr von Personen- und Sachschäden weiter zu minimieren.
Wann ein Automat als gefährdet eingestuft wird
Alle Standorte seien einer weitergehenden Gefährdungs- und Risikoanalyse unterzogen worden. »Hierbei wurden einige Standorte vor allem auch aufgrund der Nähe zu Autobahnauffahrten oder durch bereits versuchte Aufbrüche von Geldautomaten als gefährdet eingeschätzt. Als Mitglied der Allianz werden wir den Ausbau weiterer präventiver Elemente an diesen Risiko-Standorten schnell umsetzen und im Zweifel auch Geldautomaten an besonders gefährdeten Standorten vom Netz nehmen.« Letzteres ist in Nieder-Ohmen im Vogelsbergkreis geschehen. Zimdars gibt allerdings Entwarnung: »Aktuell sind keine weiteren Veränderungen im Geldautomatennetz aufgrund der Gefährdungsanalyse geplant.«
Gefahr auch für Passanten
Es ist ein Teufelskreis: Stärken die Kreditinstitute die Sicherheitsvorkehrungen, gehen die Verbrecher noch rabiater vor. Laut Dr. Lars Witteck, Vorstandssprecher der Volksbank Mittelhessen, wurden früher Automaten überwiegend mit Gas gefüllt, das dann angezündet wurde. »Wir haben daraufhin alle Automaten mit kleinen Zündern versehen, die alle fünf Sekunden auslösen und somit eine Explosion verhindern.« Seitdem würden die Verbrecher jedoch richtigen Sprengstoff einsetzen, was erheblich größere Schäden anrichte. Das sei nicht nur für Menschen gefährlich, die im gleichen Gebäude lebten, sondern auch für Passanten. »Die Brocken können 80 Meter weit geschleudert werden, das haben wir etwa in Linden gesehen«, betont Witteck. Gleichzeitig sorge diese Zerstörungsgewalt dafür, dass Vermieter den Banken die Mietverträge kündigten - aus Sorge, das Gebäude könnte in die Luft gejagt werden. Ist das Konzept mit SB-Filialen wegen der rohen Gewalt zum Scheitern verurteilt? Witteck überlegt einen Moment, bevor er sagt: »Es ist zumindest gefährdet.« Trotzdem betont er, an Geldautomaten festhalten zu wollen, auch wenn diese durch die Zunahme des bargeldlosen Zahlens und der Möglichkeit, in Supermärkten Geld abzuheben, mehr und mehr an Bedeutung verlieren werden.
Nachfrage nach Abhebungen drastisch gesunken
Zimdars verweist einerseits darauf, dass immer mehr Menschen ihre alltäglichen Bankangelegenheiten online am heimischen PC oder per Sparkassen-App erledigen und lieber bargeldlos bezahlen - die Nachfrage nach Bargeld-Abhebungen bei der Sparkasse Oberhessen sei seit Beginn der Pandemie um mehr als ein Drittel zurückgegangen -, dass die Sparkasse aber nach wie vor ein dichtes Geldautomatennetz unterhalte: »An insgesamt 54 Standorten halten wir 81 Geldautomaten vor«, teilt Zimdars mit und erwähnt, dass man besonders an kleineren Standorten mit lokalen Volksbanken kooperiere, an neun Standorten gemeinsame Selbstbedienungsstellen betreibe. »In der Zusammenarbeit sehen wir eine gute Möglichkeit, zukünftig weiterhin ein dichtes Filialnetz auch unter Kosten- und Sicherheitsaspekten dauerhaft erhalten zu können. Wir planen, die Kooperationen auf weitere auszudehnen«, erläutert der Sparkassensprecher. »Trotz der Entwicklung hin zu mehr bargeldlosem Zahlungsverkehr und den Möglichkeiten, sich im Supermarkt mit Bargeld zu versorgen, halten wir ein eigenes und dichtes Geldautomatennetz weiterhin für sehr wichtig, bieten doch beispielsweise Supermarktkassen oft nur eingeschränkte Möglichkeiten zum Abheben (Beschränkung auf 200 Euro). Zudem fungieren unsere Automaten mittlerweile oft als ›Kasse‹, bei der unsere Privat- und Geschäftskunden auch Einzahlungen auf ihre Konten tätigen können.«