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Wölfersheim: Die Bauwagen-Gruppe Berstadt feiert 30-Jähriges - »Ein halbes Leben zusammen«

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So sah er aus: Am ehemaligen Standort an der B 455 hin zur Ortsseite erinnert jetzt ein Gedenkstein an den Bauwagen. © pv

Die Gruppe des Bauwagens Berstadt feiert ihr 30-jähriges Bestehen. Einer der damaligen Jugendlichen, Oliver Wolf, erzählt von Einbrüchen, Bränden und dem Ende, das irgendwie keines ist.

An einem Feldweg in Berstadt erinnert ein Gedenkstein an den Bauwagen, der dort einst gestanden hat. Direkt an der B 455, hin zum Dorf. Fahrtgeräusche dröhnen herüber. Das war früher auch schon so, sagt Oliver Wolf. »Ja, die Straße ist laut. Aber wir waren lauter«, sagt der 45-Jährige und lacht. Genau 30 Jahre ist es her, dass Jugendliche einen Bauwagen gekauft und zu ihrem Treffpunkt auserkoren haben. Wolf war damals 15. Heute feiert die Clique ihren runden Geburtstag an der Berstädter Grillhütte.

»Wir haben damals einen Platz zum Treffen gesucht und sind selbst aktiv geworden«, sagt Wolf. Nach einem Hausbau ergatterten sie einen Bauwagen, der als Pausenraum gedient hatte. Jeder gab etwas dazu. Wolf weiß nicht mehr, was der Wagen gekostet hat. Aber: »Es kann nicht die Welt gewesen sein.« Nach der Sanierung und dem Bau eines Vordachs war der Treffpunkt Bauwagen Berstadt geboren.

Bauwagen Berstadt: Besondere Ortsliebe

Dort kam die Clique von 20 bis 30 Leuten regelmäßig zusammen. Meist, ohne sich zu verabreden: »Es gab ja noch keine Smartphones.« So galt: Wer kommt, ist da. Und es war fast immer jemand da. Oft brannte ein Lagerfeuer, es wurde geschwätzt. Über Gott und die Welt. »Es war einfach DER Treffpunkt«, sagt Wolf.

Der Kern der Clique ist bis heute zusammengeblieben. Wenige sind weggezogen. »Das ist die Ortsliebe, die wir hier haben.« Mitglieder der Gruppe sind jetzt Nachbarn im Neubaugebiet. Die Freunde, die er heute hat, sind noch die Leute von damals, sagt Oliver Wolf.

Bauwagen Berstadt: 1998 abgebrannt, 2014 abgerissen

Zusammen haben sie vieles durchgestanden: Einbrüche in den Bauwagen, zum Beispiel. Gebrannt hat es im Wagen auch zwei Mal. 1994 konnte er noch renoviert werden. Das Geld stammte aus der Kasse von den Feiern. Wolf sagt, ein eiserner Satz damals war: »Die Kasse ist nicht zum Trinken, sondern zum Renovieren da.«

Doch 1998, nach dem Fest zum 5-Jährigen, konnte auch die Kasse nicht mehr helfen: Der Wagen brannte ab. Wenig später hatte die Clique für Ersatz gesorgt. 2014 folgte mit dem Abriss das endgültige Ende. »Er wurde immer weniger genutzt«, sagt Wolf. Lachend schiebt er hinterher: »Wir waren zu alt.« Die ersten Mitglieder gründeten eine Familie, die Treffen wurden seltener.

Bauwagen Berstadt: »Das war uns, das wollten wir auch beenden«

Ob der Abriss das Ende ihrer Jugend bedeutete? »Eigentlich waren wir schon drüber«, sagt Wolf und lacht. Den Bauwagen an Jüngere weitergegeben haben sie nicht. »Das war uns, das wollten wir auch beenden« - natürlich mit einer großen Abrissparty.

Überhaupt, gefeiert wurde am und vom Bauwagen viel: Silvester- und Malle-Partys, die Lange Nacht am Tag vor Weihnachten und die großen Feten alle fünf Jahre. »Wir haben immer die Herausforderung gesucht«, sagt Wolf. Etwas, an das andere sich so vielleicht nicht herangetraut hätten. Eine Feier am Berstädter Tanzhof, zum Beispiel, bei der das erste Mal eine große Bühne aufgebaut wurde. »Wir sind stolz, dass sie dort nicht zum letzten Mal stand.«

Auch mit der Feier zum 30-Jährigen an der Grillhütte stellen sie sich wieder einer Herausforderung: Seit 20 Jahren sei dort keine größere Feier mehr gewesen. »Wir wollen den Ort etwas wiederbeleben«, sagt Wolf. Das sei schwer ohne Infrastruktur - es gebe zwar Strom, aber kein Wasser. Wenn alle Mitglieder da sind, werden es um die 30 Leute sein. Die Gäste kommen noch dazu. Und die nächste Generation, die Bauwagen-Kinder. Von denen mittlerweile einige Auto fahren, wie Wolf sagt.

Bauwagen Berstadt: »Wir haben uns immer eingebracht«

Jetzt wie auch früher kann sich die Bauwagen-Gruppe auf die Hilfe anderer Ortsvereine verlassen. »Eine Hand wäscht die andere«, sagt Wolf. Umgekehrt konnten sich die heimischen Vereine auch auf den Bauwagen verlassen. »Wir haben uns immer eingebracht.« Sei es beim Streichen einer Bushaltestelle oder beim Dienst an Festen. Deshalb, sagt Wolf, haben sie immer Ansehen im Dorf genossen und nie als die »rebellische Jugend« gegolten. Eine Wölfersheimer Partei habe in einem Antrag mal von der »Brücke zum Bauwagen« geschrieben - und das, obwohl er schon längst nicht mehr dort stand.

Fragt man Oliver Wolf, welche Geschichte aus 30 Jahren Bauwagen ihm in Erinnerung geblieben ist, kann er keine herausgreifen: »Es gibt zu viele, wir haben ein halbes Leben zusammen verbracht.« Die besondere Gemeinschaft erklärt er an einer persönlichen Geschichte: 1995 waren Bauwagen-Mitglieder in einen Unfall verwickelt, weil sie helfen wollten. Auch Wolf wurde verletzt. »Die Bauwagen-Leute haben mich wieder auf die Beine gebracht, den Blick nach vorne gerichtet.«

Es ist ihm wichtig zu betonen, dass alle gleichberechtigt sind. Es gibt keine Vereinsstruktur, keinen Vorsitzenden: »Wir sind ein Kollektiv.«

Info: Hütten-Party heute Abend

Heute Abend geht es zurück zu den Anfängen der Bauwagen-Gruppe: an die Grillhütte in Berstadt, wo vor 25 Jahren das erste Bauwagen-Fest veranstaltet wurde. Los geht’s um 18 Uhr mit einem Dämmerschoppen, musikalisch umrahmt vom Blasorchester des Turnvereins Berstadt. Das Ensemble gehört quasi zum »Inventar« der Bauwagen-Feste, ist zum fünften Mal dabei, wie es in der Ankündigung heißt. Ab 21 Uhr steht die Band »P.A.C.E.« auf der Open-Air-Bühne. Die Musiker sind in Berstadt bekannt durch ihre Auftritte am Kirmessamstag. Mit Rock, Pop und Schlager von der Almhütte bis nach Malle sollte für jeden Geschmack etwas dabei sein. Es gibt eine Auswahl an diversen Flaschenbieren, Apfelwein und Softdrinks und an Hochprozentigem. Nico Heine serviert Grill-Spezialitäten aus dem Imbisswagen und hat einen Crêpe-Stand dabei. Der Eintritt ist frei.

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Etwa 30 Personen gehören heute wie damals dem Bauwagen Berstadt an - jetzt sind auch die ersten Kinder dabei. © pv

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