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Energiemuseum in Wölfersheim: Von Strom, Stollen und Retter-Mäusen

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Das Energiemuseum in Wölfersheim. © Sabrina Dämon

1991 war Schluss. Das Kraftwerk wurde abgeschaltet. Doch in Vergessenheit sollte die Wölfersheimer Bergbautradition nicht geraten. Dafür haben Engagierte gesorgt - und sind noch heute im Einsatz.

Es gibt eine Liste für die Sonntage. Wer kann, trägt sich ein - und kommt von 14 bis 17 Uhr ins Wölfersheimer Energiemuseum, um Gäste zu empfangen, ihnen etwas über die Ausstellungsstücke zu erzählen oder eine Geschichte von damals. Von der Zeit, als in Wölfersheim Strom für die Region erzeugt worden ist.

Vier Männer, alle mit der Bergbau-Geschichte verbunden, teilen sich die »Sonntagsdienste« im Museum (jeden ersten und dritten Sonntag, morgen auch): Helmut Rieß, Hugo Rieß, Dieter Heerz und Hans-Joachim Dudek. Sie kennen die Geschichte des Bergbaus aus eigener Erfahrung. Helmut Rieß und Hans-Jo-achim Dudek als Bergleute, Hugo Rieß als Elektriker, Dieter Heerz als Schlosser. Im Museum engagieren sie sich ehrenamtlich.

Der Ausstellungsraum liegt im ersten Stock des ehemaligen Umspannwerks. »Früher standen hier die Trafos«, erklärt Helmut Rieß. »Von hier wurde der Strom verteilt - um die Glühbirnen zum Leuchten zu bringen.«

Die Bergbau-Geschichte in Wölfersheim und im benachbarten Reichelsheim beginnt 1842. Fürst von Solms-Braunfels eröffnete die Braunkohlegruben Wölfersheim und Weckesheim. 1873 wurde die Grube bei Melbach eröffnet.

Aus dem Keller ins Umspannwerk

Wo die Gruben sich genau befanden und welche wann hinzukamen, können Museumsbesucher anhand von Karten und Fotografien erfahren.

1913 ging das Kraftwerk Wölfersheim in Betrieb - das erste im Großherzogtum Hessen-Darmstadt. Von dort wurde Oberhessen mit Elektrizität versorgt. In den folgenden Jahrzehnten entwickelte sich der Braunkohleabbau, Kraftwerke (erst ein Schwellkraftwerk, später Blockkraftwerke) entstanden, es wurde sowohl unter Tage als auch im Tagebau gearbeitet.

Am 30. Oktober 1991, so steht es auf einem Plakat im Museum, das Singbergschüler gestaltet haben, wird die letzte Kilowattstunde Strom ins Netz eingespeist. Doch damit sollte nicht einfach alles sang- und klanglos vorbei sein. Der Wölfersheimer Rudolf Weinelt, früheres Mitglied im Betriebsrat-Vorstand der Preußischen Elektrizitäts AG (PREAG), gründete 1991 mit rund 20 anderen den Verein zur Pflege der Bergbau- und Kraftwerktradition. Weinelt, der inzwischen verstorben ist, errichtete mit viel Herzblut und mithilfe des auf ca. 100 Mitglieder angewachsenen Vereins das Bergbaumuseum, berichtet Rieß.

Am Anfang war das Museum ein Raum im Keller des Rathauses. 2006 wurde es an seinem heutigen Ort eingeweiht. Die Gemeinde hatte das ehemalige Umspannwerk von der Ovag gekauft, dann fiel die Entscheidung, es als Museum zu nutzen, sagt Rieß.

Es gibt viel zu sehen und zu erfahren. 4000, vielleicht 5000 Exponate sind ausgestellt, sagt Rieß. Karbidlampen, Mineralien, eine Zündmaschine für Sprengungen… Dazu Schautafeln, Texte und viele Bilder. Ein Teil davon von Helmut Rieß aufgenommen - in den späten 50ern, als ein Foto etwa 2 DM gekostet hat und Rieß einen Stundenlohn in der Grube von 98 Pfennigen hatte.

Wo Männer und Mäuse frühstücken

Viele Exponate seien von der PREAG, aber auch aus Privatbesitz - »hier gab es viele Bergleute, jeder hatte noch was im Keller«. In der Mitte des Raums steht der nachgebildete Stollen: mit einem Kohlewagen, Helmen und einer Frühstücksecke. Dazu gibt es eine Geschichte, die Museumsbesucher besonders gerne hören, wie Rieß sagt: die von den Mäusen, die immer mit den Bergleuten gefrühstückt haben. Denn mit den Mäusen galt es, sich gutzustellen. Bei Gasaustritt (im Gegensatz zu Menschen riechen Mäuse das) oder Wassereinbrüchen flüchteten die Mäuse Richtung Erdoberfläche, noch bevor die Männer etwas merkten (was meistens zu spät gewesen wäre) - so hat es auch Rieß einmal erlebt, ein Wassereinbruch im Stollen.

Solche und viele andere Geschichten erzählen die Männer, wenn sie an den Sonntagen im Museum sind. Doch, sagen sie: »Wir sind auch alle älter geworden.« Es werde dringend (jüngere) Verstärkung gesucht - damit das Museum engagiert und liebevoll wie bisher weitergeführt werden kann. Und die facettenreiche Bergbau-Geschichte in der Region in Erinnerung bleibt.

Das Energiemuseum ist auf Initiative von Rudolf Weinelt entstanden. Er hat 1991 mit weiteren Personen den Verein zur Pflege der Bergbau- und Kraftwerkstradition in Wölfersheim gegründet. Vergangenes Jahr ist Rudolf Weinelt verstorben. Den Verein gibt es seit 2017 nicht mehr, die Gemeinde betreibt das Museum. Wer einen Termin für eine Führung ausmachen möchte oder Fragen hat, kann sich an die Gemeinde wenden: Tel. 0 60 36/97 37 62. sda

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Die vier »Museums-Männer« in dem nachgebauten Stollen: Dieter Heerz (vorne, l.) Hugo Rieß (hinten, l.), Helmut Rieß (hinten r.) und Hans-Joachim Dudek. © Sabrina Dämon

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