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»Ich mach aus Minus Blues«

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Von: Inge Schneider

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Als Henning Bröhmann schnappt Dietrich Faber sich seine geliebte Frau und Göttin Francesca in Gestalt eines Notenständers und trägt sie gefühlvoll aus dem Tango-Tanzsaal. © Inge Schneider

Wölfersheim-Melbach (im). Ein Mann steht zwei Stunden lang allein auf der Bühne, vervielfältigt sich in seinen Figuren - das Publikum liegt ihm zu Füßen und lacht dabei Tränen: So geschehen im Dorfgemeinschaftshaus zum Auftakt der Wölfersheimer Kleinkunstwoche als Abschluss der Feiern zum 50. Geburtstag der Großgemeinde.

Der Gießener Kabarettist, Autor und Musiker Dietrich Faber sorgte mit seinem Programm »Bröhmann - Die Zugabe« für Furore vor ausverkauftem Haus. Selbst diejenigen, die seine Buchshows bisher nicht kannten, waren bereits zur Pause restlos begeistert. Volltreffer also für den Künstler sowie für Sebastian Göbel als Kulturbeauftragten der Kommune, der das Publikum eingangs begrüßt hatte.

Manni Kreutzer macht Musik

Unter den staunenden Augen der Zuschauer verwandelte sich der vielseitige, sympathische und stets dem Auditorium zugewandte Dietrich Faber nicht nur in den Kriminalkommissar und Familienvater Henning Bröhmann, sondern ebenso in sein Alter Ego, den Country-Sänger und Gitarristen Manni Kreutzer aus Schotten-Rainrod als »dem Epizentrum des Vogelsbergs«, den hüftschwingenden Tango-Tanzlehrer Günni aus Ober-Hörgern, den 83-jährigen F-Jugend-Fußballtrainer Bruno Rötzenbrink und den nahezu ebenso alten Alleinunterhalter »Orgel-Willi«, der auf keinem Familiengeburtstag fehlen darf und den Anwesenden mit seinem unnachahmlichen Mix aus »Highway to Hell« und »Atemlos durch die Nacht« einheizt.

Ganze Gruppen sind für Faber ebenfalls kein Problem, ob es sich um die Väter der U3-Gruppe des Alternativ-Kindergartens handelt, die zum Teambuilding und Holzmachen in den Wald ausrücken, ob er die aufgeregten jugendlichen Kicker und ihre ebenso exaltierten Eltern parodiert oder im gestandenen Grillsportverein Rainrod unterwegs ist, unpassenderweise mit »Alufolie« und mit marinierten Hühnchen-Paprika-Spießen, die dort als Gemüse gelten.

Zwischendurch drängelt sich immer wieder Manni Kreutzer mit Gitarre und Ausschnitten aus seiner CD »Das Manni-Fest« in das Leben und in die Performance des 2015 mit dem Wetterauer Kulturpreis ausgezeichneten Comedian, der zugibt, dass seine Figuren längst ein Eigenleben führen und die Pandemie dazu beigetragen habe, sie zu erhalten und die Entwicklung eines komplett neuen Programms etwas hinauszuzögern.

Neues Programm im März

»Es wird im März 2023 uraufgeführt und heißt ›Positiv‹!« kann Dietrich Faber gerade noch unterbringen, bevor Manni Kreutzer Mikro, Gitarre und Ruder übernimmt und seine Sicht auf die Pandemie besingt.

»Ich bin systemirrelevant«, so sein ernüchterndes Fazit für sich selbst als »unterschätzte Größe im Bereich der oberhessischen Gegenwartslyrik« sowie für Kunst und Kultur ganz generell während der Pandemie. Politisch wird Manni, ansonsten ein harmloser, romantischer Typ »zum Gebrauchtwagen-Stehlen«, auch dann, wenn es um die Besänftigung von Hass und Häme streuenden Wutbürgern geht: »Seid fluschig, wuschig und weich« empfiehlt er ihnen in »melancholistischem Ton« und löscht die Tiraden auf seinem Bildschirm mit dem Edding-Stift.

Nachdem das Publikum Manni auch noch bei der Trennung von seiner 93-jährigen Mutter unterstützt hat, die sein Kinderzimmer inzwischen lieber für ihren Zumba-Kurs reserviert hätte, verabschieden sich Faber und Manni Kreutzer gemeinsam mit dem Lied vom »Lonesome Wulf«, dem mottogebenden Song »Ich mach aus Minus Blues« und einem Dank an das Team in Melbach, das mit abgehängten Tücherdecken und Lichterketten »das Dorfgemeinschaftshaus wahrlich in ein Kleinkunstzelt verwandelt« hätte.

Im Anschluss nahm Faber sich viel Zeit für seine Stamm- und Neufans, signierte Bücher und ließ sich ablichten. Ein sympathischer Comedian, der es verdient hätte, zu den ganz Großen gezählt zu werden, wobei der in Melbach so gefeierte Regionalbezug manchmal unverdient ein Hindernis sein mag. Die gesamte Wölfersheimer Kleinkunstwoche wird im Rahmen des Programms »Stärkung ländlicher Raum« vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst gefördert.

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