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Entscheidung im Streit um geplantes Rewe-Logistikzentrum vertagt

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Von: Klaus Nissen

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Kein Bagger, kein Bauarbeiter weit und breit: Das 26 Hektar große Areal des geplanten Rewe-Logistikzentrums zwischen Wölfersheim und Berstadt ist noch immer einer Wiese. Ob es so bleibt, entscheidet sich voraussichtlich am Donnerstag. © Klaus Nissen

Der Bau des Rewe-Logistikzentrum an der A45 verzögert sich weiter. Jetzt ist auch das Urteil über die Baugenehmigung vertagt – eigentlich sollte es am Donnerstag gefällt werden.

Update vom 10. November, 11.40 Uhr: Im Streit um den Bau eines Rewe-Logistikzentrums im Wetteraukreis hat das Bundesverwaltungsgericht die für Donnerstag (10. November) angekündigte Entscheidung vertagt. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshof (EuGH) vom vergangenen Dienstag solle die Möglichkeit einer Stellungnahme gegeben werden, sagte die Richterin am Donnerstag in Leipzig. Deshalb werde das mündliche Verfahren wiedereröffnet. Unklar sei, wie die Verhandlung weiter verlaufe.

Das Gericht in Leipzig verhandelt über eine Klage des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) gegen das Regierungspräsidium Darmstadt. Dabei geht es um die Frage, ob Umweltverbände ein Klagerecht haben, wenn Planungsentscheidungen im Rahmen einer sogenannten Zielabweichung von geltenden Regionalplänen getroffen werden (Az: BVerwG 4 C 6.21).

Mit seiner Entscheidung am Dienstag stärkte der EuGH das Klagerecht von Umweltvereinigungen. So entschied der Gerichtshof in Luxemburg, die Deutsche Umwelthilfe (DUH) dürfe gegen die sogenannten Thermofenster klagen. Hintergrund der Entscheidung war ein Streit vor dem Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht. Die DUH geht dort gegen eine Entscheidung des Kraftfahrt-Bundesamtes vor, das für Autos des Herstellers Volkswagen die Thermofenster genehmigte.

Rewe-Logistikzentrum an der A45: Gras statt Bagger auf Rewe-Baustelle

Erstmeldung vom 9. November: Eigentlich sollte das 26 Hektar große Logistikzentrum an der Autobahn-Auffahrt Berstadt 2023 öffnen. Doch das Projekt des Supermarkt-Konzerns Rewe kommt nicht voran - die Baustelle ist noch immer eine Wiese. Ein Bündnis aus Landwirten, Kirchenleuten und Umweltschützern verhindert bislang den Bau der Lagerhalle. Diese Woche entscheidet das Bundesverwaltungsgericht, ob das Projekt eine Zukunft hat.

Eine Stunde lang befasste sich das fünfköpfige Richter-Team des Vierten Senats am Dienstagvormittag mit dem Multimillionenprojekt bei Berstadt. Dort will Rewe eine knapp 90 000 Quadratmeter große und 30 Meter hohe Lagerhalle bauen. Das Gericht hörte die Vertreter des Regierungspräsidiums Darmstadt, der Gemeinde Wölfersheim und des hessischen Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) an. Letzterer klagt in dritter Instanz gegen das Land Hessen. Denn nach dem geltenden Regionalplan war das Bauland als hochwertiger Acker ursprünglich nur für die Landwirtschaft nutzbar. Doch auf Wunsch der Wölfersheimer Gemeindevertreter ließ das Regierungspräsidium im Jahr 2017 ein sogenanntes Zielabweichungsverfahren zu. Mit großer Mehrheit erlaubten damals die Lokalpolitiker in der Regionalversammlung Südhessen den Bau der verkehrsgünstig liegenden Lagerhalle.

Rewe-Logistikzentrum an der A45: Urteil für Donnerstag erwartet

Der BUND zog dagegen vor das Verwaltungsgericht - auch aus grundsätzlichen Gründen. Denn eine Zielabweichung »ist eine reine Verwaltungsentscheidung mit einem begrenzten Empfängerkreis nach einem nicht öffentlichen Verfahren«, meint Werner Neumann vom Landesvorstand der Umweltschutzorganisation. Man könne sie nur sehr eingeschränkt durch Gerichte überprüfen lassen. Viel zu häufig gebe es diese vom Flächennutzungsplan abweichenden Sondergenehmigungen, sagt Neumann. Seit 2016 habe die Regionalversammlung 34-mal Zielabweichungen beschlossen. Besser sei es, den gesamten Regionalplan, wie eigentlich vorgesehen, alle zehn Jahre komplett neu zu beschließen. Das hätte für Südhessen im Herbst 2021 geschehen müssen. Dieses Verfahren ist sehr aufwendig und erfordert die Beteiligung zahlreicher Verbände.

Es hat also grundsätzliche Bedeutung, falls das Bundesverwaltungsgericht die Zielabweichung zugunsten des Wölfersheimer Logistikzentrums kippt. Dann würde es schwieriger werden, neue Großprojekte durchzusetzen, die nicht zu den Vorgaben eines älteren Flächennutzungsplans passen. Beispielsweise stünde dann auch das große Wiesbadener Neubaugebiet »Ostfeld« auf wertvollem Ackerland infrage, hoffen die Umweltschützer vom BUND.

Rewe-Logistikzentrum an der A45: BUND legt Widerspruch gegen Baugenehmigung ein

Für den Donnerstag ist die Entscheidung des Richtergremiums angekündigt. Wenn es die Zielabweichung ablehnt, muss wahrscheinlich der Hessische Verwaltungsgerichtshof erneut beraten, ob das große Lebensmittellager wichtiger ist als die Landwirtschaft und der Lebensraum für Vögel und Feldhamster. Falls die Leipziger Richter dagegen im Sinne der Bauherren von Rewe urteilen, plant der BUND den Gang zum Europäischen Gerichtshof.

Parallel dazu geht das Ringen um das Logistikzentrum in einem anderen Prozess weiter. Ende Mai hatte der Wetteraukreis die Baugenehmigung an die Rewe-Zentrale geschickt. Sie wollte dann umgehend mit den Erdarbeiten loslegen. Doch der BUND legte Widerspruch ein. Nun muss wiederum das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entscheiden, ob dieser Widerspruch eine aufschiebende Wirkung hat. Ein Verhandlungstermin steht noch nicht fest. Rewe hätte in diesem Sommer rein rechtlich die Bagger auf das Grundstück zwischen der B455 und der A45 rollen lassen können. »Aber wir warten lieber, bis wir Rechtssicherheit haben«, sagte am Dienstag die Konzernsprecherin Anja Löwe. So wächst vor Ort weiter das Gras. (Klaus Nissen)

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