Wölfersheim: »Tante Emma waren wir nicht« - Das Geschäft von Heinrich Leschhorn schließt heute

Das gleichnamige Geschäft von Heinrich Leschhorn in der Wölfersheimer Hauptstraße schließt heute - für immer. Gründe dafür gibt es viele. Der Inhaber erklärt, wie der Laden so lange »überlebt« hat.
In den acht Schaufenstern des Geschäfts von Heinrich Leschhorn in der Wölfersheimer Hauptstraße hängen bunte Schilder. »Spielwaren 50%«, »Weihnachtsschmuck 50 bis 70%«, »Alles zum halben Preis: 50% und mehr« ist darauf zu lesen. Auf einem Aufsteller auf der Straße vor der Ladentür steht: »Wir schließen am 31. März«. Also heute. »Wenn ich an einem Tag mal gar nichts mehr verkaufe, mache ich zu«, hat Inhaber Leschhorn einmal gesagt. »Diesen Tag habe ich nicht erlebt«, sagt er heute.
Bisher hat er jeden Tag etwas verkauft. Und doch gibt es viele Gründe, warum er den Laden heute schließt. »Einer steht auf meiner Geburtsurkunde«, sagt er und lacht. »Ich werde 75 und bin seit zehn Jahren in Rente.« Zudem gibt es keinen Nachfolger aus der Familie, und die Rahmenbedingungen für ein solches Geschäft, sagt Leschhorn, sind nicht mehr gegeben.
Leschhorn in Wölfersheim: Am 1. April 1914 gegründet
Damit meint er nicht unbedingt die steigende Konkurrenz durch das Internet, sondern, dass es kaum noch Lieferanten gebe, die ihn beliefern. »Bei Spielwaren geht es noch, in den anderen Branchen ist das schwieriger.« Auch Symbolik spielt eine kleine Rolle darin, warum der Laden ausgerechnet am 31. März schließt - denn gegründet wurde er am 1. April 1914 (siehe Info).
»Die Firma gilt weit über Wölfersheim hinaus als renommiertes Fachgeschäft für Haushaltswaren, Glas, Porzellan, Eisenwaren, Gartenmöbel und Gartenartikel sowie Spielwaren. Ein überaus reichliches Warenangebot, ein ›bei Leschhorns‹ immer und zu jeder Zeit erhaltbarer fachmännischer Rat, freundliche und versierte Bedienung sowie die gute Qualität der Waren macht die Vorzüge des Familienbetriebes aus«, schrieb die Wetterauer Zeitung zum 75. Bestehen im April 1989.
Leschhorn in Wölfersheim: 350 Quadratmeter Verkaufsfläche mit Porzellan, Post, Spielwaren und Co.
»Es ist die Vielseitigkeit, die uns am Leben hielt«, sagt Heinrich Leschhorn. Schaut man sich im Laden um, weiß man, wovon er spricht. Auf 350 Quadratmetern Verkaufsfläche findet sich WMF-Besteck, Porzellan von renommierten Marken, Gläser sowie bunte Sammelteller, Vasen, Küchenutensilien, viele verschiedene Dekoartikel und eine eigene Spielzeugabteilung.
Die Leschhorns hätten sich stets der Zeit angepasst. Spielwaren seien immer eine Domäne gewesen sowie Glas und Porzellan. Auch die Gartenmöbel oder die Angelabteilung waren Schwerpunkte. Alles, was Haus und Garten betrifft, wurde immer gut verkauft, sagt Leschhorn. Kunden kamen aus Wölfersheim, aber auch aus einem Umkreis von 10 Kilometern: »Von Dorheim bis Hungen«, schätzt er. Die Spielwarenabteilung, die sich, abgeteilt durch zwei Stufen, auf 150 Quadratmetern erstreckt, sei besonders bei Kindern und Omas beliebt gewesen.
Leschhorn in Wölfersheim: »Krise des Einzelhandels schon länger Thema«
Seit fast 20 Jahren haben Leschhorns im Laden eine Poststelle betrieben. Mit Paketen, Briefen, Briefmarken und allem Drum und Dran. Das sei ein Standbein gewesen. »Die Krise des Einzelhandels ist ja schon länger ein Thema«, sagt Leschhorn. »Dass wir so lange durchgehalten haben, liegt an der Bereitschaft zur Veränderung.« Ab 3. April geht es mit der Post an einem anderen Standort in der Bahnhofstraße 12 weiter, erzählt Leschhorn.
Der 74-Jährige betont: »Tante Emma waren wir nicht, wir waren ein Fachgeschäft.« Und von Anfang bis Ende ein Familienbetrieb. Auch, wenn Leschhorns Frau und seine Schwester nie offiziell im Betrieb waren, haben sie im Hintergrund geholfen, wenn es »gebrannt« hat. Zuletzt hatte das Geschäft zwei Teilzeitkräfte angestellt. »Zum Schluss war es noch ein Rentnerbetrieb«, sagt Leschhorn und lacht. »Wir entlassen niemanden in die Arbeitslosigkeit.« In der Hochzeit sind es mit Werkstatt einmal 20 Mitarbeiter gewesen, sagt er, später acht.
Leschhorn in Wölfersheim: Alte Kunden und Stammkunden verabschieden sich
Bis zur Schließung heute hat er versucht, noch so viel Bestand wie möglich zu verkaufen. Der Keller, der als Lager genutzt wurde, ist bereits leer gewesen. Was mit den übrigen Waren geschieht, steht noch nicht fest. »Entweder kommt ein Abkäufer, oder wir machen Flohmärkte.« In den letzten Wochen seien viele alte Kunden, auch Stammkunden, gekommen und hätten dort eingekauft.
Zudem seien viele Erwachsene da gewesen, die sich damals als Kinder die Nase am Schaufenster zur Spielwarenabteilung plattdrückten - zum Beispiel, wenn dort zu Weihnachten eine Eisenbahn lief. Ein Satz sei sehr oft gefallen: »Das ist aber schade.«
Hintergrund: Die Geschichte des Geschäfts
Heinrich Leschhorns Großvater, ein Schlosser- und Elektromeister, der auch Heinrich hieß, eröffnete den kleinen Handwerksbetrieb am 1. April 1914 in seiner Wohnung in der Obergasse. Alles begann mit Fahrrädern, Nähmaschinen und Zentrifugen.
In den 30er Jahren, als das Geschäft in die Hauptstraße umzog, hatte seine Frau Elisabeth dann Haushaltswaren, Spielzeug und den Handel eingeführt. »Neue Artikel wie Öfen und Herde, Elektro-, Haus- und Küchengeräte, Eisenwaren kamen genauso hinzu wie Porzellane, Leder- und Spielwaren. Außerdem erfuhr der Landmaschinenhandel einen großzügigen Ausbau«, schreibt die Wetterauer Zeitung zum 75. Bestehen 1989.
1951 übernimmt Sohn Erich das Geschäft. Er macht daraus einen Handelsladen und eine Sanitär- und Elektrowerkstatt. Zeitweise gehörten die Aral-Tankstelle nebenan, eine Reinigung und ein großes Zelt mit Gartenmöbeln im Hof dazu. 1966 stirbt Erich Leschhorn mit 44 Jahren. Sein Sohn Heinrich ist da 17 Jahre alt und hilft. »Ich habe die Schule und den Laden gleichzeitig gemacht«, sagt er heute. Sein Ziel war es immer, nach einer »Wanderschaft« zurückzukehren, das geht jetzt nicht mehr. Mutter Elfriede übernimmt den Laden, ab 1967 ist er dort Angestellter, bevor er das Geschäft 1984 als Verantwortlicher übernimmt.

