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Der lange Weg zum digitalen Wöllstädter Rathaus

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Von: David Heßler

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Ein paar Dienstleistungen der Gemeinde kann man bereits vom heimischen Computer beantragen. Bisweilen muss der am Bildschirm erstellte Antrag noch ausgedruckt werden. Die Digitalisierung schreitet nur langsam voran. © David Heßler

Eigentlich alle Kommunen hängen bei der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes hinterher. Laut Bürgermeister Adrian Roskoni ist das für kleine Kommunen wie Wöllstadt ganz normal. Die CDU sieht in der Sache dennoch einen »faustdicken Skandal«.

Als »OZG-Gate« beschreibt die Wöllstädter Union den Vorgang. »Es wirkt wie ein faustdicker Skandal, was die Bürgerinnen und Bürger, aber auch wir als Gemeindevertreter hier erleben müssen«, fasst Oliver Kröker (CDU) in einer Pressemitteilung zusammen.

Das Onlinezugangsgesetz (OZG) war 2017 vom Bundestag beschlossen worden und gab den Ländern fünf Jahre Zeit, insgesamt 575 Verwaltungsdienstleistungen zu digitalisieren und online anzubieten. In Wöllstadt kann man mittlerweile online beispielsweise eine Meldebescheinigung beantragen, Sterbeurkunden anfordern oder den Hund zur Steuer anmelden. Zwar muss oft noch eine PDF-Datei ausgedruckt werden, die auf einem Schreibtisch landet, aber immerhin. Doch was ist mit dem Personalausweis oder dem Grundbucheintrag? »Viele Dinge, die im Gesetz gefordert werden, gehen weit über das Leistbare einer kleinen Kommune hinaus«, erklärt Bürgermeister Adrian Roskoni (parteilos). Deshalb wird ein Großteil der 575 geforderten Verwaltungsdienstleistungen auch von Bund und Ländern bereitgestellt. Hier hakt es jedoch bei der Umsetzung. Zwei Monate vor Ende der Frist wurden lediglich 33 Online-Leistungen in der Mehrheit der Bundesländer angeboten, 29 davon als reine Bundesleistungen, die per se flächendeckend verfügbar sind.

Große Kommunen geben große Summen aus, um die Umsetzung zu beschleunigen. Aber auch die kleineren Städte und Gemeinden bewegen sich. Florstadt und Echzell etwa wollen eine gemeinsame IT-Verwaltung gründen, um den OZG-Anforderungen gerecht zu werden.

Und Wöllstadt? Hier sei man schlecht vorbereitet, findet die CDU. Die Gemeinde drohe auf dem Weg in die digitale Zukunft weit hinterherzuhinken. Bereits 2021 habe Dr. Mike Rinker die Frage aufgeworfen, weshalb die Umsetzung des OZG nicht im Haushalt genannt werde. Auch hegte er Zweifel daran, dass die auf Nachfrage von Roskoni genannten Mittel tatsächlich auch für die Umsetzung angesetzt wurden.

Die CDU bemängelte im Frühjahr 2022 zudem das Fehlen von Fördergeldern aus dem Programm »Starke Heimat Hessen«. Diese waren für die Digitalisierung der Verwaltung abrufbar. »Wir haben mit Mitteln aus dem Programm einen Server finanziert«, bemerkt Roskoni dazu.

Einen im Januar beschlossenen CDU-Antrag, der Gemeindevorstand sollte im Mai einen Bericht zum Stand der Umsetzung vorlegen, kam der Bürgermeister nicht nach, bemängelt die CDU. »Die Gemeindevertretung hätte zu diesem Zeitpunkt noch unterstützend eingreifen können«, glaubt Rinker. Man habe sich gezwungen gesehen, die Kommunalaufsicht einzuschalten, die den Bürgermeister dann auch aufgefordert habe, »für eine umgehende Erledigung Sorge zu tragen«, so die CDU-Mitteilung. Roskonis Version klingt etwas anders: Aus dem Kreishaus habe er einen Anruf erhalten mit der Bitte, doch bald den gewünschten Bericht vorzulegen.

Wie auch immer: In der November-Sitzung legte Roskoni einen Bericht vor, in dem er vor allem auf das Land Hessen verweist, das über die ekom21 den Kommunen digitale Leitungen anbieten wird. »Von den angedachten knapp 700 Leistungen wurden derzeit knapp 92 digitalisiert.« Nur eine Handvoll davon betreffe Kommunen unter 7500 Einwohner. Man prüfe alle neu entwickelten Online-Prozesse und werde jene, die für die Gemeindeverwaltung als sinnvoll erscheinen, auf der Homepage implementieren. Diese wird 2023 neu gestaltet, und dann werde sich der Zugang zu den Online-Leistungen nochmals vereinfachen, verspricht der Bürgermeister.

Die CDU ist »erschüttert«

Für die CDU hat der Bericht »erschreckende Versäumnisse« offenbart. »Rund einen Monat vor Ablauf der gesetzlichen Umsetzungsfrist wird eingeräumt, dass es nicht einmal eine Liste der Punkte gibt, um deren Umsetzung sich die Gemeinde selbst kümmern muss. Wir sind erschüttert«, schreibt Oliver Kröker. So könne man auch keine Einschätzung über nötige Mittel oder Personaleinsatz abgeben. Warum habe der Gemeindevorstand keine Mittel für einen externen Dienstleister beantragt? »Hier wurde eine große Chance vertan, die Mitarbeitenden der Verwaltung zu entlasten und den Bürgerinnen und Bürgern einen besseren Service zu bieten«, findet Rinker. Sein Fazit: In der Angelegenheit sei das Kontrollrecht der Gemeindevertretung ausgehöhlt worden.

Und Roskoni? Der hat sich, wie berichtet, in der jüngsten Sitzung über die »polemisierenden Darstellungen« der CDU beschwert.

Teilweise fehlt die Software

Eigentlich sollten bis Ende dieses Jahres alle Behördengänge auch online erledigt werden können - so will es das Onlinezugangsgesetz (OZG) von 2017. Für die Umsetzung wurde ein Katalog von bundesweit 575 staatlichen Leistungen erstellt. Für schätzungsweise zwei Drittel davon muss man aber auch im nächsten Jahr noch aufs Amt. In den fünf Jahren seit Verabschiedung des Gesetzes ist nach Aussage von Fachleuten deutlich geworden, dass für etliche Vorgänge der Verwaltung noch keine geeignete Software vorhanden ist. Für bestimmte Fachanwendungen wiederum gebe es bereits etablierte Anbieter. Dabei stelle sich aber das Problem, diese Lösungen über geeignete Schnittstellen an eine einheitliche Plattform anzudocken. Finanzielle Förderung in Hessen erhält beispielsweise ein Projekt von Darmstadt zur Standardisierung von Software-Anwendungen. In Neu-Isenburg wird ein Projekt für Onlineservices für Eltern zu Fragen der Kinderbetreuung erleichtert und im Landkreis Gießen ein einheitliches Adress-Verwaltungssystem. Insgesamt steht für die Förderung der Modellkommunen ein Budget von 1,5 Millionen Euro zur Verfügung. Die Ergebnisse sollen im Anschluss von anderen Kommunen genutzt werden können.

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