In Wöllstadt warten zwei Familien auf das Kriegsende

Kurz nach Kriegsbeginn haben Viktoriia Yankovytska, Svitlana Matviienko und ihre Kinder die Ukraine verlassen. Nach vielen Stationen sind die zwei Familien in Wöllstadt angekommen. Im Gespräch erzählen sie von ihrem großen Wunsch für 2023.
Ein Monat, höchstens, dann wieder zurück nach Hause - so, erzählen es Viktoriia Yankovytska und Svitlana Matviienko, haben sie geglaubt, wird es werden. Ende Februar war das, der Krieg in ihrer Heimat hatte gerade begonnen, und die zwei Frauen und ihre Kinder verließen ihr Zuhause in der Ukraine. Heute teilen die beiden Mütter, zwei Jungs, 13 und 15, und eine 13-Jährige eine Wohnung in Nieder-Wöllstadt - der Ort, in dem sie schließlich nach vielen Stationen angekommen sind.
Svitlana Matviienko und ihre Tochter Mariana stammen aus Mykolajiw. Die Stadt liegt im Süden der Ukraine. Einen Tag nachdem Russland die Ukraine angegriffen hat, am 25. Februar, verließen sie und die Tochter die Stadt - zunächst in ein rund 25 Kilometer entfernt liegendes Dorf. »Als es schlimmer wurde, sind wir am 6. März nach Moldawien geflohen«, erzählt die Mutter. Sie spricht Ukrainisch. Alexander Turetski übersetzt ins Deutsche.
Der gebürtige Ukrainer lebt seit 20 Jahren in Deutschland. Als der Krieg im Februar begann und viele Ukrainer nach Deutschland kamen, hat Turetski angefangen, mit Übersetzungen zu helfen. Manchmal auch in Wöllstadt - weil er mit Markus Schütz befreundet ist. Er ist Erster Beigeordneter der Gemeinde und koordiniert die Unterbringung von Geflüchteten.
Wie alle Ukrainer, die zu Kriegsbeginn nach Wöllstadt gekommen sind, waren die beiden Familien für einen Monat im Bürgerhaus untergebracht. Damals mit rund 80 weiteren Personen, wie sie erzählen.
Über Gießen nach Wöllstadt
Bis die beiden Familien jedoch in der Gemeinde angekommen sind, in der sie noch immer wohnen, hat es eine Weile gedauert.
Viktoriia Yankovytska erzählt, sie und ihre zwei Söhne haben am 6. März ihr Zuhause in Winnyzja in der Ukraine verlassen. Von dort seien sie mit einem Bus nach Krakau in Polen gefahren - zu Bekannten. Diese haben die drei nach Frankfurt gebracht, wo sie in der Erstaufnahmeeinrichtung unterkamen. Bevor sie letztlich in Wöllstadt angekommen sind, waren sie in Gießen, Alsfeld, wieder in Gießen und in Bruchenbrücken.
Seit September besuchen die beiden Familien Sprachkurse. Im Alltag jedoch helfe meistens der Google-Translator, erzählen sie. Denn: »Die meisten sprechen sehr schnell, das ist schwer zu verstehen.«
Eine Frage verstehen alle fünf dennoch, ohne dass Alexander Turetski übersetzen muss: Ob sie in Deutschland bleiben oder wieder nach Hause wollen. »Nach Hause«, sagt Viktoriia Yankovytska, ohne einen Moment zu überlegen.
Es gefällt ihr in Wöllstadt, die Menschen, sagt sie, sind freundlich im Umgang miteinander. »Wenn man jemanden trifft, sagt er ›Guten Tag‹.« Dennoch vermisse sie ihr Zuhause. Ihr Sohn Sascha erzählt, dass ihm vor allem seine Freunde fehlen.
Er, sein Bruder Maksym und Mariana gehen in Friedberg auf die Henry-Benrath-Schule - in eine der Integrationsklassen für ukrainische Kinder und Jugendliche, wie sie erzählen. Nachmittags, wenn sie wieder in Wöllstadt sind, haben sie Online-Unterricht von ihrer ukrainischen Schule.
Am 6. Januar Weihnachten
Heute Abend wollen die fünf zusammen Weihnachten feiern - weil am 6. Januar in der orthodoxen Kirche Heiligabend ist. Sie wollen versuchen, den Abend so zu gestalten wie in ihrer Heimat, erzählt Svitlana Matviienko. Zum Abendessen gibt es zwölf Gerichte, alle fleischlos. Mit dem Essen wird begonnen, wenn der erste Stern am Himmel steht. Das wichtigste Gericht ist Kutja: Zubereitet wird es aus gekochten Weizenkörnern und mit Mohnkörnern.
Bald, hoffen die fünf, können sie wieder nach Hause. Sie alle teilen einen Wunsch für das neue Jahr: »dass der Krieg zu Ende sein wird.«