Zwischen Intelligenz und Idiotie

Alle reden darüber, Philipp Weber macht daraus ein Bühnenprogramm: Über künstliche Intelligenz und den technischen Forschritt. Fluch oder Segen? Das wird Weber bei der Kulturinitiative Karben klären. Warum er den Spielort im Selzerbrunnenhof, die Wetterau und seinen Neffen schätzt, erzählt er im Interview.
Hat Ihnen »ChatGPT« das Bühnen-Programm geschrieben?
Um Himmels willen! Damit wäre ja letztlich mein Kabarettstück ein Plagiat. Und das reicht vielleicht für einen Doktortitel in Regierungskreisen, aber ins Pantheon der Kleinkunst gelangt man so nicht. Als ich »KI: Künstliche Idioten!« geschrieben habe, gab es ChatGPT so noch gar nicht. Dass heute alle über KI reden, ist eine glückliche, wenn auch unausweichliche Fügung. Denn mir war schon früh klar: Dieses Thema wird uns noch lange auf Trab halten.
KI heißt in Ihrem Programm »künstliche Idioten«. Meinen Sie die Menschen oder die Maschinen?
Tatsächlich meine ich beides. Denn die Möglichkeiten der leistungsfähigsten und »klügsten« Maschine sind begrenzt durch die Person, die sie am Ende auch bedient. Das ist eine alte Weisheit aus der Informatik: Wenn man einen Computer mit Müll füttert, kommt am Ende auch Müll raus.
Was war der Anlass, ein abendfüllendes Programm zur »KI« zu machen?
Die digitale Welt hat mich schon immer fasziniert, obwohl oder vielleicht gerade weil sie mir manchmal so rätselhaft ist. Möchte ich zum Beispiel ein neues Handy in Besitz nehmen, muss ich wie Heinrich IV. nach Canossa zu meinem Neffen pilgern, damit er das Gerät für mich erst mal einrichtet. Und wenn das mir so geht, geht es meinem Publikum wahrscheinlich genauso. Denn im Kabarett verzweifelt man nicht an seinen Schwächen, man lacht darüber.
Der Mensch wird trotz »KI« nicht völlig ersetzbar sein, oder?
Nein! So ist KI am Ende doch auch nur Maschinen: Sie können uns helfen, technische Probleme zu lösen, aber nicht menschliche. Aber es wird immer Kräfte geben, die genau das versuchen: Den Menschen durch eine Maschine zu ersetzen bei Aufgaben, wo er nicht zu ersetzen ist. Und dagegen müssen wir uns wehren. Im Kabarett macht man das mit spitzer Feder und scharfer Zunge.
Was nehmen Sie alles in den kabarettistischen »KI«-Fokus?
Mein Programm dreht sich nicht ausschließlich um KI. Das übergeordnete Thema des Abends ist der menschliche Fortschritt und welche Hoffnungen wir mit diesem verbinden. Immanuel Kant hat vor über 200 Jahren den Gedanken so formuliert: »Wandelt sich die Menschheit durch Fortschreiten zum Besseren?« Eine Frage, die uns angesichts der aktuellen Weltlage nicht unbedingt optimistisch stimmt. Aber wo Humor ist, ist Hoffnung! Und Humor wird das Publikum bei meinem Programm in Hülle und Fülle finden.
Nutzen Sie selbst »KI« oder halten Sie sich davon fern?
Wir alle benutzten heute schon KI: Vom Spamfilter bis zu Suchmaschinen, fast alles wird heute von KI unterstützt. KI ist bereits lange Teil der Normalität unserer technischen Umwelt. Doch wie erwähnt: Als Hilfe für meinen Beruf ist KI vollkommen ungeeignet.
Warum?
Sie ist absolut humorlos. Und wenn eine KI einen Witz raushaut, ist er am Ende doch nur geklaut von Kabarettisten wie ich einer bin.
Sie bezeichnen sich in Ihrer Vita als »Klassenkasper«. Können Sie das nun auf der Bühne ausleben?
Ein wenig schon, wenngleich ich den Begriff nicht ehrenrührig finde. So ist es mir nach 25 Jahren Bühnenkarriere immer noch eine große Freude und ein Privileg, vom Lachen anderer Menschen leben zu dürfen. Deshalb versuche ich, dies meinem Publikum mit Leidenschaft und enormer Spielfreude zu danken.
Sie haben Biologie und Chemie studiert. Sie sind Wissenschaftler. Wie sehen Sie die Entwicklung der KI?
Ich bin kein Wissenschaftler, ich bin ein Künstler mit einer wissenschaftlichen Ausbildung. Deswegen ist mir auch bewusst, dass viele Schlüsseltechnologien der Gegenwart wie Digitalisierung, künstliche Intelligenz, Gentechnik oder Robotik am Ende nur Instrumente sind.
Wie meinen Sie das?
Sie können für das Wohl der Menschheit eingesetzt, aber eben auch zu deren Unheil missbraucht werden. Das heißt für uns: Wir müssen Gefahren benennen und meiden, gleichzeitig aber auch Chancen erkennen und nutzen. Auch das würde ich mit diesem Programm gerne vermitteln: Es gibt tatsächlich einen technischen Fortschritt, auf den wir uns wirklich freuen können.
Auf der Bühne ist es bei Ihnen sehr minimalistisch. Ein Stuhl und Sie. Warum kein weiteres Equipment?
Ich habe bisher einfach nicht mehr gebraucht. Und das erleichtert mein Tourleben zu den Theatern im deutschsprachigen Raum ungemein: Was ich für die Bühne benötige, passt in einen einzigen Kulturbeutel.
»Zwei Stunden volle Stimmpower«, heißt es über Sie. Woher kommt das laute Organ?
Ich fahre seit über 30 Jahren mit Kindern aus meiner Heimatstadt Amorbach ins Pfingstzeltlager, wo ich mich aktuell auch gerade noch aufhalte … Wissen Sie, wir plaudern gerade zwischen Küchenzelt, Bastel-Workshop und Klodienst. Vor allem bin ich aber jedes Mal für die Lagerfeuergestaltung an der Gitarre zuständig. Und das hat meine Stimmbänder zu Edelstahl werden lassen.
Im Odenwald haben Sie viel Südhessisches mitbekommen, sagen Sie. Nun kommen Sie erneut nach Karben in die südliche Wetterau. Mögen Sie die Region?
Wie könnte man nicht? Kulturell habe ich ja als Odenwälder mit den Wetterauern mehr gemeinsam als mit Menschen aus Oberbayern, obwohl ich mit Letzteren dasselbe Bundesland teile. Diese Nähe macht auch das Agieren auf der Bühne für mich leichter. Außerdem besitzen die Wetterauer eine ordentliche Portion Humor und Selbstironie. Für mich also die beste Voraussetzung, mit meinem Publikum einen schönen Abend zu zelebrieren.
Was schätzen Sie an »kleineren« Spielorten, wie der Kulturinitiative Karben?
Ganz klar die Nähe zum Publikum! Besonders auf kleinen Bühnen tritt man seinem Publikum auf Augenhöhe gegenüber. Und das ist wichtig: Denn Kabarett sollte keine Lehrveranstaltung oder - noch schlimmer - eine Predigt sein, bei der ein Künstler von der Kanzel herab herunterblickt. Daher bezeichne ich meine Kunstform immer am liebsten als »humoristische Seelsorge«!
Warum sollten Menschen unbedingt (wieder) Kabarett sehen?
Der erste Grund: Das Kabarett ist keine alberne Volksbespaßung, sondern legt die Finger in die Wunden der Zeit und bietet vielleicht sogar ein Pflaster an. Der zweite Grund wäre: Im Kabarett können wir mit Mitmenschen in Kontakt treten und dabei die schöne Erfahrung machen, dass es in dieser irrsinnigen Welt noch viele vernünftige Zeitgenossen gibt. Doch der wichtigste Grund: Kabarett kann Mut machen! Ein befreiendes Lachen ist eine Waffe gegen jede Form der Idiotie, sei sie nun künstlicher oder ganz natürlicher Natur.
