Was das Abkommen mit Iran bedeutet
Das Abkommen mit Iran mindert die Gefahr eines Atomkonflikts. Aber auch Israels Existenzrecht muss gesichert werden. Für Deutschland birgt der Durchbruch bei den Verhandlungen mit Iran Chancen wie Risiken.
Das in dieser Woche in Kraft gesetzte Anti-Atomwaffen-Abkommen mit Iran wird den Nahen und Mittleren Osten, ja die gesamte Weltpolitik, dramatisch verändern. Dies betrifft auch Deutschland – hauptsächlich aus drei Gründen:
Erstens: Berlin ist neben den fünf ständigen Mächten des UN-Sicherheitsrats USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich ein Signatarstaat des Vertrages mit Teheran. Damit steht Deutschland auch in der Pflicht, falls das Abkommen nicht erfüllt wird.
Zweitens ist Deutschland traditionell ein wichtiger Außenhandelspartner Irans. Das Sanktionsregiment gegen Iran wegen dessen Atomwaffenprogramm hat für die deutsche Wirtschaft erhebliche Einbußen bedeutet. So war es logisch, dass Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel nach Abschluss der Übereinkunft mit Iran mit einer hochrangigen deutschen Wirtschaftsdelegation nach Teheran flog, um die alten Geschäftsverbindungen mit dem Land zu erneuern.
Drittens sieht sich Deutschland sieht aufgrund des Völkermords an den Juden während der Naziherrschaft der Sicherheit des jüdischen Staates verpflichtet. So erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel vor dem israelischen Parlament: „Israels Sicherheit ist für Deutschland nicht verhandelbar“.
Bundesaußenminister Steinmeier hat die Übereinkunft mit Iran als einen Triumph der Diplomatie bezeichnet. Mit ähnlichen Worten pries US-Präsident Obama das Abkommen. Die USA und andere Staaten werden blockierte iranische Gelder in Höhe von 100 Milliarden Dollar freigegeben. Das bedeutet einen gewaltigen Impuls für Irans Volkswirtschaft. Davon wird auch die deutsche Exportwirtschaft profitieren.
Durch die Umsetzung des Abkommens sinkt die Gefahr einer Eskalation in dieser labilen Weltgegend erheblich. Iran stand nur zwei Monate vor der Erlangung von Kernwaffen. Nun hat sich Teheran verpflichtet, in den kommenden zehn Jahren kein Uran anzureichern, das zur Atomwaffenproduktion genutzt werden könnte.
Veto der Regionalmächte
Der Vertrag mit Teheran wird jedoch von den Regionalmächten Israel, Saudi-Arabien und Ägypten vehement abgelehnt. Die traditionellen Verbündeten der USA und des Westens befürchten, dass Iran durch die Folgen des Vertrages zur dominierenden Macht dieser Weltgegend aufsteigen wird. Das ist äußerst problematisch.
Seit 1979 beherrschen die schiitischen Mullahs den Iran. Sie und ihre politischen und militärischen Gefolgsleute, vor allem die Revolutionären Garden, verkünden offen ihr Ziel, Israel auszulöschen. Das ist kein Lippenbekenntnis. Teheran unterstützt seit Jahrzehnten antiisraelische militärische Kampfgruppen wie Hisbollah im Libanon und die Hamas in Gaza, die Israel mit Waffengewalt zu zermürben suchen.
Iran ist eine militante schiitische Macht. Schiiten und Sunniten streiten sich seit dem Jahre 680 um die Vorherrschaft in der islamischen Welt. Diese Auseinandersetzung ist seit der iranischen Revolution eskaliert. Iran ist es in den letzten Jahren trotz der internationalen Sanktionen gelungen, seinen Machtbereich immer weiter auszudehnen.
Teheran beherrscht heute den Irak, und durch die Hizbollah große Teile des Libanon. Im syrischen Bürgerkrieg sind Iran und die Hisbollah die entscheidende Stütze des Gewaltherrschers Assad. Mit frischem Geld und gestärktem internationalen Prestige dürfte Teheran versuchen, den Bürgerkrieg zugunsten Assads zu entscheiden. Dies wiederum würde einen Machtverlust Saudi-Arabiens bedeuten, das bislang mit Geld und Diplomatie seinen Einfluss als wichtigster Staat der Region sicherte. Um das wahhabitische Königreich zu schwächen, unterstützt Teheran die Huti-Rebellen im Jemen, also im Süden Saudi-Arabiens. Das ist ein Zangenangriff Irans.
Der wichtigste Verbündete Saudi-Arabiens ist das sunnitische Ägypten. Das Militärregime von General Al Sissi hat die islamistischen Moslembrüder von Präsident Mursi gestürzt und steuert seither eine auf Ausgleich bedachte Politik, auch gegenüber Israel. Dagegen bekämpft die von Teheran unterstützte Hamas die moderate Regierung in Kairo.
Konflikte nicht gelöst
Um seine Großmachtambitionen zu unterstreichen, hat Iran kürzlich trotz US-Protest Interkontinentalraketen getestet, die auch Atomwaffen tragen können. Iran fährt auch fort, Israel das Existenzrecht abzusprechen.
Hier wird der entscheidende Mangel des Abkommens sichtbar. Es ist vorerst ein technischer Vertrag. Es fehlt die politische Aussage, dass alle Staaten ein Lebensrecht besitzen. Das ist eine diplomatische und humane Selbstverständlichkeit. So lange dieses Manko nicht behoben wird, birgt die Abmachung mit Iran ein gewaltiges Konfliktpotential. Hier muss nachgebessert werden.