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AfD-Brandmauer in Thüringen eingerissen: Muss Ramelow wegen der CDU die Vertrauensfrage stellen?

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Die Thüringen-CDU reißt die Brandmauer zur AfD – und stürzt Ministerpräsident Bodo Ramelow und die eigene Mutterpartei in eine Krise. Wie geht es weiter?

Erfurt – Regierungskrise in Thüringen: Die Landes-CDU hat im Landtag von Erfurt eine Steuersenkung durchgesetzt – mit Unterstützung der AfD. Während sich SPD, Linke und Grüne lautstark über die „Steigbügelhalter der Faschisten“ empören, sorgt das Vorgehen auch innerhalb der Union für eine Kontroverse.

Denn eigentlich hatte Parteichef Friedrich Merz (CDU) eine Brandmauer errichtet und stets öffentlich eine Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten ausgeschlossen. Doch vor allem Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) steht jetzt mit seiner rot-rot-grünen Minderheitsregierung geschwächt da. Aus Expertensicht muss der Regierungschef jetzt Konsequenzen ziehen.

CDU stimmt mit der AfD: Politologe rät zu Vertrauensfrage oder Misstrauensvotum

Der Politikwissenschaftler André Brodocz hat Ramelow nach dem Abstimmungsskandal von CDU und AfD jedenfalls zum Handeln aufgefordert. Thüringens Ministerpräsident müsse sich jetzt mit der Vertrauensfrage auseinandersetzen, sagte der Erfurter Politologe der Nachrichtenagentur dpa. „Er steht einer Mehrheit gegenüber“, so Brodocz. Andererseits sei es auch denkbar, dass die CDU ihren eingeschlagenen Weg nun konsequent fortsetzen und Farbe bekennen müsste. So sei die Oppositionspartei ebenfalls aufgerufen, angesichts von offensichtlich fehlenden Regierungsmehrheiten mehr Verantwortung zu übernehmen. Dies bedeute, dass die CDU ihrerseits ein konstruktives Misstrauensvotum gegen die rot-rot-grüne Landesregierung initiieren könnte.

Senkung der Grunderwerbssteuer: AfD in Thüringen votiert für Gesetzentwurf der CDU

Am Donnerstag war im Thüringer Landtag ein CDU-Gesetzentwurf zur Senkung der Grunderwerbssteuer von 6,5 Prozent auf 5 Prozent verabschiedet worden. Die erforderliche Mehrheit wurde erreicht, da nicht nur die CDU, sondern auch Abgeordnete von AfD, FDP und fraktionslose Mitglieder zustimmten. In Thüringen regiert ein Bündnis aus Linke, SPD und Grünen, das jedoch im Landtag keine Mehrheit hat.

Muss sich gegen Abstimmungsergebnisse der CDU und der AfD im Landtag von Thüringen wehren: Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke).
Muss sich gegen Abstimmungsergebnisse der CDU und der AfD im Landtag von Thüringen wehren: Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke). © Bodo Schackow/Martin Schutt/dpa/Montage

Das Vorgehen der CDU wurde teilweise stark kritisiert. Die Bundes-CDU verteidigte jedoch das Handeln ihrer Thüringer Parteikollegen. Mario Voigt, Fraktionschef der CDU in Thüringen, rechtfertigte das Vorgehen damit, dass wichtige Entscheidungen nicht von der Zustimmung der „Falschen“ abhängig gemacht werden könnten.

Brodocz argumentiert auf dpa-Anfrage, dass dieser Standpunkt für einzelne Entscheidungen Sinn ergeben könnte, jedoch der politische Kontext berücksichtigt werden muss. „Die CDU handelt in Thüringen aus der Opposition heraus und kann offensichtlich zusammen mit der AfD Mehrheiten gegen die Minderheitsregierung bilden“, sagte er. Für solche Situationen sieht die Verfassung das konstruktive Misstrauensvotum vor. Laut der Thüringer Landesverfassung kann der Ministerpräsident nur durch die Wahl eines Nachfolgers mit der Mehrheit der Parlamentsmitglieder das Misstrauen ausgesprochen bekommen. Im Gegensatz zu einer regulären Ministerpräsidentenwahl gibt es jedoch nur einen Wahlgang.

„Die CDU sollte konsequenterweise ihren Landes- und Fraktionsvorsitzenden als Kandidaten nominieren und zur Abstimmung stellen. Und nach ihrer eigenen Logik müssten sie nicht mit der AfD darüber sprechen“, so Brodocz.

Brandmauer zur AfD: Parteichef Friedrich Merz (CDU) gerät in Erklärungsnot

In der Union dürfte das weitere Vorgehen aber umstritten sein. Offiziell gilt ein Parteitagsbeschluss, der eine Zusammenarbeit mit der AfD verbietet. Bei seiner Wahl zum Parteivorsitzenden hatte Friedrich Merz stets betont, dass die Brandmauer zu den Rechtspopulisten stehe. Jedoch hatte es in den vergangenen Wochen immer wieder Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Aussagen gegeben, nachdem Merz in einem Interview zweideutige Andeutungen gemacht hatte, dass dies eventuell auf kommunaler Ebene nicht gelten könnte. Nach Kritik aus den eigenen Reihen hatte er später die Aussagen klarstellen lassen.

Dennoch verteidigte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann jetzt das Vorgehen seiner Partei in Thüringen, eine Steuersenkung auch mit Stimmen der AfD durchzusetzen. „Wie andere Fraktionen sich dazu verhalten, darf für uns nicht ausschlaggebend sein“, sagte Linnemann der Rheinischen Post am Freitag (15. September). „Die CDU konzentriert sich auf Sacharbeit. Uns geht es um die richtigen Weichenstellungen für unser Land und nicht um taktisches Geplänkel“, fügte er hinzu. Daher sei es richtig gewesen, einen Antrag zur Senkung der Grunderwerbsteuer im Thüringer Landtag einzubringen. Damit würden vor allem junge Familien entlastet und die Wirtschaft angekurbelt.

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzender Daniel Günther hält das aber für falsch. Seine Haltung sei klar, sagte der Nord-Regierungschef. Ein „wie auch immer geartetes Zusammenwirken mit der AfD“ müsse „ausgeschlossen“, stellte er am Freitag klar und fügte hinzu: „Das gilt auch für eigene Initiativen, die absehbar nur mithilfe dieser Partei Aussicht auf Erfolg haben.“

Aktuelle Umfragen um Thüringens AfD-Chef Höcke setzt Union unter Druck

Die AfD setzt den demokratischen Parteien seit langem zu. In den Umfragen feiern die Rechtspopulisten ein Dauer-Hoch. Besonders in Thüringen, wo die Partei in Sonneberg erstmals einen Landrat stellt, ist dies zu beobachten. Jedoch gilt der AfD-Landesverband in Thüringen als besonders rechts. Landes-Fraktionschef Björn Höcke muss sich jetzt unter anderem wegen der Verwendung von NS-Vokabular in einer Rede vor dem Amtsgericht verantworten. Der Verfassungsschutz beobachtet die Entwicklung der AfD bereits seit langem mit Argusaugen. (jkf/mit Material der dpa)

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