Lafontaine wittert Potenzial für Wagenknecht-Partei

Sahra Wagenknecht könnte bald eine neue Partei gründen. Laut Ehemann Oskar Lafontaine fehlt in Deutschland eine Partei, die sich um die „kleinen Leute“ kümmert.
Merzig - Deutschland braucht nach Ansicht des Ex-SPD- und Linke-Chefs Oskar Lafontaine eine neue Partei. „Es gibt eine echte Lücke im deutschen Parteiensystem“, sagte Lafontaine der dpa an seinem Wohnort in Merzig im Saarland.
Vor allem sehe er aktuell keine Partei, die sich angemessen um die Interessen „der kleinen Leute“ kümmere, sagte Lafontaine mit Blick auf Rentnerinnen und Rentner und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit geringem Einkommen. Das tue weder die SPD, aus der er 2005 ausgetreten war, noch die Linkspartei, die er 2007 mitgegründet hatte - und die er 2022 spektakulär verließ. Notwendig sei eine „starke Partei, die die Interessen der Mehrheit des Volkes vertritt“, sagte der parteilose Saarländer.
Das führe dazu, dass sich Arbeitnehmer oder Menschen mit geringem Einkommen und geringer Rente „immer mehr von der AfD vertreten fühlen“. Die AfD sei aber „keine Partei für die kleinen Leute, weil sie ja neoliberale Wirtschaftsvorstellungen hat, wie den Abbau des Sozialstaates“.
Wagenknecht denkt über neue Partei nach - Lafontaine sucht „keine neue Rolle“
Die von ihm einst mitgegründete Linkspartei hatte Lafontaine im März 2022 enttäuscht verlassen. Sie habe sich „bedauerlicherweise zu einer Partei entwickelt, die versucht, die Grünen nachzuahmen“, sagte er. Seiner Ehefrau Sahra Wagenknecht, Bundestagsabgeordnete der Linke, wird nachgesagt, die Gründung einer neuen Partei zu erwägen. Zu den Spekulationen äußerte er sich nicht. Aber er sagt: „Selbstverständlich unterstütze ich eine Partei, die für soziale Gerechtigkeit und Frieden eintritt. Im Moment gibt es diese Partei leider nicht.“ Er suche aber „keine neue Rolle in der Politik“, betonte der studierte Diplomphysiker.
Ob es bald eine neue linke Partei geben werde? „Das wird man sehen.“ Lafontaine fügte hinzu: „Ich bin ja (gedanklich) in einer linken Volkspartei, die im Moment nur keine Organisation hat - der Sozialdemokratie Willy Brandts.“ Diese habe sich durch soziale Gerechtigkeit sowie Friedens- und Entspannungspolitik definiert. „Diese Partei gibt es aber heute nicht mehr.“
Lafontaine, einst Ministerpräsident des Saarlandes, Bundesfinanzminister, Kanzlerkandidat und SPD-Vorsitzender, war 2005 aus der SPD ausgetreten. Er habe versucht, durch die Gründung der Linkspartei 2007 „die Politik der SPD zu verändern und längerfristig beide Parteien wieder zusammenzuführen im Sinne der Brandt‘schen Sozialdemokratie. Dieser Versuch ist leider gescheitert.“
Wissler: Kein Riss quer durch die Linkspartei
Die Linken-Co-Vorsitzende Janine Wissler sieht unterdessen keinen Riss quer durch ihre Partei wegen mutmaßlichen Pläne Sahra Wagenknechts. „Es gibt einen kleinen Teil, der nun über einen konkurrierenden Parteiantritt nachdenkt“, sagte Wissler dem digitalen Medienhaus Table.Media. Sie halte das für einen Fehler. Die Linke habe aber ein stabiles Fundament an der Basis „und ein regelmäßig von Verbänden und Gewerkschaften gelobtes Programm“.
Die Linken-Politikerin Wagenknecht liebäugelt seit längerem mit der Gründung einer neuen Partei. „Bis Ende des Jahres fällt die Entscheidung“, hatte die Bundestagsabgeordnete der Bild am Wochenende gesagt. Wissler sagte dazu: „Wenn jemand seinen besonderen Zugang zur Öffentlichkeit nutzt, um ganz andere Positionen zu vertreten, dann ist das ein Problem.“ Jeder habe das Recht, eine eigene Partei zu gründen - aber nicht mit Mandaten, die man im Namen der Linken gewonnen habe. (sot mit dpa)