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Aiwanger-Hoch? Freie Wähler gewinnen in neuer Umfrage - obwohl Mehrheit Vorwürfen glaubt

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Eine neue Bayern-Umfrage sieht die Freien Wähler nach der Flugblatt-Affäre im Hoch - und das, obwohl die Befragten den Vorwürfen mehrheitlich glauben.

München - Hat Hubert Aiwanger seinen Freien Wählern mit seinem Krisenmanagement rund um die Flugblatt-Vorwürfe vor der Bayern-Wahl Schaden zugefügt? Geht es nach den aktuellen Umfragen zur Landtagswahl, lautet die Antwort „Nein“: Eine am Mittwoch (6. September) veröffentlichte Erhebung sieht die Partei sogar noch einmal in der Wählergunst steigen. Ungemach droht aber indirekt: In der CSU scheint es zu rumoren, wenn auch unter betonter Loyalität zu Markus Söder und seinen Entscheidungen. Aus der CDU hingegen kommt sogar offene Kritik an Söder.

Bayern-Wahl: Freie Wähler nach Aiwanger-Eklat im Höhenflug

Bereits am Dienstag (5. September) hatte das Institut Insa die Freien Wähler im Höhenflug gesehen: Einen hypothetischen Wählerzuspruch von 15 Prozent maßen die Demoskopen im Auftrag der Bild. Der aktuelle „Wählercheck“ der Konkurrenz von GMS setzt nun noch einen drauf: In der Umfrage für Sat.1 Bayern und Antenne Bayern erhielten Aiwangers Freie Wähler sogar 16 Prozent in der Sonntagsfrage. Der Umfragezeitraum hatte am Montag (4. September) begonnen - also einen Tag nach Söders Entscheidung, seinen Vize Aiwanger im Amt zu belassen.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (r.) hält an seinem umstrittenen Stellvertreter Huber Aiwanger fest
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (r.) hält an seinem umstrittenen Stellvertreter Huber Aiwanger fest. (Archivfoto) © Sven Simon/Imago Images

Bemerkenswert: Das sind satte vier Prozentpunkte mehr als bei der vorausgegangenen Erhebung. Ein kompletter Umbruch in den Wahlabsichten liegt zwar nicht vor. Anfang August etwa hatte Forsa für die Süddeutsche Zeitung 14 Prozent für die Freien Wähler ermittelt. Über lange Monate hatte die Partei aber eher bei etwa 11 bis 12 Prozent gelegen. Insofern scheint ein Aufwärtstrend verstärkt worden zu sein - und nach einem Einbruch in Folge des Flugblatt-Aufruhrs sieht es definitiv nicht aus.

Bei den anderen Parteien tat sich in der neuen GMS-Bayern-Umfrage wenig. CSU (nun 38 Prozent), Grüne (13 Prozent) und SPD (8 Prozent) verloren jeweils einen Prozentpunkt. Die Werte für AfD (14 Prozent) und die FDP blieben unverändert - wobei die Liberalen mit 4 Prozent weiterhin unterhalb der Fünfprozenthürde liegen. Allerdings ist bis zum Wahlgang am 8. Oktober noch einiges möglich. Die Umfragen sind ohnehin generell mit Unsicherheiten behaftet. Unter anderem kurzfristige Wahlentscheidungen stellen die Meinungsforscher vor Probleme. Die Sonntagsfragen stellen zugleich selbst im besten Fall nur eine Momentaufnahme dar.

ParteiProzentVeränderung zu August
CSU38-1
Grüne13-1
AfD14+/-0
Freie Wähler15+4
SPD8-1
FDP4+/-0

„Schaden für Bayern“: CSU-Fraktion nimmt Aiwanger ins Visier - hält aber zu Söder

Politisch beendet ist der Streit um Aiwanger wohl noch nicht final. Aus der CDU kamen am Mittwoch deutliche Worte an Aiwangers Adresse. Unangenehmer für ihn: Auch die CSU-Fraktion im Landtag äußerte kaum verhohlene, harsche Kritik. „Für uns steht fest: Bayern ist durch diese Flugblattaffäre, insbesondere durch das mangelhafte Krisenmanagement und die zögerliche Entschuldigung von Staatsminister Aiwanger, schwerer Schaden entstanden“, sagte ihr Parlamentarischer Geschäftsführer Tobias Reiß. Er warf damit explizit ein Schlaglicht auf Aiwangers ausweichendes Vorgehen.

Die CSU-Fraktion will bei der Sondersitzung des Landtags-Zwischenausschusses am Donnerstag (7. September, ab 12.00 Uhr) ein „Bekenntnis“ gegen jede Form von Antisemitismus und Menschenverachtung beschließen, wie sie vorab mitteilte. Jüdisches Leben und jüdische Kultur seien fester Bestandteil der Gesellschaft und müssten geschützt werden, heiße es in dem Antrag. Das fragliche Flugblatt werde „aufs Schärfste verurteilt“ - als „ekelhaft und menschenverachtend“. Allerdings trage die Fraktion die Entscheidung für Aiwangers Verbleib im Amt des Wirtschaftsministers mit.

Bayern-Umfrage paradox: Mehrheit glaubt nicht an Aiwangers Bruder-Version - ist aber für Minister-Verbleib

Letzteres tut auch die deutliche Mehrheit der Befragten in der aktuellen GMS-Umfrage: 67 Prozent beurteilten Söders Entscheidung als richtig. Unter den CSU-Wählern waren es gar 89 Prozent - hingegen nur 18 Prozent im Lager der Grünen-Wahlwilligen.

Bemerkenswert scheint auch diesem Lichte ein weiteres Ergebnis der Erhebung: Nur 39 Prozent glaubten der Darstellung, dass Aiwangers Bruder das antisemitische Pamphlet verfasste, aber 53 Prozent den Vorwürfen gegen Hubert Aiwanger selbst. Zu stören schien große Teile der Befragten diese vermutete Urheberschaft aber nicht. Allerdings forderten 54 Prozent der Umfrage-Teilnehmer, Aiwanger müsse nun „seine gute Gesinnung unter Beweis stellen“.

Aiwanger-Debatte: CDU-Vize schießt scharf gegen Söder - Amtsverbleib eine „Zäsur“

Anders die Stimmungslage in Teilen der CDU-Spitzen. „Es hat mich schockiert, dass Aiwanger nach Söders Entscheidung geradezu triumphierend aufgetreten ist - anstatt, wie gefordert, Reue und Demut zu zeigen“, sagte CDU-Vize Karin Prien am Mittwoch der Zeit. „Die Debatte um Aiwanger und die Tatsache, dass er im Amt bleibt, ist eine Zäsur für die Erinnerungskultur in Deutschland“, rügte sie. Eine deutliche Spitze gegen die Schwesterpartei CSU und Söder als ihren Chef. Aiwanger betreibe eine „Täter-Opfer-Umkehr“, das sei „wirklich verwerflich“, erklärte Prien zugleich. Weitere Beobachter hatten zuletzt Parallelen zu Ex-US-Präsident Donald Trump gezogen.

Neuerliche Kritik kam auch von dem Holocaust-Überlebenden Ernst Grube. „Ich nehme ihm diese Entschuldigung überhaupt nicht ab“, konstatierte er mit Blick auf Söders Vize-Regierungschef. Aiwanger sei nicht mehr glaubwürdig - „und nach meiner Auffassung für das Amt des stellvertretenden Ministerpräsidenten politisch und moralisch überhaupt nicht mehr geeignet“, schrieb Grube in einem Gastkommentar für die Jüdische Allgemeine. (fn mit Material von dpa)

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