„Alarmierende“ Umfrage: Zutrauen in Demokratie schwindet bei GenZ und Millennials - rund um den Globus

Glauben junge Menschen nicht mehr an die Demokratie? Eine 30-Länder-Umfrage wirft Fragen auf - und Schlaglichter auf Türkei, Russland und USA.
New York/Frankfurt - Eine aktuelle Umfrage unter Menschen in 30 Ländern rund um den Globus kommt zu einem „ernüchternden und alarmierenden“ Ergebnis: Ihr zufolge haben junge Leute aus der Generation „Z“ und die „Millennials“ deutlich weniger Zutrauen in die Demokratie als Ältere. Nur 57 Prozent der Menschen zwischen 18 und 35 halten der Erhebung zufolge die Demokratie für die beste Regierungsform. 42 Prozent von ihnen halten eine Militärherrschaft für eine gute Möglichkeit, ein Land zu regieren.
Das geht aus am Dienstag (12. September) veröffentlichten Daten der Institute Savanta und (in der Ukraine) Gradus im Auftrag der Open Society Foundations (OSF) hervor. Insgesamt hat die repräsentative Erhebung Länder mit einer Gesamtbevölkerung von 5,5 Milliarden Menschen erfasst. Bedenkliche Resultate gibt es dabei ausgerechnet aus Deutschland. Ein Schlaglicht wirft die Umfrage aber auch auf das Demokratie- und Klimakrisen-Verständnis in Ländern wie den USA, China, der Türkei und Russland.
Umfrage „alarmiert“: Junge glauben weniger an Demokratie - Deutsche setzen seltener auf Menschenrechte
Fragen wirft die Erhebung mit Blick auf die Zukunft der Demokratie in aller Welt auf. Das Vertrauen in Debatte und Mitbestimmung schwindet offenbar: 72 Prozent aller Befragten über 56 Jahren nannten die Demokratie als beste Staatsform - bei den Menschen unter 36 Jahren waren es ganze 15 Prozentpunkte weniger. Einen möglichen Grund sehen die Studienverfasser in den vielfältigen Krisen der Gegenwart.
„Unsere Ergebnisse sind sowohl ernüchternd als auch alarmierend“, urteilte OSF-Präsident Mark Malloch-Brown. „Weltweit wollen Menschen weiter an die Demokratie glauben. Doch von Generation zu Generation schwindet dieser Glaube, da die Zweifel an den Fähigkeiten der Demokratie, ihr Leben konkret zu verbessern, wachsen. Das muss sich ändern.“
Erstaunliche Daten weist die Befragung in Sachen Menschenrechte aus: So glaubten nur 51 Prozent der Befragten in Deutschland, die Menschenrechte seien „eine Kraft des Guten in der Welt“. Das ist weit weniger als der 30-Länder-Durchschnitt von 72 Prozent. In Bangladesch etwa lag die Zustimmung zu dieser These bei 88 Prozent, in der kriegsgebeutelten Ukraine bei 66 Prozent.
Migration: Nur in der Türkei ist die Sorge noch größer als in Deutschland - dennoch kein Riesenthema
Eine Einordnung auf internationaler Ebene lieferte die Umfrage auch für Streitthemen wie Migration und Klimaerwärmung. So ist Zuwanderung nur für recht wenige Befragten in Deutschland das wichtigste Thema: 18 Prozent der Befragten ordneten diese Frage als drängendstes Problem ein. Nichtsdestotrotz ist dieser Wert der zweithöchste unter allen 30 Ländern. Nur in der Türkei fiel er mit 25 Prozent noch höher aus. Dort kommen viele Menschen aus dem Bürgerkriegsland Syrien an - die Weiterreise gen EU ist vielen von ihnen verwehrt.
Eine Führungsrolle für wohlhabende Länder bei der Eindämmung von Klimagasen befürwortete laut den Zahlen der Demoskopen in Deutschland eine rechte große Zahl an Menschen - aber dennoch eine im Ländervergleich geringe: Genau 50 Prozent sahen reiche Staaten in der Pflicht. Das war aber zugleich der niedrigste Wert aller 30 Länder. Vor allem in ärmeren Staaten fielen die Zahlen, wenig überraschend, deutlich höher aus.
In Staaten wie Bangladesch und Nigeria lag der Wert weit über 80 Prozent. Aber auch Frankreich (77 Prozent), Japan (70 Prozent, die USA (65 Prozent) und sogar Russland (64 Prozent) kamen auf höhere Zustimmungsraten zu dieser These. Zugleich äußerten übrigens 69 Prozent der Befragten in Deutschland Sorge über negative Auswirkungen der Klimakrise auf ihr Leben bereits im kommenden Jahr.
Erdogans Türkei glaubt an Demokratie - in Putins Russland hat sie kaum Zuspruch
Eine weitere interessante Zahl: Der Anteil strikter Demokratie-Verfechter fiel unter den 30 betrachteten Ländern in der Türkei
am höchsten aus. 79 Prozent der Befragten erachteten die Demokratie als allen anderen Regierungsformen überlegen - erst im Mai hatte dort Recep Tayyip Erdogan, teils auch unter Vorwürfen des Wahlbetrugs, die Präsidentschaftswahlen gewonnen. Am geringsten ist die Quote in Wladimir Putins Russland, nur 35 Prozent der Umfrage-Teilnehmer betrachteten dort die Demokratie als überlegen.
Deutschland ordnete sich mit 60 Prozent im Mittelfeld ein - gleichauf mit Frankreich und zwei Prozentpunkte hinter dem weitgehend autoritär geführten China. Immerhin fiel der Zuspruch zu einer möglichen Militär-Regierung in der Bundesrepublik sehr gering aus: 14 Prozent bedeuteten Rang 29 unter den 30 Ländern. Nur Japan unterbot diese Zahl.
Umfrage: Sorge vor Unruhen auch in USA und Deutschland - 45 Prozent hoffen auf Chinas Einfluss
In aller Welt stark ausgeprägt ist indes die Sorge vor politischen Unruhen und Gewalt bereits im nächsten Jahr. In Kenia und Südafrika äußerten 79 Prozent entsprechende Befürchtungen. Aber auch in Deutschland lag der Anteil der in dieser Hinsicht Besorgten bei 55 Prozent. In den USA waren es gut ein Jahr vor der Präsidentschaftswahl 67 Prozent. In Russland hingegen - angesichts des Ukraine-Kriegs sowie militärischer Mobilisierung und folgender Verwerfungen in einigen stark betroffenen Regionen erstaunliche - 30 Prozent.
Immerhin eine kleine positive Botschaft brachte die Umfrage für den Westen - trotz Sorgen vor Herausforderungen durch autokratische Länder oder Russlands Propagandabemühungen: 29 Prozent der Befragten in allen 30 Ländern sahen ihre Werte am besten durch die USA verkörpert. Dahinter folgten Großbritannien und Frankreich. Die beiden Verbündeten China und Russland erhielten für ihre „Werte“ 15 beziehungsweise 12 Prozent Zuspruch.
Allerdings erwarteten vor allem Befragte in Asien, Afrika und Südamerika, dass bereits im Jahr 2030 China den weltweit größten Einfluss haben wird. 45 Prozent glaubten zudem, dass sich dieser Einfluss positiv auswirken wird. In der Ukraine erwarteten hingegen 64 Prozent der Befragten, dass diese Rolle die USA innehaben werden - womöglich auch ein Zeichen des Hoffens und Bangens im Ukraine-Krieg.
„Open Society Barometer“
Die beiden Institute Savanta und Gradus Research befragten von 18. Mai bis 21. Juli 36.344 Menschen in 30 Ländern - jeweils in repräsentativen Stichproben von mindestens 1.000 Personen. Es handelte sich nach Angaben der Open Society Foundations um „eine der größten jemals durchgeführten öffentlichen Meinungsumfragen zu Menschenrechten und Demokratie in 30 Ländern“. Die Stiftung hatte 1993 der US-amerikanische Investor George Soros gegründet und später mit Milliarden-Mitteln ausgestattet.