Urteil gegen Lina E.: Stadt Leipzig verbietet Solidaritäts-Demonstration
Überraschung im Prozess gegen Lina E. Die Neonazijägerin kommt nun doch vorerst frei. Der Haftbefehl wurde gegen Auflagen ausgesetzt. Demos in Leipzig wurden verboten.
- Fünf Jahre Haft: Urteil im Prozess gegen Lina E. gefallen
- Bis zur Revision: Neonazijägerin bleibt vorerst auf freiem Fuß
- Linksextremisten bereiten Proteste am „Tag X“ vor
Update vom 1. Juni, 18.55 Uhr: Nach dem Dresdner Urteil gegen die Studentin Lina E. wegen linksextremistischer Gewalttaten hat die Stadt Leipzig eine für Samstag geplante Demonstration verboten. Das teilte die Versammlungsbehörde des Ordnungsamtes am Donnerstag mit. Die Demonstration sollte unter dem Motto „United we stand – Trotz alledem, autonomen Antifaschismus verteidigen!“ stehen.
Für Samstag ruft die linksradikale Szene überregional zur Teilnahme an einem großen „Tag X“ in Leipzig auf. Die Polizei befürchtet Ausschreitungen und bereitet einen Großeinsatz vor. Die nun verbotene Demonstration war die bisher einzig bekannte angemeldete Versammlung an jenem Tag. Wie viele Teilnehmende angemeldet waren, wurde zunächst nicht mitgeteilt.
Grund für das Verbot seien die Gefahrenprognosen der Polizeidirektion Leipzig, die Lageeinschätzungen des Landesamtes für Verfassungsschutz sowie weitere Erkenntnisse der Versammlungsbehörde, hieß es. Die öffentliche Sicherheit sei nach den derzeit erkennbaren Umständen durch die Versammlung unmittelbar gefährdet. Die Demonstration sollte um 17 Uhr im Stadtteil Connewitz beginnen. Im weiteren Verlauf sollten die Teilnehmenden durch die Stadt ziehen und mit einer Abschlusskundgebung im Stadtzentrum enden.

Urteil gegen Lina E.: Kubicki stichelt nach Gewaltausbrüchen gegen Grüne
Update vom 1. Juni, 15.50 Uhr: Nach dem Urteil gegen Lina E. hat die FDP vom eigenen Regierungspartner eine klarere Abgrenzung von linker Gewalt gefordert. So zeigte sich Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki irritiert darüber, dass die Grünen-Führung sich nicht von parteiinternen Prozesskritikern distanziert habe. „Es entsteht der fatale Eindruck, dass Teile der Grünen ihre selektive Distanz gegenüber dem Rechtsstaat nie abgelegt haben“, sagte der FDP-Politiker und reagierte damit auf einen Tweet von Grünen-Nachwuchschef Timon Dzienus, der sein Unverständnis über das juristische Vorgehen gegen die Studentin geäußert hatte.
Sorge vor dem „Tag X“: Trotz der Freilassung von Lina E. wächst die Angst vor Protesten
Update vom 1. Juni, 7.40 Uhr: Nach dem Urteil gegen Lina E. und drei Mitangeklagte sind linke Sympathisanten auf die Straße gegangen. Vor allem in Leipzig war die Stimmung am Mittwochabend (31. Mai) aufgeheizt. Dort war nach Beobachtung einer dpa-Reporterin ein hohes Aggressionspotenzial zu spüren. Für Samstag hat die Antifa bundesweit zu weiteren Demos aufgerufen, dem sogenannten „Tag X“.
Bei den Kundgebungen am Mittwochabend riefen Demonstrantinnen und Demonstranten polizeifeindliche Sprüche. Es wurde Pyrotechnik gezündet. Polizisten wurden mit Böllern beworfen. Ein Polizeisprecher sagte, Personen seien in Gewahrsam genommen worden. Es habe aus mehreren Gruppen heraus Straftaten gegeben. Demonstranten hätten zum Beispiel Barrikaden errichtet oder Beamte mit Steinen, Flaschen und Pyrotechnik beworfen. Drei Polizisten seien bis zum späten Abend leicht verletzt worden. Solidaritäts-Kundgebungen für Lina E. gab es unter anderem auch in Berlin, Hamburg und Dresden.
Freilassung nach Urteil: Haftbefehl gegen Auflagen Lina E. außer Vollzug gesetzt
Update vom 31. Mai, 20.19 Uhr: Die als linke Gewalttäterin zu fünf Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilte Lina E. kommt nach zweieinhalb Jahren in Untersuchungshaft vorerst frei. Der Haftbefehl gegen sie werde gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt, sagte Hans Schlüter-Staats, Vorsitzender Richter der Staatsschutzkammer am Oberlandesgericht Dresden, am Mittwochabend zum Abschluss der Urteilsbegründung. Die Reststrafe muss sie erst verbüßen, falls das Urteil rechtskräftig wird.
Sie muss sich nun zweimal wöchentlich bei der Polizei melden, darf den in der Akte vermerkten Wohnsitz nur mit Zustimmung des Gerichts wechseln und muss nach ihrem Reisepass auch den Personalausweis abgeben.
Warum Lina E. erst einmal frei ist
Lina E. war seit dem 5. Juni 2020 in Untersuchungshaft. Begründung: Fluchtgefahr. Mit dem Urteil wurde der Haftbefehl erst einmal ausgesetzt und die Studentin frei gelassen. Warum? Der Grund ist: Die Verurteilung zu einer erheblichen Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren ist noch nicht rechtskräftig. Die Verteidigung hat die Revision bereits angekündigt. Bis eine Entscheidung in zweiter Instanz durch ist, können weitere eineinhalb Jahre vergehen. Dies gilt als unverhältnismäßig - und im juristischen Sinne gilt Lina E. bis dahin als unschuldig. Die Fluchtgefahr wurde nun dadurch minimiert, dass der Studentin der Pass entzogen wurde und sie sich zweimal in der Woche bei der Polizei melden muss. Ihren Wohnsitz darf sie ohne Erlaubnis nicht verlassen.
Update vom 31. Mai, 16.57 Uhr: Das Urteil gegen Linksextremistin Lina E. hat zwischen Grünen und Union einen politischen Streit ausgelöst. So stellte der Vorsitzende der Grünen Jugend, Timon Dzienus, den Richterspruch infrage. „Mit einem völlig übertriebenem und auf fragwürdigen Indizien beruhenden Prozess wird mit aller Härte gegen Lina E. und andere Linke vorgegangen“, kritisierte Dzienus auf Twitter und fügte hinzu. „Was für ein Quatsch - deshalb FreeLina!“
Bei der CDU löste er damit umgehend Empörung aus. „Keine Distanz zur Gewalt und linksextremistischen Straftätern. Ich denke, die Grüne Jugend hat ein echtes Extremismusproblem“, entgegnete der CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph de Vries ebenfalls auf Twitter und rief die Grünen zum Handeln auf. Die Position der Grünen Jugend wird aber nicht in allen Teilen der Bundesregierung geteilt. Auch CDU-Innenexperte Michael Breilmann forderte mit Blick auf den Tag X ein ärteres Durchgreifen gegen Linksextremismus.
Prozess gegen Lina E.: Minister Buschmann begrüßt das Urteil von Dresden
Update vom 31. Mai, 12.36 Uhr: Zustimmung zum Richterspruch im Prozess gegen die Linksextremistin Lina E.: Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat die Verurteilung der Nazijägerin zu mehr als fünf Jahren Gefängnis als gerecht bezeichnet. „Extremismus bekämpft man nicht mit Extremismus. Wir müssen unsere liberale Demokratie schützen vor ihren Feinden, doch nicht mit Selbstjustiz“, teilte der Politiker auf Twitter mit. Recht und Gesetz würden für alle gelten und wo die Grenzen der Rechtsordnung überschritten werden würden, sei das Durchgreifen der Justiz gefordert.
Urteil im Prozess gefallen: Lina E. muss fünf Jahre ins Gefängnis
Update vom 31. Mai, 10.41 Uhr: Nach fast 100 Verhandlungstagen ist am Mittwochvormittag am Oberlandesgericht Dresden (OLG) das Urteil gegen die Linksextremistin Lina E. gefallen. Das Gericht verurteilte die 28-Jährige zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und drei Monaten. Nach der Urteilsverkündung kam es im Gerichtssaal zu lautstarken Protesten und Tumulten. Zuschauer skandierten „Faschofreunde“ und „Scheiß Klassenjustiz“. Die Sitzung musste deswegen kurzzeitig unterbrochen werden.
Nach Überzeugung der Staatsschutzkammer sind die 28 Jahre alte Studentin Lina E sowie ein gleichaltriger Mitangeklagter der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung schuldig; ein 37-Jähriger und ein weiterer 28-Jähriger wegen deren Unterstützung. Für die Mitangeklagten verhängte das Gericht Freiheitsstrafen zwischen zwei und drei Jahren. Die Staatsschutzkammer blieb damit unter den Strafanträgen der Bundesanwaltschaft, die acht Jahre Haft für die aus dem hessischen Kassel stammende E. sowie zwischen zwei Jahren neun Monaten und drei Jahren neun Monaten für die drei Männer gefordert hatte.
Kaum ein Bild von Lina E.: Nazijägerin verbirgt Gesicht vor der Urteilsverkündung
Lina E. verbarg vor der Urteilsverkündung ihr Gesicht hinter einem Aktendeckel. Auch sonst gibt es wenig Bilder von der jungen Frau, die jetzt als Kopf der kriminellen Vereinigung gilt. Bekannt ist: Sie wurde am 20. Februar 1995 in Hessen geboren. Sie wuchs in Kassel auf, ging dort zur Schule, legte das Abitur ab. Als Berufswunsch gab sie Förderschullehrerin an, nachdem sie zwei Schulpraktika in Einrichtungen für behinderte Kinder absolviert hatte. Später studierte sie in Halle (Saale) Sozialpädagogik.
Urteil gegen Lina E.: Prozess gegen Nazijägerin löst Angst vor Tag X aus
Erstmeldung vom 31. Mai, 9:35 Uhr: Dresden - Ungerechtfertigte Angriffe auf politische Gegner: Kurz vor der Urteilsverkündung im Prozess gegen die mutmaßliche Linksextremistin Lina E. hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) das Vorgehen des Rechtsstaates verteidigt. „Hier sind Hemmschwellen gesunken, politische Gegner auch mit äußerster Brutalität anzugreifen. Dem müssen wir als Rechtsstaat konsequent Einhalt gebieten“, sagte die Politikerin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) und fügte hinzu: „Kein Ziel rechtfertigt politische Gewalt.“ Gleichzeitig warnte sie vor einer Spirale der Gewalt. Denn die linke Szene bereite sich bereits auf den „Tag X“ vor.
Was ist passiert? Staatsanwaltschaft wirft ihr Angriffe auf Neonazis in drei Städten vor
Das Oberlandesgericht Dresden spricht am Mittwoch (31. Mai) das Urteil gegen die mutmaßliche Linksextremistin Lina E. und drei weitere Beschuldigte. Die Bundesanwaltschaft wirft ihnen vor, zwischen 2018 und 2020 Leute aus der rechten Szene in Leipzig, Wurzen und Eisenach brutal zusammengeschlagen zu haben. Die aus Kassel stammende Lina E. gilt als Kopf der Gruppe, die als kriminelle Vereinigung gehandelt haben soll.

Die Anklage beantragte für die 28 Jahre alte Studentin und Neonazijägerin Lina E. acht Jahre Haft. Für die drei Männer im Alter von 28 bis 37 Jahren wurden Haftstrafen zwischen zwei Jahren und neun Monaten sowie drei Jahren und neun Monaten gefordert. Die Verteidigung kritisierte das Verfahren als „politischen Prozess“ und verlangte Freisprüche, wie die Nachrichtenagentur dpa berichtet.
Antifa rüstet zum Tag X: Polizei erwartet nach Urteilsverkündung Demos und Ausschreitungen
In der linken Szene und der Antifa wurde bereits zu Demonstrationen für Lina E. und ihre Mitstreiter aufgerufen - für den Tag der Urteilsverkündung und für den kommenden Samstag. Sicherheitsbehörden befürchten Ausschreitungen und wollen mit einem Großaufgebot der Polizei gerüstet sein. Teilweise wurde in Leipzig für den sogenannten „Tag X“ bereits das Versammlungsrecht eingeschränkt. Nach Angaben der Sicherheitsbehörden mobilisiert die Szene bereits seit Monaten für die Demos - teilweise sogar europaweit.
Kampf gegen Linksextremismus: Innenministerin Faeser kündigt Durchgreifen an
In Bund und Ländern ist man vorbereitet. „Das Strafverfahren gegen Lina E. und ihre drei Mitangeklagten stößt in der gewaltorientierten linksextremistischen Szene bereits seit der Festnahme der Hauptangeklagten im Jahr 2020 auf hohe Resonanz“, sagte Faeser. Die Behörden nähmen die gewaltbereiten Gefährder besonders in den Fokus und würden konsequent einschreiten, sollte es zu Straftaten kommen. Dafür würde die Bundespolizei die jeweilige Landespolizei unterstützen. Die Koordinierung finde in den kommenden Tagen im Terrorismus- und Extremismus-Abwehrzentrum statt, so Faeser.
Auch Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) warnte vor einer Verharmlosung der Szene um Lina E. „Man muss dahinter ein Netzwerk vermuten“, sagte der Politiker. Denn es sei eine Struktur erkennbar. Zwei oder drei Menschen reichten für das Vorgehen gegen die politischen Gegner nicht aus. Die Taten seien professionell vorbereitet gewesen. (jkf/mit Material der dpa)