Auswandern nach Australien – Jetzt sind die Chancen besonders gut

Leben und Arbeiten am Meer: Für viele Menschen ist das eine Traumvorstellung. Australien war lange für seine harten Einwanderungsbedingungen bekannt. Das könnte sich nun ändern.
Brisbane – Hunderte offene Stellen im IT-Bereich, Tausende Schüler haben für das kommende Schuljahr noch keinen Lehrer und auch der Landschaftsarchitekt findet keine Mitarbeiter – obwohl er den Stundenlohn bereits um 30 Prozent angehoben hat. Es zieht sich quer durch alle Berufsgruppen: Der Fachkräftemangel treibt nicht nur Deutschland um. Auch Australien legt er lahm.
Die Regierung in Canberra liebäugelt mit vielen Ansätzen, um eine Lösung zu finden. Als traditionelles Einwanderungsland bieten sich an erster Stelle Erweiterungen und Erleichterungen bei der sonst so strikten Visa-Vergabe an: Mit 700 Berufen auf den unterschiedlichen Listen für Visa-Klassen hat sich die Zahl der gesuchten Berufe in diesem Jahr fast verdoppelt und die für Fachkräfte zur Verfügung stehenden Visa-Plätze wurden ebenfalls deutlich erhöht.
Australien: Eine Chance für Fachkräfte aus Deutschland
„Fachkräfte haben momentan sehr gute Chancen, eine Daueraufenthaltsgenehmigung (Permanent Residency/PR) zu erhalten“, sagt Einwanderungs-Expertin Friederike Kühn von Your Migration Network der Frankfurter Rundschau von IPPEN MEDIA. Gerade im sogenannten Skilled Visa-Bereich gebe es derzeit viele Möglichkeiten.
Auch Carsten Schröder wollte als gelernter Anlagen-Mechaniker mit seiner Familie den Schritt nach Down Under wagen. Ihm wurde nach einem Urlaub in Australien vom Vertriebspartner seines damaligen Arbeitgebers ein Job als Service Techniker angeboten. „Das habe ich erstmal aufgrund meines Alters von 42 Jahren ausgeschlagen“, sagt Schröder. Zurück in Deutschland ging ihm aber Australien – wie so vielen Backpackern und Urlaubern – einfach nicht mehr aus dem Kopf. Nach einem weiteren Familien-Urlaub Down Under war dann auch seine Frau überzeugt. „Das Problem war aber, dass ich durch mein damaliges Alter von 43 Jahren kein Kurzzeit-Visum beantragen wollte, weil ich dann nach zwei Jahren auf dem Short Term Visum mit 45 keine Chance mehr auf PR gehabt hätte“, erklärt Carsten. „Dann hätten wir Australien direkt wieder verlassen müssen.“
Corona verschlimmerte den Fachkräftemangel in Australien
Der schwindelerregende Anstieg der gesuchten Berufe deckt die Lücken im australischen Ausbildungssystem auf: Das Land es einfach versäumt, im Laufe der Zeit genügend Australier für diese Arbeitsplätze auszubilden. Doch auch die Corona-Pandemie hat dazu beigetragen, dass es überall an qualifiziertem Personal fehlt. Zwei Jahre lang hatte sich das Land wegen des Virus-Ausbruchs praktisch komplett abgeschottet, alle Grenzen dichtgemacht. Die Einwanderungsquote fiel praktisch auf null. Und die Empfehlung des damaligen Regierungschefs Scott Morrison an Migranten, wegen der Pandemie doch besser in ihre Heimatländer zurückzukehren, vertrieb viele Fachkräfte. Unter den strikten Beschränkungen konnten selbst doppelte Staatsbürger ohne Ausnahmegenehmigung nicht das Land verlassen und liefen selbst dann Gefahr, nicht wieder zurückkehren zu können.
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Zwei Jahre Pandemie: Viele Ausreisen nach der Öffnung
Lange Bearbeitungszeiten bei der Ausreisegenehmigung und fehlende finanzielle Unterstützung während der Pandemie für bestimmte Berufsgruppen taten ihr Übriges. Wer während Corona nicht das Land verlassen konnte, nutze seine Chance nach der Wiedereröffnung der Grenzen Anfang 2022. Seither haben mehr als 600.000 Menschen Australien verlassen, von denen 83 Prozent im arbeitsfähigen Alter sind, so eine Analyse des Ausschusses für wirtschaftliche Entwicklung Australiens (CEDA). Eine qualifizierte Zuwanderung ist also von entscheidender Bedeutung, um die Lücke zu schließen – während gleichzeitig Australier für die gesuchten Berufe ausgebildet werden müssen.
Mithilfe der Auswanderungsagentin Friederike Kühn hat es dann für Familie Schröder letztendlich doch noch mit dem Traum vom Leben in Australien geklappt – auch wenn sie mehrere Hürden nehmen mussten, um die begehrte Daueraufenthaltsgenehmigung zu bekommen. Führungszeugnisse, Sprachtests und umfangreiche medizinische Untersuchungen mussten vorgelegt werden. Der Sponsor des Visums, der Vertriebspartner seines damaligen Arbeitgebers, musste nachweisen, dass er trotz offizieller Stellenausschreibung keine australische Fachkraft für den Job findet. Kostenpunkt für die Familie Schröder inklusive Umzug nach Melbourne: Mehr als 24.000 Euro. Carsten Schröders Arbeitgeber übernahm die Hälfte der Kosten und verpflichtete sich, ihn für mindestens zwei Jahre zu beschäftigen. Er war im Gegenzug beruflich nicht an seinen Arbeitgeber gebunden. Das Risiko liegt damit aufseiten des Arbeitgebers und macht es nicht einfacher, bereits vom Heimatland aus einen Sponsor für das PR-Visum zu finden.
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Berufe im Gesundheits- und Bildungswesen besonders gefragt
Ganz oben auf der Liste der gesuchten Berufe stehen derzeit Krankenpfleger und Lehrer, händeringend werden auch spezialisierte Ärzte und Sozialarbeiter gesucht. Visa im Gesundheits- und Bildungsbereich werden nach Angaben des Innenministeriums bevorzugt behandelt. „Diese Anträge werden jetzt innerhalb von drei Tagen geprüft und genehmigt“, sagte ein Sprecher des Ministeriums unserer Redaktion. Seit dem 1. Juni sind bereits mehr als 43.000 befristete und 47.000 unbefristete Visa für Fachkräfte ausgestellt worden.
Die Regierung hat die Zahl der jährlich verfügbaren Visa für Fachkräfte und Familienangehörige von 160.000 auf 195.000 erhöht, erklärte Einwanderungsminister Andrew Giles vergangenen Monat auf der CEDA-Konferenz zum Thema Migration. Auch 20.000 zusätzliche Universitätsplätze seien in Australien geschaffen und 180.000 gebührenfreie Plätze an der Berufsakademie TAFE (Technical and Further Education) vorgezogen worden, um die Ausbildung in Australien voranzutreiben.
Auch für Fachkräfte, die während der Pandemie in Australien geblieben sind, gibt es nun besondere Möglichkeiten. „Beispielsweise haben bestimmte Personengruppen jetzt auch Zugriff auf permanente Visa, welche sich vorher nur für temporäre Visa qualifiziert haben“, erklärt Friederike Kühn von Your Migration Network. Auch der Rückstau an Visa, der einst fast eine Million Anträge umfasste, ist auf 755.000 zurückgegangen.
Deutsche nicht unter den Top-Ten Bewerbern
Noch sind deutsche Fachkräfte nicht unter den Top-Ten der Bewerber um ein Fachkräfte-Visum. „Da befinden sich Länder wie Großbritannien, Indien, China, Vietnam und die Philippinen“, so Friederike Kühn. Viele ziehe es direkt in die großen Städte an die Ostküste. „Allerdings begegne ich auch immer wieder Auswanderern, die das ursprüngliche Australien, das Outback, kennenlernen möchten und sich bewusst auch für eine der Regionen in Australien entscheiden.“
Die Schröders sind in Melbourne glücklich. „Durch unsere PR-Visa hatten wir im Grunde von Anfang an keine Einschränkungen gehabt, waren auch direkt staatlich krankenversichert und mussten keine Schulgebühren zahlen“, sagt Carsten Schröder. „Die einzigen Nachteile sind, dass wir nicht wahlberechtigt sind und unsere beiden Söhne müssten die Studiengebühren selbst tragen, wenn sie denn studieren möchten, denn auf die staatliche Unterstützung (HECS) hat man mit PR keinen Anspruch.“ Die Studienhilfen stehen nur australischen Staatsbürgern zu.
Wer also ernsthaft mit dem Gedanken spielt, nach Australien mithilfe eines Skilled Visa auszuwandern, muss Zeit und Geld investieren. „Ich glaube, dass es in Moment relativ einfach ist, ein temporäres Visum für zwei oder vier Jahre zu bekommen und sich danach für PR zu bewerben. Aber ich habe auf Facebook festgestellt, dass der größte Anteil der Leute sofort nach einem Sponsor für PR sucht. Dies halte ich in Grunde nur für möglich, wenn man sehr gute Verbindungen über seinen Arbeitgeber, Freunde oder Verwandte nach Australien hat“, sagt Carsten Schröder.