In der Logistikhalle werde nun eine Impfstelle eröffnet, an der ein chinesisches Vakzin verabreicht werden solle, hieß es von belarussischer Seite. Belarus hat erst vor einigen Tagen rund 1,5 Millionen Dosen des chinesischen Herstellers Sinopharm geliefert bekommen.
Update vom 18. November, 11.57 Uhr: Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki warnt Europa bei einer laxen Grenzpolitik vor einem Zustrom von „Millionen“ Migranten. Dabei schloss er angesichts der Entwicklung an der polnisch-belarussischen Grenze eine Kriegsgefahr nicht aus. „Wenn wir nicht in der Lage sind, jetzt Tausende Zuwanderer fernzuhalten, dann werden es bald Hunderttausende sein, Millionen, die Richtung Europa kommen“, sagte Morawiecki der Bild.
„Wenn wir unsere Grenzen in Europa nicht entschieden schützen und verteidigen, werden Hunderte Millionen aus Afrika oder dem Mittleren Osten versuchen, nach Europa und insbesondere nach Deutschland zu kommen.“ In Deutschland lebten mehr als 80 Millionen Menschen. „Würden Sie erlauben, dass 50 Millionen weitere kommen?“
Die Lage an der belarussischen Grenze, wo Tausende Migranten in das EU-Land Polen gelangen wollen, beschrieb Morawiecki als stabil mit wachsendem Risiko. Eine Kriegsgefahr wollte er nicht ausschließen. „Die belarussischen Kräfte provozieren immer deutlicher. Ich hoffe, sie machen dabei nicht den einen Schritt zu weit“, sagte er. „Denn wir Polen sind fest entschlossen, unsere Grenze mit allen Mitteln zu schützen. Die Ostgrenze Europas und auch der Nato.“
Es gebe Eskalationsstufen, sagte Morawiecki. Er freue sich über den Beistand Deutschlands und anderer Nato-Staaten. Nun könnte eine gemeinsame Erklärung Polens, Litauens und Lettlands folgen. „Ein weiterer Schritt könnte sein, Artikel 4 des Nato-Vertrags zu aktivieren, der offiziell die Verletzung ihrer Staatsgebiete feststellt“, sagte er. Der Artikel sieht Konsultationen der Bündnispartner vor, aber noch keinen militärischen Beistand. Morawiecki fügte hinzu, man wisse nicht, was Belarus und Russland planten. „Möglich wäre auch, dass die Krise an der Grenze nur ablenken soll von neuen militärischen Angriffen, die (der russische Präsident Wladimir, Anm. d. Red.) Putin in der Ukraine vorbereitet.“
Update vom 18. November, 9.25 Uhr: Polnische Sicherheitskräfte haben in der Nacht zum Donnerstag rund hundert Migranten an der Grenze zu Belarus festgenommen. Die Flüchtlinge hätten versucht, die schwer bewachte Grenze nach Polen zu überqueren, teilte das Verteidigungsministerium in Warschau mit. Die Festnahmen ereigneten sich demnach nahe dem Dorf Dubicze Cerkiewne.
Das polnische Verteidigungsministerium teilte im Kurzbotschaftendienst Twitter mit, belarussische Einsatzkräfte hätten zunächst Aufklärung betrieben und „höchstwahrscheinlich“ den Stacheldrahtzaun entlang der Grenze beschädigt. „Dann haben die Belarussen die Migranten gedrängt, polnische Soldaten zur Ablenkung mit Steinen zu bewerfen.“ Der Versuch des Grenzübertritts sei in mehreren hundert Metern Entfernung erfolgt. Auf Videoaufnahmen des Verteidigungsministeriums ist zu sehen, wie polnische Soldaten eine große Gruppe von Menschen umzingeln, die zusammengekauert in einem Waldstück neben Stacheldraht hockt.
Update vom 17. November, 15.29 Uhr: Kanzlerin Angela Merkel hat im Grenzstreit zwischen Belarus und Polen versucht, zu vermitteln. Darum telefonierte die CDU-Politikerin mit dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko. Laut Regierungssprecher Steffen Seibert war Merkels Telefonat mit der EU-Kommission abgesprochen. „Sie hat dieses Telefonat eng abgestimmt mit der Europäischen Kommission geführt und nach vorheriger Information wichtiger Partner gerade auch in der Region“, erklärte Seibert am Mittwoch (17. November) in Berlin.
Von polnischer Seite kamen am selben Tag kritische Töne. Präsident Andrzej Duda betonte, dass sein Land keine Vereinbarungen akzeptieren werde, wenn diese ohne seine Beteiligung festgelegt würden. Dieses habe er tags zuvor in einem Telefonat mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier deutlich gemacht. „Kurz gesagt: Polen wird keine Vereinbarungen anerkennen, die (..) über unsere Köpfe hinweg geschlossen werden.“
Internationale Vermittlungsversuche seien Gesprächsinhalt bei dem Telefonat mit Steinmeier gewesen, sagte Duda weiter. Den Vorstoß von Kanzlerin Merkel, Lukaschenko zu kontaktieren, sieht Polen mit Unbehagen. „Wir sind ein souveränes Land, das das Recht hat, selbst über sich zu entscheiden“, kommentierte Duda den Vorgang: „Und wir werden dieses Recht unter allen Umständen ausüben.“
Erstmeldung vom 17. November, 13.16 Uhr: Warschau/Minsk – Die angespannte Situation an der Grenze zwischen Belarus und Polen hat sich offenbar etwas beruhigt. Während es am Dienstag (16. November) am Übergang Kuznica-Brusgi zu Auseinandersetzungen zwischen polnischer Polizei und Migranten kam, entspannte sich die Lage über Nacht, wie Polens Polizei angab.
Nach den Tumulten sei ein Teil der Migranten wieder auf belarussisches Gebiet in das einstige Zeltlager
zurückgekehrt. Zudem habe ein anderer Teil beim belarussischen Grenzabfertigungsterminal übernachten können, erklärte ein Polizeisprecher am Mittwoch (17. November). Am Mittwochmorgen veröffentlichte die belarussische Staatsagentur Belta Fotos, die zahlreiche Erwachsenen und Kinder mit Decken und Schlafsäcken in einer Halle zeigen. Machthaber Alexander Lukaschenko hatte am Dienstag (16. November) angeordnet, mehrere Lagerstätten eines Logistikunternehmens in der grenznahen Region Grodno zum Nachtlager umzufunktionieren.
Bei den Zusammenstößen am Dienstag (16. November) hatten polnische Sicherheitskräfte laut übereinstimmender Berichte aus Polen und Belarus auch Wasserwerfer gegen Migranten eingesetzt. Stanislaw Zaryn, Sprecher des Koordinators der polnischen Geheimdienste, vermutete hinter der Aktion eine „koordinierte Attacke gegen die polnische Grenze“. Demnach hätten die Migranten die Polizisten und Soldaten mit Steinen, Flaschen und Erdklumpen beworfen. Auch mit Knallgranaten und Steinschleudern seien die Menschen ausgerüstet gewesen. Polen ist der Überzeugung, dass belarussische Sicherheitsorgane die etwa zweistündige Attacke koordiniert und beobachtet hätten.
Eine unabhängige Prüfung dieser Darstellung ist derzeit nicht möglich, weil Polen Medien den Zugang zur
Grenzregion nicht gestattet. Unterdessen verblieben Tausende Migranten auf belarussischer Seite in provisorischen Camps – trotz Temperaturen um den Gefrierpunkt. Mit Lagerfeuern versuchten sie, sich notdürftig gegen die Kälte zu schützen.
Am Dienstag (17. November) hatte die polnische Regierung allerdings auch vermeldet, dass Belarus mit dem Abtransport der Migranten begonnen habe. Demzufolge seien viele der am geschlossenen Grenzübergang Kuznica-Brusgi verweilenden Migranten per Bus-Transfers an einen anderen Ort gebracht worden. „Ich habe die Information bekommen, dass Lukaschenko erste Busse bereitgestellt hat, in die die Migranten einsteigen und wegfahren“, gab Polens stellvertretender Innenminister Maciej Wasik im Fernsehsender TV Republika an: „Das Zeltlager bei Kuznica leert sich. Es sieht danach aus, dass Lukaschenko diese Schlacht um die Grenze verloren hat.“
In staatsnahen belarussische Medien wurden Videos von vier Reisebussen ausgestrahlt. Nach Angaben des Roten Kreuzes bringen diese einige der Migranten „an andere Orte“ bringen. Man wolle so eine Überfüllung des neuen Nachtlagers verhindern. Der polnische Grenzschutz geht davon aus, dass sich bei Kuznica rund 2000 Migranten zusammengefunden haben. (kh/dpa) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA