Bidens Besuch in Kiew: Demonstration von Macht und Abschreckung

Die Eskalationsspirale dreht sich schneller
Es ist ein Besuch mit allerhöchster Symbolkraft: Vier Tage bevor sich der russische Angriff auf die Ukraine jährt, besucht der Anführer der westlichen Welt die Hauptstadt des umkämpften Landes - trotz höchster Sicherheitsrisiken bis hin zu Luftalarm über den Dächern von Kiew. Joe Biden symbolisiert damit nicht nur die Solidarität mit der Ukraine aufs Deutlichste; er sendet auch das klare Signal an Putin, dass sich die USA von Russland nicht einschüchtern lassen. Im Gegenteil: Der amerikanische Präsident selbst steht in Kiew an der Seite von Wolodymyr Selenskyj und verspricht weitere Unterstützung für die Ukraine - so lange es nötig ist.
So sehr Bidens große Geste des Mutes und der Stärke die Ukrainer erfreut, so sehr heizt sie in Russland die Propaganda an: Russische Medien werten den Besuch als „Kriegserklärung“ gegen ihr Land und warnen davor, dass die Nato als nächstes Truppen schicken werde. Diese Berichte lassen keinen Zweifel daran, dass der Besuch im Kreml als starke Provokation empfunden wird. Und Putin wird seine Rede an die Nation vielleicht ein bisschen umschreiben.
Ohnehin ist zu befürchten, dass sich die Eskalationsspirale im zweiten Kriegsjahr noch schneller dreht. Eine Entwicklung, die sich schon auf der Münchner Sicherheitskonferenz abgezeichnet hat. Denn sollte China Waffen an Russland liefern, würde die Auseinandersetzung mit dem Westen eine ganz neue Dimension annehmen. Zwar weist China darauf hin, dass sich die USA schon lange in den Krieg einmischen. Doch es besteht ein erheblicher Unterschied zwischen Waffenlieferungen an die Ukraine zur Selbstverteidigung - das ist völkerrechtlich gedeckt. Waffenlieferungen an Russland hingegen wären eine Unterstützung des Aggressors. Damit würde auch China den Boden des Völkerrechts verlassen.
Gerade um das zu verhindern, sind Machtdemonstrationen wie der Besuch des US-Präsidenten im Kriegsgebiet umso wichtiger. Diese Sprache verstehen Länder wie Russland und China. Und jenseits der dort empfundenen Provokation, kann diese Auseinandersetzung irgendwann nicht ohne die Kraft der Abschreckung beendet werden.