EU beendet Importverbote für ukrainisches Getreide – Polen, Ungarn und Slowakei stellen sich dagegen

Die EU stoppt die Handelsbeschränkungen für Getreide aus der Ukraine, doch deren Nachbarn widersetzen sich der Freigabe.
Brüssel - Die EU-Kommission beendet die umstrittenen Handelsbeschränkungen für ukrainische Getreideprodukte - und wird daraufhin von mehreren Mitgliedstaaten öffentlich brüskiert. Polen, Ungarn und die Slowakei gaben bekannt, dass sie auch ohne die Zustimmung Brüssels an Importverboten für bestimmte ukrainische Agrarprodukte festhalten wollen.
Deutschland und andere EU-Länder hatten dieses Verhalten zuvor als unsolidarisch kritisiert. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wird in der kommenden Woche nach seinem Auftritt bei der UN-Generalversammlung in New York auch US-Präsident Joe Biden in Washington treffen, um weitere Unterstützung im Abwehrkrieg gegen Russland zu erbitten.
Polen sucht offene Konfrontation mit EU
Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki, der sich im Wahlkampf befindet und auf reichlich Stimmen von EU-Kritikern setzt, suchte die offene Konfrontation mit Brüssel: „Weil es im Interesse der polnischen Landwirte ist“, werde seine Regierung die Anordnung der Europäischen Kommission zum ukrainischen Getreide nicht befolgen. Damit machte er seine schon vor Wochen erhobene Drohung wahr, obwohl die Brüsseler Behörde immer wieder betont hatte, dass sie für Handelspolitik in der EU zuständig ist. In Polen wird am 15. Oktober ein neues Parlament gewählt, der Streit um die ukrainischen Waren ist dort zum Wahlkampfthema geworden.
Die bisherigen Einschränkungen hatten es den östlichen EU-Mitgliedern Ungarn, Polen, Slowakei, Rumänien und Bulgarien erlaubt, den freien Handel mit Produkten wie Weizen, Mais, Raps und Sonnenblumen aus der Ukraine auf ihren Märkten zu beschränken. Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) hatte in Brüssel immer wieder betont, dass Solidarität mit der von Russland angegriffenen Ukraine nicht nur versprochen, sondern auch gelebt werden müsse.
Selenskyj: Dank an von der Leyen, Warnung an Polen und Ungarn
Dennoch folgten Ungarn und die Slowakei prompt dem Beispiel Polens. Ungarn „nimmt seine Angelegenheiten in die eigenen Hände, um die eigenen Bauern zu schützen“, erklärte ein Regierungssprecher im Namen des Landwirtschaftsministers Istvan Nagy. Der Transit ukrainischen Getreides durch Ungarn bleibt demnach weiter erlaubt. Der geschäftsführende slowakische Regierungschef Ludovit Odor sagte: „Wir müssen einen übermäßigen Druck auf den slowakischen Markt verhindern, um auch gegenüber den einheimischen Landwirten fair zu bleiben.“
Selenskyj ging in seiner täglichen Videobotschaft auf die Streitigkeiten ein. Er habe EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen für das Ende der Handelsbeschränkungen gedankt, sagte er. „Europa gewinnt immer, wenn Verträge funktionieren und Versprechen eingehalten werden“, betonte Selenskyj. Er kündigte Gegenmaßnahmen an, sollten sich Polen, Ungarn und die Slowakei - die er nicht namentlich nannte - gegen die Ausfuhr ukrainischen Korns sperren. Solches Verhalten sei angesichts der russischen Seeblockade nicht im Sinne guter Nachbarschaft, kritisierte Selenskyj. (sot mit afp/dpa)