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Petr Pavel: Tschechiens neuer Präsident sucht Nähe zu Taiwan und brüskiert China

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Von: Sven Hauberg

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Petr Pavel wurde am Donnerstag als neuer tschechischer Präsident vereidigt.
Petr Pavel wurde am Donnerstag als neuer tschechischer Präsident vereidigt. © Martin Divisek/EPA

Am Donnerstag wurde Petr Pavel als neuer Präsident Tschechiens vereidigt. Der Ex-General geht auf Distanz zu China – und sucht die Nähe zu Taiwan.

München/Prag – Für Petr Pavel ist klar, wo sein Land hingehört: „in die Welt der Demokratien, nicht die Welt der autoritären Regime“, sagte Tschechiens neuer Präsident unlängst im Interview mit Le Monde. Für Pavel, der am Donnerstag vereidigt wurde, heißt das: keine Nähe mehr zu Russland und China, wie sie noch sein Vorgänger Milos Zeman gesucht hatte. Dass er es durchaus ernst meint mit der neuen Distanz zu Peking, machte Pavel Ende Januar deutlich. Kaum war er frisch ins Amt gewählt worden, tat Pavel nämlich etwas Unerhörtes. Er griff zum Telefon – und wählte die Nummer von Tsai Ing-wen, der Präsidentin Taiwans.

„Ich habe ihr für ihre Glückwünsche gedankt und ihr versichert, dass Taiwan und die Tschechische Republik die Werte der Freiheit, der Demokratie und der Menschenrechte teilen“, erklärte Pavel nach dem Gespräch. Und dann schob er einen Satz hinterher, wie man ihn noch nie von einem europäischen Staatsoberhaupt gehört hat: „Ich habe auch die Hoffnung geäußert, dass ich in Zukunft Gelegenheit haben werde, Präsidentin Tsai persönlich zu treffen.“

China: Tschechien sendet „ein falsches Signal an die separatistischen Kräfte der ‚Unabhängigkeit Taiwans‘“

Wie die meisten Länder weltweit erkennt auch Tschechien die Regierung in Taipeh nicht offiziell an, sondern unterhält diplomatische Beziehungen lediglich mit Peking. China wiederum betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz und reagiert auf jegliche Annäherungsversuche zwischen ausländischen Staaten und der demokratisch gewählten Führung in Taipeh äußerst gereizt. Pavel sende „ein falsches Signal an die separatistischen Kräfte der ‚Unabhängigkeit Taiwans‘“, erklärte Pekings Außenamtssprecherin Mao Ning und forderte „die Tschechische Republik auf, sofortige und wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um das Fehlverhalten zu korrigieren“.

Das kleine Tschechien ist schon länger kein einfacher Partner für das große China. Außenminister Jan Lipavsky betonte bereits in der Vergangenheit die Verbundenheit seines Landes zum demokratischen Taiwan, zudem sorgte Chinas stillschweigende Unterstützung des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine für Unmut in dem Land. In der Prager Burg allerdings, dem Sitz des tschechischen Präsidenten, hatte Peking bislang einen Verbündeten: Milos Zeman, seit 2013 Staatspräsident, suchte immer wieder demonstrativ die Nähe zu China, äußerte seine Bewunderung für das autoritäre System des Landes und bezeichnete Tibet-Aktivisten einmal als „geistig behinderte Individuen“.

China ist der zweitgrößte Handelspartner von Tschechien

Mit dem ehemaligen Nato-General Petr Pavel zieht nun aber ein überzeugter Europäer in die Prager Burg. Laut Filip Šebok von der Prager Denkfabrik Association for International Affairs (AMO) kann Pavel mit seiner Peking-kritischen Haltung auf den Rückhalt der Tschechen zählen. „Beziehungen zu Taiwan aufzubauen, das wird von einem großen Teil der Bevölkerung und der politischen Elite als wichtiger Teil der tschechischen außenpolitischen Identität angesehen“, sagte Šebok der Frankfurter Rundschau. Der China-Experte verweist auf Václav Havel, den legendären Regimekritiker und ersten Präsidenten der Tschechischen Republik, einen Verfechter der Idee der universellen Menschenrechte.

Šebok glaubt aber auch, dass es Pavel um mehr geht als um gemeinsame Werte. Es gebe ein großes Potenzial für eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Prag und Taipeh, besonders im Hightech-Bereich, sagt er. „Wirtschaftsdiplomatie spielt also auch eine Rolle.“ Dabei ist China für Tschechien, wo nur etwa halb so viele Menschen leben wie in Peking, freilich ein weitaus wichtigerer Handelspartner als Taiwan: Die Volksrepublik belegt in der tschechischen Handelsstatistik den zweiten Platz, nach Deutschland. Gefährlich werde es für Tschechien, wenn Peking seine wirtschaftliche Macht ausspiele, um „Druck auf deutsche und andere europäische Unternehmen auszuüben, damit diese ihre Verbindungen zu tschechischen Zulieferern kappen“, sagt Šebok.

Wagt Tschechien den Ausstieg aus dem 14+1-Format mit China?

Dass Peking vor einem solchen Schritt nicht zurückschreckt, zeigt der Fall Litauen: Als der baltische Staat es der taiwanischen Regierung erlaubte, in der Hauptstadt Vilnius eine Vertretung unter eigenem Namen zu eröffnen, reagierte Peking mit eben solchen Zwangsmaßnahmen. Sollte es Tschechien ähnlich ergehen, dann würde das „die Regierung und den Präsidenten wahrscheinlich nur noch entschlossener machen, sich zur Taiwan-Frage und zu anderen Themen zu äußern, die China für heikel hält“, glaubt Šebok.

Sollte Pavel seine Ankündigung wahr machen und tatsächlich mit seiner taiwanischen Amtskollegin Tsai Ing-wen zusammentreffen, wäre das aus Pekinger Sicht ein Tabubruch. Experte Filip Šebok vermutet, dass eine solche Begegnung höchstens auf inoffizieller Ebene stattfinden würde. Für noch mehr Irritationen in Peking dürfte sowieso ein Schritt sorgen, den der tschechische Außenminister seit längerem plant: Prag will das 14+1-Format verlassen, in dem China und 14 mittel- und osteuropäische Staaten regelmäßig zu Gesprächen zusammenkommen.

Ein Austritt der Tschechen würde die Gruppe, die bis zum Ausscheiden der drei baltischen Staaten Lettland, Litauen und Estland noch unter dem Namen 17+1 firmierte, zunehmend bedeutungslos machen. Für Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping wäre das ein unangenehmer Gesichtsverlust, für Petr Pavel hingegen ein kleiner Sieg gegen das übermächtige China.

Hinweis: Eine erste Version dieses Artikels wurde am 2. Februar 2023 veröffentlicht. Der Text wurde anlässlich der Vereidigung von Petr Pavel aktualisiert und neu veröffentlicht.

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