Chinas Staatschef Xi Jinping bei seiner Vereidigung zum Präsidenten mit erhobener Faust auf dem Volkskongress
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Xi Jinping mit Machtgeste bei seiner Vereidigung: Chinas starker Mann beginnt seine historische dritte Amtszeit als Staatspräsident

Volkskongress besiegelt dritte Amtszeit

Chinas ewiger Staatschef Xi Jinping: Der mächtigste Mann der Welt – als Mensch bleibt er unergründlich

  • Christiane Kühl
    VonChristiane Kühl
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Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping erhielt am Freitag seine dritte Amtszeit als Staatspräsident. Er gehört zu den Mächtigsten der Welt – doch die Person Xi gibt Rätsel auf.

Peking/München – Chinas starker Mann ist auch in Zukunft Xi Jinping. Der Nationale Volkskongress ernannte Xi wie erwartet einstimmig für eine historische dritte Amtszeit als Staatspräsident. Damit ist der 69-Jährige am Ziel. Schon 2018 ließ er eigens für diese dritte Amtszeit die Verfassung ändern. Und bereits im Oktober 2022 hatte er sich auf dem Parteitag zum dritten Mal als Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) bestätigen lassen.

Viele sehen Xi Jinping nun als den mächtigsten Mann der Welt. Zwar ist China als Staat weiterhin die Nummer zwei hinter den USA. Doch Xi besitzt eine Machtfülle, mit der sein US-Counterpart Joe Biden bei weitem nicht mithalten kann. Während Biden sich derzeit mit einem teils von oppositionellen Republikanern dominierten Kongress herumschlagen muss, nickt der Volkskongress in China sämtliche Entwürfe und Personalien brav ab.

Doch wer ist Xi Jinping? Als Person bleibt er rätselhaft. „Xi selbst scheint Macht an sich darzustellen. Sie strahlt von ihm aus, fast wie eine physische Kraft“, schreibt Kerry Brown in seinem neuen Buch Xi Jinping. A study of Power, einem der wenigen Bücher über Xi. Er rede wie ein Mann mit unendlichem Selbstvertrauen, so Brown, Direktor des Lau China Institute am King’s College in London und ausgewiesener Xi-Experte.

Xi Jinping: Der Machtpolitiker

Xi Jinping ist nun seit gut zehn Jahren in Personalunion Generalsekretär der Kommunistischen Partei, Präsident des Landes und Chef der Streitkräfte. Das waren seine Vorgänger auch. Doch Xi ist anders. Er räumte interne Konkurrenten zur Seite, teilweise im Rahmen seiner sofort nach Amtsantritt gestarteten Kampagne gegen die endemische Korruption. Er herrscht durch ein Geflecht von Kommissionen in der Partei – denen er zumeist selbst vorsitzt und die den Staatsapparat kontrollieren. Effizienzgewinne bei manchen konkreten Politikfragen soll es durch diese für Außenstehende undurchdringliche Struktur durchaus geben. Doch vor allem zementiert sie Xis Kontrolle über viele Politikbereiche. „Die Beweise für sein Kontrollbedürfnis sind allgegenwärtig und manchmal schockierend detailliert“, so Brown.

„Xi unterscheidet sich in Bezug auf seine Durchsetzungsfähigkeit radikal von seinen Vorgängern“, sagte auch der frühere australische Premierminister und künftige Botschafter seines Landes in den USA, Kevin Rudd, bei der Vorstellung seines Buches The Avoidable War zum US-China-Konflikt. Die Vorgänger Jiang Zemin oder Hu Jintao waren stets Teil eines Führungskollektivs. Xi jedoch beansprucht die Führung für sich allein, so wie einst Chinas Revolutionsführer Mao Zedong.

Wie Xi Jinping die Karriereleiter emporstieg

Doch wie kam Xi Jinping dorthin an die Spitze der Macht? Anders als seine Meinungen und Gedanken sind die Eckpunkte seines Lebens bekannt. Sein Vater Xi Zhongxun gehörte zu den Revolutionären der ersten Stunde. Er stieg hoch auf in Maos China – und stürzte in den Wirren der Kulturrevolution in Ungnade, wurde gefoltert und eingesperrt. Xi Jinpings Schwester nahm sich damals das Leben. Er selbst wurde 1969 mit 15 Jahren aufs Land geschickt, wie damals viele Jugendliche. Sie sollten lernen, mit den Händen zu arbeiten – und taten das meist unter ärmlichsten Umständen. Sieben Jahre lebte er in dem Dorf Liangjiahe im Nordwesten, teilweise in einer Wohnhöhle, der traditionellen Unterkunft einfacher Bauern in der Region. Doch anstatt die Kommunisten zu hassen, bewarb der junge Xi sich immer wieder um die Aufnahme in die Partei. Solange, bis es klappte.

Chinas Staats- und Parteichef: So stieg Xi Jinping zum mächtigsten Mann der Welt auf

Chinas heutiger Staatschef Xi Jinping (2. von links) mit anderen Jugendlichen im Mao-Anzug
Xi Jinping wurde am 15. Juni 1953 in Peking geboren. Als Sohn eines Vize-Ministerpräsidenten wuchs er sehr privilegiert auf. Doch in der Kulturrevolution wurde er wie alle Jugendlichen zur Landarbeit aufs Dorf geschickt. Das Foto zeigt ihn (zweiter von links) 1973 mit anderen jungen Männer in Yanchuan in der nordwestlichen Provinz Shaanxi. Dort soll Xi zeitweise wie die Einheimischen in einer Wohnhöhle gelebt haben. © imago stock&people
Xi Jinping steht vor der Golden Gate Bridge in San Francisco
Xi Jinping 1985 vor der Golden Gate Bridge in San Francisco: Damals war er als junger Parteichef des Landkreises Zhengding in der nordchinesischen Agrarprovinz Hebei Delegationsleiter einer landwirtschaftlichen Studienreise nach Muscatine im US-Bundesstaat Iowa. Dort nahm die Gruppe nach offiziellen Berichten „jeden Aspekt der modernen Landwirtschaft unter die Lupe“. Anschließend reiste Xi weiter nach Kalifornien. Es war sein erster USA-Besuch. © imago stock&people
Xi Jingping und Peng Liyuan
Zweites Eheglück: Xi Jinping und seine heutige Ehefrau, die Sängerin Peng Liyuan, Anfang 1989. Zu dieser Zeit war Xi Vizebürgermeister der ostchinesischen Hafenstadt Xiamen. Die beiden haben eine gemeinsame Tochter. Xis erste Ehe war nach nur drei Jahren an unterschiedlichen Lebenszielen gescheitert. Seine erste Frau, die Diplomatentochter Ke Lingling, zog in den 1980er-Jahren nach Großbritannien. © imago
Xi Jinping gräbt mit Parteikollegen an einem Damm zur Verstärkung eines Deiches in Fujian
Aufstieg über die wirtschaftlich boomenden Küstenregionen: 1995 war Xi Jinping bereits stellvertretender Parteichef der Taiwan gegenüberliegenden Provinz Fujian – und noch ganz volksnah. Im Dezember 1995 arbeitet er mit an der Verstärkung eines Deiches am Minjiang-Fluss. © Imago/Xinhua
Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigt Chinas Vizepräsident Xi Jinping das Regierungsviertel in Berlin
Vizepräsident Xi Jinping 2009 im Kanzleramt bei Angela Merkel: Die deutsch-chinesischen Beziehungen waren unter Merkel relativ eng und von wirtschaftlicher Zusammenarbeit geprägt. Merkel und Xi reisten aus Berlin weiter nach Frankfurt, um die dortige Buchmesse zu eröffnen. China war als Ehrengast geladen. © GUIDO BERGMANN/Pool/Bundesregierung/AFP
Die Vizepräsidenten Xi Jinping aus China und Joe Biden aus den USA halten T-Shirts mit einer Freundschaftsbekundung in die Kamera
Ein Bild aus besseren Zeiten: Aus ihrer jeweiligen Zeit als Vizepräsidenten kamen Joe Biden und Xi Jinping mehrmals zusammen. Im Februar 2012 demonstrierten sie bei einer Reise Xis nach Los Angeles in einer Schule „guten Willen“ zur Freundschaft mit T-Shirts, die ihnen die Schüler überreicht hatten. Damals fehlten Xi nur noch wenige Monate, um ganz an die Spitze der Kommunistischen Partei aufzusteigen. © FREDERIC J. BROWN/AFP
Ein alter Mann in Shanghai schaut auf Xi bei seiner ersten Rede als Parteichef im Fernseher.
Xi Jinping hat es geschafft: Zum Ende des 18. Parteitags am 15. November 2012 wurde Xi als neuer Generalsekretär der Kommunisten präsentiert – und ganz China schaute zu. Xi gelobte in seiner ersten kurzen Rede als Parteichef, die Korruption zu bekämpfen und ein „besseres Leben“ für die damals 1,3 Milliarden Menschen des Landes aufzubauen.  © PETER PARKS/AFP
Der neue Staatschef Xi Jinping geht hinter seinem Vorgänger Hu Jintao zu seinem Platz in der Großen Halle des Volkes in Peking.
Übernahme auch des obersten Staatsamtes: Xi Jinping wurde auf dem Nationalen Volkskongress im März 2013 Präsident und schloß damit den Übergang von seinem Vorgänger Hu Jintao (vorn im Bild) zur Xi-Ära ab. © GOH CHAI HIN/AFP
Chinas Präsident und seine Ehefrau Peng Liyuan gehen über den Flughafen Orly in Paris.
Xi Jinpings Ehefrau Peng Liyuan ist die erste First Lady Chinas, die auch öffentlich in Erscheinung tritt. Hier kommt das Ehepaar zu einem Staatsbesuch in Frankreich an. Die Gattinnen von Xis Vorgängern hatten sich nie ins Rampenlicht gedrängt. Vielleicht auch, weil Maos politisch aktive dritte Ehefrau Jiang Qing nach dem Tod des „Großen Vorsitzenden“ als Radikale verurteilt worden war. © YOAN VALAT/Pool/AFP
Funktionäre der Kommunistischen Partei Chinas auf dem Weg zum Parteitag in Peking
So sehen KP-Funktionäre aus: Delegierte des 19. Parteitags auf dem Weg zur Großen Halle des Volkes in Peking im Oktober 2017. Auf diesem Parteitag gelang es dem Staats- und Parteichef, seine „Xi Jinping-Gedanken zum Sozialismus Chinesischer Prägung in der Neuen Ära“ in die Parteiverfassung aufzunehmen. Er war der erste nach Mao, der zu Lebzeiten in der Verfassung eine Theorie mit seinem Namen platzieren konnte. Einen Kronprinzen präsentierte Xi auf dem Parteitag nicht – entgegen den normalen Gepflogenheiten. © GREG BAKER/AFP
Xi Jinping nimmt in einer Staatslimousine „Rote Fahne“ die Parade zum 70. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik China ab.
70 Jahre Volksrepublik China: Staatschef Xi Jinping nahm 2019 in einer offenen Staatslimousine Marke „Rote Fahne“ die Militärparade in Peking zum Jahrestag der Staatsgründung ab. © GREG BAKER/AFP
Wirtschaftsforum in Wladiwostok
Xi Jinping pflegt eine offene Freundschaft zu Russlands Präsidenten Wladimir Putin – bis heute, trotz des russischen Angriffskrieges in der Ukraine. Putin und Xi teilen die Abneigung gegen die von den USA dominierte Weltordnung. Hier stoßen sie 2018 bei einem gemeinsamen Essen auf dem Wirtschaftsforum von Wladiwostok, auf dem sich Russland als Handelspartner und Investitionsziel im asiatischen Raum präsentierte, miteinander an. © Sergei Bobylev/POOL TASS Host Photo Agency/dpa
Xi Jinping besucht im weißen Kittel ein Labor und lässt sich die Impfstoffentwicklung erklären
Ende 2019 brach in China die Corona-Pandemie aus. Im April 2020 informierte sich Xi Jinping in einem Labor in Peking über die Fortschritte bei der Impfstoffentwicklung. Xi ist bis heute überzeugt, dass China die Pandemie besser im Griff hat als der Rest der Welt. Seine Null-Covid-Politik beendet er nicht, wohl auch wegen der viel zu niedrigen Impfquote unter alten Menschen. © Ding Haitao/Imago/Xinhua
Xi Jinpings Konterfei lächelt von einem Teller mit rotem Hintergrund
Auf dem 20. Parteitag im Oktober 2022 ließ sich Xi Jinping zum dritten Mal zum Generalsekretär der Kommunisten ernennen. Damit ist er der mächtigste Parteichef seit Mao Zedong. © Artur Widak/Imago

Wie sehr ihn der Horror jener Jahre geprägt hat, ist unbekannt. Seine Parteikarriere begann Xi Jinping jedenfalls noch auf dem Land, 1974 als Funktionär in Liangjiahe. Von 1975 bis 1979 studierte er Chemieingenieurwesen an der renommierten Pekinger Tsinghua-Universität. In dieser Zeit wurde der ältere Xi rehabilitiert: Xi Zhongxun baute im Auftrag von Reformer Deng Xiaoping Chinas erste Wirtschaftssonderzone Shenzhen auf, die mit Außenhandel und internationalen Investitionen experimentierte und heute zur Hightech-Metropole aufgestiegen ist. Für Xi Junior ging es ebenfalls bergauf, über verschiedene Posten entlang der nun boomenden Ostküste.

Xi Jinping: Kein unvermeidlicher Aufstieg zur Macht

Warum aber gerade er? „Es gab keine Unvermeidlichkeit für seinen Aufstieg zur Macht“, schreibt Kerry Brown über Xi. „Aber es muss in den undurchsichtigen Maschinerien der Partei, hinter der Fassade, irgendetwas gegeben haben, das ihn von den vielen anderen Mitbewerbern in der hart umkämpften und rücksichtslosen Welt der chinesischen politischen Elite unterschied.“ In den 1990-er Jahren agierte Xi weitgehend unauffällig und galt als vorsichtig und kontrolliert. 1999 begann der wirkliche Aufstieg: Gouverneur der Provinz Fujian, Parteichef der für ihre erfolgreiche Privatwirtschaft bekannte Nachbarprovinz Zhejiang und schließlich 2007 Parteichef von Shanghai (die Parteichefs in China rangieren stets über den Gouverneuren).

Erst zu dieser Zeit wurde klar, dass Xi Jinping auch für noch höhere Weihen infrage kam. Durch welche Prozesse vor dem KP-Parteitag 2012 die finale Wahl tatsächlich auf den damals 59-jährigen Xi als künftigen Chef fiel, sei bis heute „geheimnisumwittert“, schreibt Brown.

2012 wurde Xi also erstmals Parteichef – und begann sofort seine Machtbasis auszubauen. Schnell schob er den ungeliebten Ministerpräsidenten Li Keqiang beiseite – einen Protegé seines Vorgängers, der Xi wohl immer auch einen Hauch zu liberal war – und kümmerte sich selbst um dessen Portfolio, die Wirtschaft. Auf dem Parteitag im Oktober 2022 drängte er Li Keqiang aufs Altenteil. Im Ständigen Ausschuss des Politbüros der KP, Chinas Machtzentrale, sitzen seither ausschließlich Politiker, die Xi loyal ergeben sind. Einer von ihnen, Li Qiang, wird am Samstag voraussichtlich neuer Ministerpräsident.

Xis Politik: Sicherheit, Kontrolle und Konflikte mit den USA

Zu den von Xi angeschobenen politischen Maßnahmen gehören eine relativ erfolgreiche Armutsbekämpfung, eine hart geführte Kampagne gegen Korruption, mehr Kontrolle über Provinzen, Unternehmen und Gesellschaft, die verstörenden Umerziehungslager für muslimische Uiguren in Xinjiang – sowie die erst im Dezember abgeschaffte Null-Covid-Politik. Er zeigt sich eher rot als pragmatisch. „Ideologie übertrumpft Wirtschaft“ betitelte die EU-Handelskammer in Peking 2022 ihr Positionspapier zur Lage. Sein Vorgehen gegen die Meinungsfreiheit, das Einhegen des Unternehmertums und die Null-Covid-Politik drohen das Wachstum abzuwürgen. Sein Ziel ist die „große Verjüngung“ Chinas bis 2049, zum 100. Jubiläum der Volksrepublik. Dann soll China Weltmacht sein, auf Augenhöhe mit den USA.

Konkurrenz und Konflikt mit den USA scheinen China unter Xi immer stärker zu dominieren. „Die westlichen Länder, allen voran die Vereinigten Staaten, haben eine umfassende Eindämmung und Unterdrückung Chinas betrieben, was die Entwicklung des Landes vor nie dagewesene Herausforderungen gestellt hat“, sagte Xi Jinping auf dem Volkskongress. Dabei hat er die US-Unterstützung Taiwans ebenso im Blick wie das US-Exportverbot für hochmoderne Mikrochips nach China oder die Blockade mehrerer Tech-Firmen seines Landes in den USA. Mit angestoßen hatte den Streit Ex-US-Präsident Donald Trump, der den Handelskrieg mit China vom Zaun brach. Die Besessenheit mit dem US-Konflikt soll nun die treibende Kraft hinter Chinas „grenzenloser Freundschaft“ zu Russland sein.

Doch niemand weiß, was Xi wirklich denkt. Nie gibt er Interviews, und er lebt wie alle Granden der Kommunistischen Partei Chinas im abgeschirmten Komplex Zhongnanhai neben dem alten Kaiserpalast im Herzen Pekings. Und das nun noch bis mindestens 2028.

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