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Deutschland setzt seine Glaubwürdigkeit aufs Spiel

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Kämpfer der Taliban stehen in den Straßen des afghanischen Ortes Khost. FOTO: DPA
Kämpfer der Taliban stehen in den Straßen des afghanischen Ortes Khost. © dpa

Der Umgang mit ehemaligen Hilfskräften der Bundeswehr ist desaströs.

„Die Welt hat Afghanistan aufgegeben“. So lautet das traurige Fazit eines Mannes, dem vor zwei Jahren die Flucht aus seinem Heimatland gelang. Leider ist der Eindruck tatsächlich nicht ganz von der Hand zu weisen. Im August 2021 war die Welt geschockt über den Fall von Kabul und die blitzartige Machtübernahme der Taliban nach dem Abzug der ausländischen Streitkräfte. Doch die Corona-Pandemie und der russische Überfall auf die Ukraine haben das Thema in der öffentlichen Aufmerksamkeit schnell überlagert.

Die humanitäre Katastrophe in Afghanistan ist jedoch inzwischen so groß, dass die Welt nicht länger wegsehen darf. Die Taliban haben die Menschen ins Elend gestürzt: Die Wirtschaft ist am Boden, jeder zweite Afghane muss hungern und Frauen wurden aus dem öffentlichen Leben verbannt. Das Regime nutzt die drastische Beschränkung der Frauenrechte gar als Druckmittel im Kampf gegen die westlichen Sanktionen.

Auch die deutsche Außenpolitik steht vor einem Scherbenhaufen. Zwei Jahre nach dem Abzug der Bundeswehr vom Hindukusch ist die Entwicklungshilfe eingefroren, um nicht die radikalen Taliban zu stützen. Von den demokratischen Errungenschaften der vorherigen 20 Jahre ist kaum etwas übrig geblieben. Bislang gibt es kein Konzept für den Umgang mit den Taliban. Da deren Herrschaft in absehbarer Zeit jedoch kaum enden wird, die Menschen vor Ort aber dringend Hilfe brauchen, wird auch Deutschland nichts anderes übrig bleiben, als zumindest gegenüber gemäßigten Vertretern Zugeständnisse zu machen.

Dauerhafte Veränderungen in Afghanistan hin zu mehr Freiheit und Demokratie werden allerdings nur möglich sein, wenn der Druck auf die Taliban von innen kommt - aus dem eigenen Land. Die Androhung von Haft, Folter und Hinrichtung dürften den Prozess zwar deutlich ausbremsen. Dass sich Demokratie aber von außen nicht überstülpen lässt, hat die Weltgemeinschaft gerade am Beispiel Afghanistans schmerzlich lernen müssen.

Desaströs ist auch der Umgang mit ehemaligen Hilfskräften der Nato-Truppen. Zwar konnten inzwischen 30 000 afghanische Ortskräfte und weitere besonders gefährdete Menschen nach Deutschland geholt werden. Doch Tausende warten noch im Ungewissen. Natürlich ist es schwer, festzulegen, wo die Grenze gezogen wird - etwa für Familienangehörige. Zumal Deutschland bei der Aufnahme von Flüchtlingen bereits an seine Grenzen stößt und sich die Integration von Menschen aus fremden Kulturkreisen als schwierig erweist. Doch wenn selbst Männer und Frauen, die von der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) als gefährdet eingestuft werden, weil sie der Bundeswehr am Hindukusch geholfen haben, noch immer auf ein Visum warten müssen oder gar abgewiesen werden, dann setzt Deutschland seine Glaubwürdigkeit aufs Spiel.

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