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Nancy Faeser über ihre Kandidatur: „Die Kritik berührt mich gar nicht“

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Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) im Exklusiv-Interview zu ihrer Kandidatur als hessische Ministerpräsidentin.

Friedewald - Nach ihrer einstimmigen Kür zur Spitzenkandidatin der hessischen SPD für die Landtagswahl im Oktober haben wir mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser am Rande des Parteigipfels in Friedewald über die bewegte vergangene Woche gesprochen, in der ihr viel Kritik entgegenschlug, sie zugleich aber auch große Zustimmung von ihren Genossen erfuhr. Was die 52-Jährige in Hessen als Ministerpräsidentin verändern möchte, erklärt sie im Interview.

Warum haben Sie nicht früher Ihre Entscheidung bekannt gegeben, zum einen, dass Sie in Hessen antreten und zum zweiten, dass Sie auf Sieg setzen und ansonsten in Berlin bleiben.

Ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht und verantwortlich abgewogen. Ich bin mit Leidenschaft Innenministerin. Es geht um die Kernthemen, die ich 15 Jahre lang bearbeitet habe. Und es macht mir große Freude, Dinge auf den Weg zu bringen. Aber mein Herz ist eben in Hessen. Also ist es eine Herzensentscheidung, die ich nun endgültig getroffen habe.

War es für Sie nicht schon bei Ihrem Amtsantritt als Innenministerin klar, dass Sie in Hessen antreten werden?

Nein. Es war ein großer Glücksfall, dass mich der Kanzler gefragt hat, in meinem Arbeitsgebiet Verantwortung zu übernehmen. Dieses Glück hat man vermutlich nur einmal im Leben. Deswegen habe ich diese Herausforderung gerne angenommen. Ich habe viel Erfahrung aus Hessen mitgebracht, und ich glaube, dass merkt man auch in Berlin.

Nancy Faeser beim Interview mit unserer Zeitung in Friedewald. FOTO: PeteR Jülich
Nancy Faeser beim Interview mit unserer Zeitung in Friedewald. © Peter Jülich

Nancy Faeser: „Hessen ist Herzenssache“

Warum möchten Sie dann trotzdem lieber als Ministerpräsidentin in die Landespolitik zurückkehren?

Wie gesagt: Hessen ist Herzenssache. Und als hessische Ministerpräsidentin könnte ich in viel breiter gefächerten Lebensbereichen Veränderungen herbeiführen. Ich möchte das Leben der Menschen verbessern.

In welchen Lebensbereichen?

Als Mutter eines Zweitklässlers ist es mir ein wirklich großes Anliegen, das Bildungssystem zu reformieren und der Bildungspolitik höchste Priorität einzuräumen. Ich möchte dafür Sorge tragen, dass wir genügend Lehrer haben, dass die Qualität an den Schulen eine sehr gute ist. Und dass nicht der Geldbeutel der Eltern darüber entscheidet, wie Kinder sich entwickeln. In Hessen ist es immer noch eng gekoppelt, dass Kinder aus gut situierten Familien auch einen guten Weg machen, für andere ist es schwer. Wir brauchen aber ein Bildungssystem, in dem alle die gleichen Chancen haben, egal wo man herkommt. Auch in Hessen würde ich außerdem einen Schwerpunkt auf die Innere Sicherheit legen.

Glauben Sie, dass Sie als hessische SPD-Kandidatin bei der Inneren Sicherheit punkten könnten? Bislang wurde das Thema eher der CDU zugeschrieben...

Innere Sicherheit ist für mich auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. Und die verkörpere ich, weil ich in diesem Verantwortungsbereich arbeite. Aber wir wollen als SPD ja eine Vielzahl von Themen voranbringen.

Welche?

In der Arbeitsmarktpolitik fordern wir gerechte Löhne für alle. Außerdem brauchen wir sichere, zukunftsfähige Arbeitsplätze. Wir wollen den Industriestandort stärken. Wir wollen auch im Dienstleistungssektor in Zukunft genügend Arbeitsplätze für die Menschen haben. Ein weiterer Schwerpunkt wird sein, für bezahlbaren Wohnraum zu sorgen. Zudem steht für uns auch die Sozialpolitik im Mittelpunkt, vor allem die Gesundheitspolitik. Ich möchte, dass die Menschen auch im ländlichen Raum leicht an einen Kinderarzt drankommen und nicht ewig fahren müssen, wie es jetzt Realität ist.

Wahlkämpferin Faeser: „Ich möchte Hessen verändern“

Das ist auch in Frankfurt schwierig...

Ja, auch im Rhein-Main-Gebiet ist es inzwischen schwierig, einen Kinderarzt zu finden - aber im ländlichen Bereich ist es inzwischen wirklich prekär. Das ist kein hinnehmbarer Zustand. Darum möchte ich mich kümmern. All das treibt mich an, ich möchte Hessen verändern.

Zur Person

Nancy Faeser ist seit Dezember 2021 Bundesinnenministerin und seit November 2019 hessische SPD-Landesvorsitzende sowie seit Freitag Spitzenkandidatin der SPD bei der Landtagswahl im Oktober. Von 2003 bis 2021 war sie Landtagsabgeordnete und von 2019 bis 2021 hessische SPD-Fraktionschefin. Die 52-Jährige lebt mit Mann und Sohn in Schwalbach. ch

Sie wirkten beim Hessengipfel etwas angefasst über die Missbilligung ihrer Doppelrolle als Innenministerin und als Wahlkämpferin in Hessen in den Tagen davor. Damit mussten Sie doch aber rechnen, oder?

Die Kritik berührt mich gar nicht. Ich war beim Hessengipfel zu Tränen gerührt, weil der Rückhalt meiner Partei überwältigend ist - noch größer, als ich gehofft hatte. Ich habe mich wahnsinnig darüber gefreut.

Die Kritik haben Sie also einkalkuliert?

Ja, na klar. Darüber mache ich mir keine Gedanken. Offensichtlich sind die Herren sehr nervös, was den Wahlkampf in Hessen betrifft. Sonst würde man das nicht so schrill thematisieren. Es ist eine demokratische Selbstverständlichkeit, aus einem Amt heraus zu kandidieren. Das gilt ja auch für den Ministerpräsidenten und für den Wirtschaftsminister in Hessen.

Faeser: „Ich habe einen guten Draht zu den Grünen“

Nun treten in Hessen drei starke Kandidaten an, die alle versichern, den Wahlkampf nicht mit persönlichen Anfeindungen führen zu wollen. Jeder sagt auch, der Wahlkampf müsse wegen der Krise kurz ausfallen. Wie wollen Sie sich trotzdem voneinander abgrenzen?

Ich gehe davon aus, dass es hauptsächlich eine Auseinandersetzung zwischen uns und der CDU Hessen wird, weil die CDU seit 1999 die Landesregierungen angeführt hat und deswegen verantwortlich ist für das, was heute nicht gut läuft. Es wird zum Beispiel große Unterschiede geben, wie man dem Rechtsextremismus entgegentritt. Ich bin sicher, das wird den Menschen auch auffallen.

Sie werten die Grünen also nicht als ernstzunehmenden Gegner. Die Gräben zwischen Ihren beiden Parteien scheinen inzwischen tief. Sind sie überwindbar?

Ich sitze in Berlin mit den Grünen gemeinsam in einer SPD-geführten Regierung...

Und mit den Kollegen in Wiesbaden?

Ich habe einen guten Draht zu den Grünen. Ich glaube nicht, dass es unüberwindbare Differenzen gibt. Ganz im Gegenteil.

Das Interview führte Christiane Warnecke.

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