Ein gesellschaftliches Dilemma

Ohne einen Eigenanteil geht es nicht.
Wir wollten es so, und es ist auch dringend nötig: Pflegekräfte werden seit 2022 endlich nach Tarif bezahlt. Und für die Betreuung Pflegebedürftiger gilt seit 1. Juli ein höherer Personalschlüssel. Ohne diese Verbesserung der Arbeitsbedingungen wäre es künftig kaum möglich, überhaupt noch genügend Personal zu finden, das sich um die steigende Zahl pflegebedürftiger Menschen kümmert.
Nun hat der Verband der Ersatzkassen die Quittung dafür vorgelegt: Der Eigenanteil für die stationäre Pflege steigt auf mehr als 2500 Euro im Monat. Ein gigantischer Preissprung von einem schon zuvor hohen Niveau, der viele Familien verzweifeln lässt.
Hier zeichnet sich ein eklatantes gesellschaftliches Problem ab: Alle wollen eine gute Pflege für sich selbst und ihre Angehörigen, aber die Beiträge sollen bezahlbar bleiben. Das politisch zu lösen ist eine Herkulesaufgabe. Die jüngste Pflegereform hat jedenfalls nur ein kleines Pflaster auf die Wunde geklebt, von einer Auflösung des Dilemmas sind wir allerdings weit entfernt.
Die Sozialverbände rufen nach dem Staat: Die Lohnkostensteigerung dürfe nicht allein auf dem Rücken der Pflegebedürftigen ausgetragen werden. Eine Pflegevollversicherung solle doch bitte alle Kosten übernehmen. Das aber wäre sozialpolitisch nicht vertretbar. Würde es doch bedeuten, dass auch reiche Pflegebedürftige ihr Kapital nicht antasten müssten und sie vom Staat unterstützt würden. Es wird also auch in Zukunft auf einen Mittelweg hinauslaufen müssen: Schon jetzt ist fast ein Drittel der Heimbewohner auf Sozialhilfe angewiesen. Für diese Menschen muss der Staat einspringen. Bitter wird es aber auch für Familien, die ein bisschen mehr haben - Ersparnisse oder ein Eigenheim. Für sie kann das bedeuten, dass bei längerer Pflegebedürftigkeit nichts mehr für den Ehepartner und andere Erben übrig bleibt.
Doch ohne Eigenbeiträge wird es nicht gehen. Ein weiter steigendes Preisniveau wäre allerdings für breite Bevölkerungsschichten nicht mehr zumutbar. Denn dann könnten dem Arbeitsmarkt weitere Fachkräfte verloren gehen, die zu Hause bleiben müssen, um ihre Angehörigen selbst zu pflegen.