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Ja, genau: Eine Schande

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An dem Tag, an dem sich Retter, die keine Retter mehr sind, sondern nur noch Berger, vor der italienischen Insel Lampedusa bemühen, ein paar Hundert Leichen, Frauen, Kinder, Männer, alle tot,

An dem Tag, an dem sich Retter, die keine Retter mehr sind, sondern nur noch Berger, vor der italienischen Insel Lampedusa bemühen, ein paar Hundert Leichen, Frauen, Kinder, Männer, alle tot, aus einem gekenterten Schiff zu ziehen, sagt knapp zweitausend Kilometer entfernt, in Berlin, der Sprecher des für Flüchtlinge zuständigen Bundesinnenministers, es gehe jetzt um „einen möglichst kohärenten, gebündelten, vernetzten Politikansatz“. Und niemand schreit: Nein! Es geht um Menschen!

Mehr als 50 Millionen sind weltweit auf der Flucht vor Krieg, Verfolgung, Armut, Ausbeutung und anderen Katastrophen, mehr als die Hälfte von ihnen ist noch nicht erwachsen. Die Zahl stammt von 2013, eine neuere kann selbst das zuständige Hilfswerk der Vereinten Nationen nicht nennen; nur einen Trend: steigend.

Und was tut Europa? Es lässt die Heimatlosen ersaufen. Und schaut zu. In die Glaspaläste von Brüssel und Straßburg gelangt das Elend gut gefiltert durch TV-Kameras und wohldosiert in Statistiken und Berichten. Die Ertrunkenen – oder was von ihnen noch übrig ist – verfangen sich an den Rändern des Kontinents in den Netzen der Mittelmeer-Fischer. Viele weigern sich deswegen längst, nachts noch hinauszufahren; sie ertragen nicht mehr, dass verwesende Köpfe und Glieder zwischen dem Fang Normalität geworden sind.

Normal sind auch all die Luftblasen, die bei jeder neuen Katastrophe aus den politischen Zentralen Europas und seiner Staaten blubbern. Aber was tun sie, die Merkels und Junckers, die de Maizières und Avramopoulos’? Nichts! Und dass Letzteren niemand kennt, wiewohl er der zuständige EU-Kommissar ist – wundert das noch irgendwen?

Zehn Millionen Euro monatlich für die höchst erfolgreiche italienische Lebensrettungsmission Mare Nostrum waren den anderen 27 zu viel Geld – und Rom wollte allein auch nicht mehr bezahlen. 120 Millionen für 150 000 gerettete Leben – nicht einmal 800 Euro ist den Europäern eine Syrerin wert, ein Eriträer, ein sudanesisches Kind. Lieber investiert man knapp ein Drittel in noch mehr Abschottung. Und gibt sich bei den Katastrophen zu Fluchtsaisonbeginn tief betroffen. Spätestens beim dritten Drama wird den Medien – und damit dem Publikum – das Thema langweilig werden; wie jedes Jahr.

Aber sie tragen Verantwortung, in Brüssel, Berlin, Stockholm, Prag. Und verweigern ihren Job: Regeln die Zuwanderung nicht, bieten Asylbewerbern kaum eine legale Chance, nach Europa zu gelangen. Und jammern parallel über das drohende demografische Desaster. Ach, wenn es bloß eine Blamage wäre für Europa, diese einstige Wiege von Kultur und Humanität. Aber der Papst hatte – und schlimmer: er hat noch immer Recht. Es ist eine Schande.

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