Glasgow: Zwei Staatsführer schwänzen Weltklimakonferenz

Staats- und Regierungschefs beraten in Glasgow über die weitere Umsetzung des Pariser Klimaabkommens.
Glasgow – Die Erwartungen an die über 120 Staatsoberhäupter, die am Montag (1.11.2021) zur Weltklimakonferenz im schottischen Glasgow* zusammenkommen, sind angesichts der Klimakrise groß. Ungeachtet des Drucks, deutlich mehr gegen die Erderwärmung zu tun, starten die Beratungen nach dem G20-Gipfel vom Wochenende aber unter schwierigen Vorzeichen. Gleich zweimal wird die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU*) zu den Teilnehmenden sprechen.
„Es ist eine Minute vor Mitternacht, und wir müssen jetzt handeln“, wird der Premier-Minister Boris Johnson* als Gastgeber laut vorab verbreiteten Redetextauszügen die COP 26 eröffnen. Zu lange habe die Menschheit beim Klima auf Zeit gespielt.
G20 – Kerngruppe der Staaten erreicht nur Minimalkonsens
Die wichtige Gruppe der G20, die für 80 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich sind, konnte sich am Wochenende in Rom nur auf einen Minimalkonsens einigen. Das Ziel wurde zwar bekräftigt, die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen, ein Zieldatum hingegen wurde nicht genannt. Auch bei der angestrebten CO₂-Neutralität konnten sich die Staaten nicht auf ein konkretes Datum einigen. Diese soll nun „bis zur oder um die Mitte des Jahrhunderts“ erreicht werden. Vor allem von Schwellenländern und Staaten mit großer Produktion fossiler Energien gab es Widerstand.
Umweltverbände und Klimaaktivisten kritisierten die Kompromisse als unzureichend. Auch UN-Generalsekretär António Guterrez zeigte sich unzufrieden: Er verlasse Rom mit „nicht erfüllten Hoffnungen“, schrieb er auf Twitter. Boris Johnson sprach zwar von Fortschritten beim G20-Gipfel, die würden aber nicht ausreichen. „Wenn Glasgow scheitert, dann scheitert die ganze Sache“, sagte er.
Angela Merkel nach G20: „Klareres Bekenntnis zu den 1,5 Grad“
Kanzlerin Angela Merkel* hingegen sprach nach dem G20-Gipfel von einem „guten Signal für Glasgow“. Nun gebe es ein „klareres Bekenntnis zu den 1,5 Grad“. Am Montag spricht sie im Plenum der Regierungschefs für Deutschland, danach hält sie eine kurze Rede zum Programmpunkt „Handeln und Solidarität“ – Die entscheidende Dekade“.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD*) sieht Deutschland in der Rolle eines Brückenbauers in Glasgow. „Wir haben die Expertise, die Erfahrung und die Vertrauensbasis, die Fortschritte auf solchen Konferenzen möglich machen“, sagte sie der Rheinischen Post vom Montag (1.11.2021). Im Kampf gegen Klimawandel könne Deutschland anderen Ländern helfen – finanziell, aber auch mit Erfahrungen. Auch betonte sie, dass Deutschland mit einem starken neuen und rechtsverbindlichen Klimaziel nach Glasgow komme: „Wir werden 2045 klimaneutral, das sind fünf Jahre früher als die EU.“
COP 26: Konferenz sei „letzte Hoffnung“ für Pariser Klimaabkommen
Am Sonntag hatte die zweiwöchige COP 26 mit eindringlichen Appellen begonnen. Die Konferenz sei die „letzte“ Hoffnung, um das 1,5-Grad-Ziel noch zu erreichen, sagte ihr Präsident Alok Sharma. IWF-Chefin Kristalina Geogieva warnte in einem Internet-Beitrag vor der „großen Bedrohung für die makroökonomische und finanzielle Stabilität“ durch den Klimawandel und forderte von allen ehrgeizigere Maßnahmen.
In Glasgow werden 197 Nationen über die weitere Umsetzung des Pariser Klimaabkommens verhandeln. Mit Chinas Staatsoberhaupt XI Jinping und Russlands Staatschef Wladimir Putin* fehlen aber die Führer zweier großer Treibhausgas-Emittenten, US-Präsident Joe Biden* wird hingegen vor Ort sein. Es wird mit Spannung darauf gewartet, ob der indische Regierungschef Narendra Modi am Montagmittag ehrgeizigere Klimaziele für sein Land ankündigt. Dies könnte den Druck auf China* erhöhen.
Pariser Klimaabkommen: 1,5 Grad Begrenzung nach Experten weiter möglich
Das Pariser Klimaabkommen sieht die Begrenzung der Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter um idealerweise 1,5 Grad vor. Fachleute der UNO warnen jedoch*, dass die Erde derzeit auf einer Erwärmung von 2,7 Grad in diesem Jahrhundert zusteuert. Nur wenn die weltweiten Emissionen bis zum Ende dieses Jahrzehnts halbiert werden und spätestens 2050 Klimaneutralität erreicht wird, kann das 1,5-Grad-Ziel nach Ansicht von Experten noch erreicht werden. (Lukas Zigo/AFP) *fr.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.