Ringen um EU-Agrar-Milliarden: SPD-Plan elektrisiert Greta Thunberg - doch Grüner vermutet bloßes „Theater“

In Brüssel naht am Freitagnachmittag der nächste kleine Showdown um die EU-Agrar-Milliarden. Greta Thunberg schöpft dank der SPD Hoffnung - doch ein Grüner hat einen Dämpfer parat.
Brüssel/Berlin - Sehr, sehr lange hat die EU um einen neuen Plan für die milliardenschweren Agrar-Subventionen gerungen. Mittlerweile liegt ein Kompromiss auf dem Tisch. Die Bauern und Ministerin Julia Klöckner sind zufrieden, Umweltschützer aber entsetzt. Von einer „Katastrophe für den Natur- und Klimaschutz“ sprach etwa der WWF. Noch am Freitag soll im Europaparlament eine Position zur Reform abgestimmt werden.
Greta Thunberg elektrisiert: SPD kündigt Widerstand gegen EU-Pläne an
Doch kommt nun noch einmal alles anders? Die SPD im Europaparlament hat am späten Donnerstagabend überraschend ihren Widerstand gegen das Paket angekündigt. „Unsere roten Linien wurden fast alle gerissen“, erklärte die stellvertretende Parlamentspräsidentin Katarina Barley am Freitag auf Twitter. In einem Posting der Partei heißt es: „Wir stimmen dagegen.“ Unter anderem Klimaschutzikone Greta Thunberg* reagierte nahezu elektrisiert.
„Das zeigt, dass die Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik noch nicht verloren ist“, schrieb sie am Freitag. Es gebe für den Beschluss keine Argumente mehr - abgesehen von Interessen der Lobby. Sie forderte die Aktivisten zum Kampf auf. Ganz anders sah die Lage allerdings der Grüne*-Europapolitiker Sven Giegold.
Grüner hat Dämpfer für Greta Thunberg: SPD-Ankündigung nur „unglaubwürdiges Theater“?
Giegold sprach von einem „unglaubwürdigen Theater“ der Sozialdemokraten. Die SPD habe - mit der bayerischen Abgeordneten Maria Noichl - nicht nur die Verhandlungsführung ihrer Fraktion gestellt, sondern auch schlechte Kompromisse gemacht. Zugleich sei weder die Mehrheit der sozialdemokratischen S&D im Europaparlament überzeugt worden - noch sei eine Mehrheit gegen die aktuellen Agrar-Pläne in Aussicht. Das kühle Fazit des Grünen: „Symbolpolitik ohne Wirkung“.
Das Europaparlament stimmt seit Dienstag über die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) für die kommenden Jahre ab - ein Ergebnis wird gegen 17 Uhr erwartet. Nach der Abstimmung an diesem Freitagmittag sollte es dann mit der endgültigen Position in die Verhandlungen mit den EU-Staaten gehen. Weite Teile der nun vorliegenden Position hatte Noichl mit der christdemokratischen und der liberalen Fraktion ausgehandelt. Sie erklärte nun jedoch: „Wir haben bis zur letzten Minute für eine ambitionierte europäische Agrarpolitik gekämpft.“ Aber: „Unsere rote Linie, die Agrarpolitik an den Europäischen Green Deal zu binden, wurde gerissen.“
EU-Agrar-Milliarden: Kompromiss nach Marathon-Sitzung - Ökonom spricht von „herber Enttäuschung“
Die EU-Landwirtschaftsminister hatten sich in Marathonverhandlungen auf eine Reform der gemeinsamen Agrarpolitik geeinigt. Sie soll den Schutz von Umwelt und Klima stärker berücksichtigen soll. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) sprach von einem „Meilenstein“. Sie räumte aber auch ein, dass es sich um einen Kompromiss handle. „Bevor wir keine Einigung bekommen hätten, haben wir eine Brücke geschlagen“, sagte sie.
Jedes Land soll einen Mindestanteil von 20 Prozent der EU-Direktzahlungen an die Teilnahme der Landwirte an Umweltprogramme knüpfen. Betriebe erhalten zusätzliche Mittel, wenn sie über die grundlegenden Klima- und Umweltauflagen der EU hinausgehen - etwa mit Blühstreifen oder Feuchtwiesen. Vorgesehen ist eine zweijährige „Lernphase“, während der die für Umweltprogramme reservierten Mittel auch anders abgerufen werden können. Auch Noichl hatte das als „bodenlose Frechheit“ bezeichnet, wie Merkur.de* berichtete.
Der Ökonom Friedrich Heinemann vom Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung nannte den Kompromiss eine „herbe Enttäuschung“. Milliarden Euro würden weiterhin an oftmals wohlhabende Landwirte und Agrarunternehmen überwiesen, ohne dass dafür nennenswert höhere Leistungen zugunsten von Klima, Umwelt und Tierwohl erbracht werden müssen. Die Details der Öko-Regelungen würden den Mitgliedstaaten überlassen - „dies wird zu einem Wettlauf nach unten bei den Öko-Auflagen führen“. (fn/dpa/AFP) *Merkur.de ist Teil des Ippen-Digital-Netzwerks.