„Meine persönliche Meinung ...“: Habeck geht bei der EU auf Atom-Konfrontationskurs

Robert Habeck fährt nach Brüssel. Ein Schwerpunkt der Gespräche dürfte die von der EU geplante Einstufung von Gas und Atomkraft als klimafreundlich sein.
- Robert Habeck (Grüne*) reist am Dienstag erstmals in seiner Funktion als Mitglied der Bundesregierung nach Brüssel.
- Gesprächsthema sind die Rahmenbedingungen für eine grüne und digitale Transformation der EU (siehe Vorbericht).
- Nach einem Treffen mit Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen machte Habeck keinen Hehl aus seiner Haltung zur geplanten EU-Taxonomie. (Update vom 25. Januar, 16.35 Uhr)
Update vom 25. Januar, 16.35 Uhr: Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat in Brüssel das Nein der Bundesregierung zur Einstufung von Atomkraft als nachhaltige Energiequelle bekräftigt. „Ich hoffe, dass die Kommission unseren Empfehlungen und Bemerkungen folgen wird, dass Kernenergie keine nachhaltige Energie ist“, sagte Habeck am Dienstag nach einem Treffen mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Die Kommission will Erdgas und Atomenergie unter bestimmten Auflagen als „grüne“ Energien einstufen.
Dies käme einer Empfehlung an Finanzinvestoren gleich, in Atom- und Gasanlagen zu investieren. Voraussichtlich ab der kommenden Woche will die Kommission ihren endgültigen Vorschlag vorlegen. Seine „persönliche politische Meinung“ sei, dass „Deutschland mit Nein stimmen sollte“, falls Atomenergie „in der Form, wie sie jetzt da drin steht“ Teil des Vorschlags bleibe, betonte Habeck.
Die positive Einstufung des fossilen Energieträgers Erdgas kritisierte Habeck auch in Brüssel nicht. Er bekräftigte aber, dass Gaskraftwerke ab 2035 auf grünen Wasserstoff umgestellt werden sollten. Dafür forderte er einen Ausbau der Wasserstofftechnik in Europa.
Der Wirtschaftsminister setzte sich zudem bei seinen Treffen mit weiteren Vertretern der EU-Kommission wie den Kommissionsvizepräsidenten Margrethe Vestager, Valdis Dombrovskis und Frans Timmermans für einen schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien ein. Im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt sei zu sehen, „dass sich geopolitische und sicherheitspolitische Fragen“ mit der Klimapolitik „verbinden“ würden, sagte Habeck weiter. „Der Ausstieg aus der Verbrennung von fossilen Energien stärkt Europa auch geopolitisch und schützt das Klima.“ Durch die Spannungen mit Russland gibt es in Europa die Sorge, dass eine Versorgungssicherheit mit Gas in einem sich zuspitzenden Konflikt nicht gegeben wäre.
Habeck reist nach Brüssel: Konflikt droht - Grünen-Minister bekommt vor Besuch Schützenhilfe
Vorbericht vom 24. Januar: Brüssel/Berlin - Robert Habeck* (Grüne), Bundesminister für Klimaschutz und Wirtschaft, reist am Dienstag (25. Januar) zum Antrittsbesuch nach Brüssel. Das teilte eine Sprecherin des Ministeriums am Montag in Berlin mit. In Brüssel ist demnach ein Treffen mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen* und Vizepräsidentin Margrethe Vestager geplant. Habeck werde auch Gespräche mit anderen Kommissionsmitgliedern führen, darunter mit den Exekutiv-Vizepräsidenten Frans Timmermann und Valdis Dombrovskis, mit Binnenmarkt-Kommissar Thierry Breton sowie Energie-Kommissarin Kadri Simson.
Gesprächsthemen sind Angaben der Sprecherin zufolge die künftige Zusammenarbeit und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die für eine grüne und digitale Transformation der Europäischen Union nötig seien.
Antrittsbesuch von Robert Habeck in Brüssel: Widerstand gegen EU-Pläne zur Atomkraft
Für Konfliktpotenzial bei Habecks Brüssel-Reise dürfte der Vorstoß der EU-Kommission sorgen, im Rahmen der sogenannten Taxonomie Gas und Atomkraft als förderungswürdige Übergangstechnologien einzustufen. Taxonomie ist eine Art Katalog für klimafreundliche Investitionen, der die Klimawende ankurbeln soll.
Der Vorschlag der EU-Kommission hatte heftigen Widerstand in der Bundesregierung hervorgerufen. Sie hat in ihrer Stellungnahme an die EU-Kommission eine Einstufung von Atomkraft als nachhaltige Energiequelle abgelehnt. Unterstützung dagegen gibt es für eine entsprechende Einstufung von Erdgas als sogenannte Brückentechnologie, wenn entsprechende Anpassungen vorgenommen werden. Auch Habeck hat sich dazu geäußert. Gemeinsam mit Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) fordert er die EU-Kommission zu Änderungen an ihren Plänen auf.
Kritik an den EU-Plänen zur Taxonomie: Plattform für nachhaltige Finanzen geht auf Konfrontation
Unterstützung bekommt Habeck teils nun von Klimaexperten und Unternehmen, die die EU-Pläne zu Gas und Atomkraft heftig kritisieren. Das geht aus einer Stellungnahme der sogenannten Plattform für nachhaltige Finanzen hervor, die am Montag veröffentlicht wurde. Zu der Plattform gehören Umweltorganisationen wie der WWF, Wissenschaftler sowie Unternehmen wie Airbus. Sie beraten die Kommission bei der Taxonomie-Erstellung.
„Die Kommission* muss der Wissenschaft zuhören und ihren Vorschlag fallenlassen“, sagte Sebastien Godinot vom WWF. Fossiles Gas generiere viele Emissionen und Atomkraft produziere hoch radioaktiven Müll, mit dem man immer noch nicht umgehen könne.
Kritik an den EU-Plänen zur Taxonomie: Atomkraft soll auf keinen Fall aufgenommen werden
Konkret kritisieren die Experten die Auflagen, unter denen Investitionen in Gaskraftwerke als klimafreundlich gelten sollen. Die Kommission schlägt vor, neue Gaskraftwerke bis 2030 als „grün“ zu kennzeichnen, wenn sie Emissionen von insgesamt bis zu 550 Gramm Kohlenstoffdioxid (CO2) pro Kilowattstunde haben. Die Experten fordern, den Grenzwert auf 100 Gramm CO2 pro Kilowattstunde zu senken. Dabei handelt es sich um einen neutralen Grenzwert, der für alle anderen Technologien gilt.
Atomkraft dagegen sollte wegen möglicher „signifikanter Schäden“ für die Umwelt erst gar nicht in die Taxonomie aufgenommen werden, heißt es in der Stellungnahme. Die Kommission hatte vorgeschlagen, neue Atomkraftwerke als nachhaltig zu klassifizieren, wenn bis 2050 ein konkreter Plan für die Endlagerung radioaktiven Abfalls vorliegt.
Kritik an den EU-Plänen zur Taxonomie: Investoren könnten verunsichert werden
Die Experten der Plattform für nachhaltige Finanzen kritisieren, es sei unklar, wie die vorgeschlagenen Kriterien für Atomkraft und Gas überprüft werden sollen. Die existierende grüne Taxonomie sei ursprünglich nicht für Übergangstechnologien gedacht gewesen, so der Bericht. Die Plattform arbeite dafür gerade an einer „bernsteinfarbenen“ Kategorie für die Taxonomie.
„Gas als grün zu kennzeichnen, würde die ganze Taxonomie-Initiative untergraben“, sagte Mathilde Crêpy von der Organisation ECOS, die Teil der Plattform ist, der dpa. Das werde es sehr schwer für Investoren machen, wirklich sicherzustellen, dass ihre Investitionen „grün“ und tatsächlich nachhaltig seien. (mhof/dpa) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA