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Was wusste die CSU? Aiwanger beschwerte sich bereits bei Seehofer über Bespitzelung

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Die Flugblatt-Affäre bringt Hubert Aiwanger in Bedrängnis. Ministerpräsident Söder fordert umfassende Aufklärung. Doch ganz neu ist der Fall für die CSU nicht.

München – Antisemitisches Flugblatt und Hitlers Buch „Mein Kampf“ in der Tasche, dazu judenfeindliche Witze: An der demokratischen Gesinnung von Hubert Aiwanger (Freie Wähler) bestehen seit Tagen erhebliche Zweifel. Wegen Anschuldigungen aus seiner Schulzeit ist der Vize-Ministerpräsident von Bayern unter Rechtfertigungszwang geraten. Allen voran Ministerpräsident Markus Söder (CSU) fordert eine deutliche Klarstellung. Doch nun kommt heraus: In einigen Teilen der bayerischen Regierungspartei dürfte die Vergangenheit des Regierungspartners schon seit einigen Jahren bekannt sein.

Flugblatt-Affäre: Aiwanger forschte bei Seehofer bereits wegen möglicher Bespitzelung aus

So soll sich Hubert Aiwanger bereits im Jahr 2008 bei dem damaligen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) über eine vermeintliche Ausleuchtung seiner Schulzeit beschwert haben. Das berichtet der Spiegel unter Berufung auf Zeugenaussagen zur Flugblatt-Affäre und interne Vermerke. Zuvor soll ein CSU-Mitarbeiter und ehemaliger Mitschüler von Hubert Aiwanger bei einem Klassentreffen am Burkhart-Gymnasium in Mallersdorf-Pfaffenberg gesagt haben, dass man den Politiker mit seinen politischen Inhalten aus der Schulzeit „fertig machen müsste“. 

Schatten der Vergangenheit: 2008 soll sich Hubert Aiwanger beim damaligen Ministerpräsidenten Horst Seehofer über Nachforschungen beklagt haben.
Schatten der Vergangenheit: 2008 soll sich Hubert Aiwanger beim damaligen Ministerpräsidenten Horst Seehofer über Nachforschungen beklagt haben. © Andreas Gebert/dpa

Konkret ging es dem Bericht zufolge um ein Abitreffen am 25. Oktober 2008 – nur wenige Tage nach der Landtagswahl, bei der Aiwangers Partei erstmals in den Landtag eingezogen war. Dementsprechend wurde auch an den Tischen über den politischen Aufstieg des ehemaligen Mitschülers gesprochen. Lehrer sollen dabei den Hinweis gegeben haben, dass Aiwanger schon damals „ein politischer Mensch gewesen sei und dadurch Aufmerksamkeit erregt habe“. Wenig später stieß ein CSU-Mitarbeiter hinzu, der ebenfalls Mitglied des Abiturjahrgangs gewesen sei. Dieser soll dann gesagt haben, dass man sich mal die Schulakte von Aiwanger besorgen müsste.

Notiert wurde das Gespräch von einem anderen Klassenkameraden, der aber ein Unterstützer der Freien Wähler war und der seinen Parteichef von den Vorgängen an seiner Schule in Kenntnis gesetzt habe. Daraufhin soll Aiwanger sich bei Seehofer einen Termin geholt und ihn wegen einer möglichen Ausforschung befragt haben.

Pikante Vergangenheit: Seehofer bestätigt Gespräch mit Aiwanger

Seehofer bestreitet das Gespräch mit Aiwanger nicht. Dem Spiegel erklärte er: Er könne „nicht ausschließen, dass Herr Aiwanger damals gesagt hat, es werde eine unsägliche Kampagne gegen ihn geführt“. Ihm sei aber auch „nicht erinnerlich, dass ich einen Auftrag gegeben hätte oder belastbare Informationen bekommen hätte, in der Richtung, wie sie heute über Herrn Aiwanger auf dem Tisch liegen“, so Seehofer. Fest steht aber, dass Aiwanger kurz nach dem Gespräch eine offizielle Stellungnahme des CSU-Mitschülers bekam. Darin ist vermerkt, dass es keinerlei Nachforschungen zu seiner Schul-Vergangenheit gegeben habe oder dass die Einsicht in Schulakten beantragt worden sei. Dem Nachrichtenblatt liegt nach eigenem Bekunden die Stellungnahme vor.

Zuvor hatte die CSU-Spitze stets betont, dass ihr die Vorwürfe in der Flugblatt-Affäre gegen Aiwanger nicht bekannt seien und es auch keinerlei Akten zu dem Fall gebe – was auch trotz des nun bekanntgewordenen Details stimmen kann. Denn aus den jetzt vorliegenden Vermerken geht nicht hervor, was genau zu der Schulzeit von Aiwanger besprochen wurde – noch ob es von Seehofer weitergegeben wurde. Dennoch muss einem größeren Kreis ein Teil der Anschuldigungen bekannt gewesen sein. Denn auch an anderer Stelle, nämlich bei alten Lehrern, wurde Aiwanger bereits 2008 mit Nachfragen vorstellig.

Antisemitisches Flugblatt und „Mein Kampf“ in der Tasche: CSU fordert Aufklärung

Aiwanger hatte am Samstag schriftlich zurückgewiesen, als Schüler in den 1980ern ein antisemitisches Flugblatt verfasst zu haben, über das die Süddeutsche Zeitung berichtet hatte. Gleichzeitig räumte er aber ein, es seien „ein oder wenige Exemplare“ in seiner Schultasche gefunden worden. Kurz darauf gestand Aiwangers älterer Bruder, das Pamphlet geschrieben zu haben. Doch danach tauchten immer mehr Vorwürfe von alten Weggefährten auf. So berichteten ehemalige Mitschüler auch davon, dass Aiwanger gerne judenfeindliche Witze erzählt und auch Hitlers Buch „Mein Kampf“ in der Tasche gehabt haben soll.

Unabhängig überprüfen lässt sich das nicht. Söder, der zusammen mit den Freien Wählern regiert, hatte Aiwanger am Dienstag aufgefordert, 25 Fragen zu den Vorwürfen zeitnah schriftlich zu beantworten. In Bayern wird am 8. Oktober ein neuer Landtag gewählt. Einen Rücktritt lehnt Aiwanger ab. (jkf)

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