Schattenkrieg zwischen USA und Iran droht zu eskalieren
Die USA und Iran-nahe Gruppen bekämpfen sich im Nahen Osten. Die Scharmützel drohen sich zu einer umfassenden Krise auszuweiten.
Teheran – Die USA haben nach Angriffen auf amerikanische Ziele im Nahen Osten in den vergangenen Wochen mehrere Vergeltungsschläge auf mit dem Iran verbundene Milizen durchgeführt. Die Operationen zielen nach Angaben aus Washington darauf ab, weitere Angriffe auf US-Streitkräfte in der Region abzuschrecken.
Laut einem Bericht der Agentur Associated Press (AP) waren US-Militärstützpunkte erst am Freitag (17. November) erneut Ziel von drei Angriffen im Irak und in Syrien geworden. Nun gibt es Sorge davor, dass die Reaktionen der USA eine umfassendere Eskalation mit dem Iran auslösen könnten.
USA und Iran im Konflikt im Nahen Osten
Bislang konnten die USA eher vorsichtige Gegenangriffe ohne massive eskalierende Reaktion des Iran unternehmen. Doch das Hin und Her – und die anhaltenden Angriffe gegen US-Streitkräfte in der Region – könnten den Weg für weitere Vorfälle und Missverständnisse ebnen, wie Brian Finucane, ein ehemaliger Berater des US-Außenministeriums, dem Newsportal The Daily Beast erklärte.

„Auf beiden Seiten gibt es viel Raum für Fehleinschätzungen oder Missgeschicke“, sagte Finucane. „Wenn bei einem Angriff US-Soldaten getötet würden, könnten die USA das Gefühl haben, dass sie ihre Reaktion noch verstärken müssen, möglicherweise bis hin zur direkten Bekämpfung von IRGC-Personal, was die Regierung bisher nicht getan hat.“ Die Abkürzung IRGC steht für „Islamic Revolutionary Guard Corps“, also die „Islamischen Revolutionsgarden“ des Iran.
USA wollen Ausweitung des Kriegs in Israel verhindern
Die USA wollen mit den Angriffen auf mit dem Iran verbundene Ziele auch ein Übergreifen des israelischen Krieges gegen die Hamas im Gazastreifen zu verhindern. „Der Präsident hat keine höhere Priorität als die Sicherheit des US-Personals und er hat die heutige Aktion angeordnet, um deutlich zu machen, dass die Vereinigten Staaten sich selbst, ihr Personal und ihre Interessen verteidigen werden“, sagte Verteidigungsminister Lloyd Austin in einer Erklärung am Sonntag (19. November).
US-Beamte mahnen den Iran und seine Stellvertreter seit Wochen, sich aus dem Krieg in Israel herauszuhalten. Unterdessen haben mit dem Iran verbundene Kräfte seit Mitte Oktober fast täglich Angriffe gegen US-Streitkräfte in Syrien und im Irak gestartet.
Ein US-Kriegsschiff schoss im Oktober mehrere Raketen und Drohnen ab, die die vom Iran unterstützten Huthis aus dem Jemen abgefeuert hatten. Am Sonntag haben Huthi-Rebellen aus dem Jemen nach eigenen Angaben ein israelisches Schiff im Roten Meer gekapert. Die Rebellen hätten das Schiff beschlagnahmt und an die jemenitische Küste gebracht, erklärte der Militärsprecher der Huthis, Jahya Saree, im Onlinedienst X. Das israelische Militär wies die Darstellung umgehend zurück und erklärte auf X, es handele sich nicht um ein israelisches Schiff.
Nach Ansicht Finucanes streben weder die USA noch der Iran einen größeren Krieg an. Der Iran versuche sich derzeit an dem Drahtseilakt, die Unterstützung Israels durch die Vereinigten Staaten einzudämmen, dabei aber keinen größeren Krieg auszulösen – keine leichte Aufgabe, so Finucane laut The Daily Beast. „Der Iran bewegt sich hier auf einem schmalen Grat: Einerseits will er den Druck auf die USA aufrechterhalten, auch als Reaktion auf die US-Unterstützung für Israel in Gaza, aber er selbst will keinen regionalen Krieg.“
Irans Angriffe auf US-Streitkräfte nehmen zu
Die Gegenschläge hätten dazu beigetragen, ein Übergreifen des Krieges in Israel auf die Region zu verhindern, sagte die stellvertretende Pressesprecherin des Pentagons, Sabrina Singh. „Dieser Krieg beschränkt sich auf Israel und den Gazastreifen. Wir wollen keinen größeren regionalen Konflikt sehen“, betonte sie. „Bis heute ist das nicht passiert. Wir haben nicht gesehen, dass dieser Krieg auf andere Nachbarländer und die Region übergegriffen hat.“
Aber laut Finucane zeige die Zunahme der Angriffe auf US-Streitkräfte in der Region etwas anderes: Man könne argumentieren, dass die Angriffe des Iran auf US-Streitkräfte in der Region ein Übergreifen des Israel-Hamas-Krieges darstellen. Seit dem Amtsantritt von Präsident Joe Biden bis Ende März haben Verbündete des Irans 83 Mal US-Streitkräfte angegriffen. Die Zahl der mit dem Iran in Verbindung stehenden Angriffe auf US-Streitkräfte allein seit dem 7. Oktober belaufe sich auf etwa 60, berichtete das Militärmagazin Task & Purpose.
USA wollen Iran ihre Botschaft klarmachen – ohne Erfolg?
Die USA haben zusätzliche Anstrengungen unternommen, um ihre Botschaft an den Iran zu übermitteln. Laut The Daily Beast entsandte Washington zwei Flugzeugträgerangriffsgruppen in die Region, außerdem wurden zahlreiche öffentliche Erklärungen abgegeben.
US-Außenminister Tony Blinken reiste zuletzt in den Irak, um sich mit dem irakischen Premierminister Mohammed Shia Al-Sudani zu treffen. Er forderte ein hartes Vorgehen gegen Milizen im Land, um eine Eskalation zu verhindern.
Um jedoch eine Eskalationsspirale zu verhindern, täten die USA gut daran, über andere Schritte nachzudenken, die über eine verstärkte Präsenz, Diplomatie und Gegenangriffe hinausgehen und gemäßigten Haltungen zur Durchsetzung verhelfen könnten, erklärte Finucane – etwa über einen stillen Truppenabzug aus der Region. (Sonja Thomaser)