„Schwierige Phase“: Unterstützung sinkt – Letzte Generation und Fridays for Future in der Krise

Für morgen rufen Fridays for Future zu Protesten auf, ab Montag will die Letzte Generation Berlin lahmlegen. Aber die Teilnehmerzahlen bei Demos sinken.
Für den morgigen Freitag, 15. September, mobilisieren sich Fridays for Future (FFF) und andere Teile der Klimabewegung wieder zu Demos und Aktionen weltweit. Aktivistinnen und Aktivisten der Letzten Generation wollen ab Montag die Hauptstadt lahmlegen. Auch in anderen Ländern und bei der UN-Generalversammlung in New York sind Demonstrationen geplant. Sie fordern vor allem den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen.
Zufrieden sind die oft jungen Aktivistinnen und Aktivisten mit den Konsequenzen ihres Protests nicht: „Die Klimabewegung erlebt eine schwierige Phase“, fasst Greta Waltenberg zusammen. Sie ist 21 Jahre alt und macht Kampagnenarbeit für Fridays for Future. Seit fünf Jahren demonstrieren junge Menschen mit der Bewegung für Klimaschutz. Schaffte es Fridays for Future im Herbst 2019, in Deutschland 1,4 Millionen Menschen auf die Straße zu bringen, so sprach die Bewegung selbst nach der letzten Großdemo im März nur noch von 220.0000 Teilnehmenden bundesweit.
„Ein harter Kern ist noch dabei, aber wir hatten schon mal die Aufmerksamkeit von mehr Menschen“, meint auch Romie Niedermayer. Die 21-Jährige arbeitet unter anderem mit der Jugendklimabewegung YOUNGO zu internationaler Klimapolitik. Mit der Pandemie brach die Aufmerksamkeit für die Bewegung ein, bis heute haben sich die Zahlen nicht wieder erholt.
Dabei kann die Bewegung in Deutschland Teilerfolge verzeichnen:
- Die Ampelkoalition prüft aktuell einen früheren Kohleausstieg bis 2030.
- Das Bundesverfassungsgericht urteilte, auf Klage unter anderem von FFF, dass Teile des Klimaschutzgesetzes verfassungswidrig sind.
- Laut Aktivistin Waltenberg sei Klima zu einem „Top-Thema“ geworden.
Trotzdem scheinen sich immer weniger Menschen für die Proteste zu interessieren: „Zum Teil ist die sinkende Aufmerksamkeit normal für soziale Bewegungen“, erklärt der Protestforscher Dieter Rucht. Erfolg von Protest werde in immer steigenden Zahlen gemessen, schon eine Stagnation sei eine Art von Niederlage. Das demotiviert einige der Aktivisten – und radikalisiert andere.
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Dieser Artikel liegt IPPEN.MEDIA im Zuge einer Kooperation mit dem Climate.Table Professional Briefing vor – zuerst veröffentlicht hatte ihn Climate.Table am 14. September 2023.
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Mehr Polizei, weniger Akzeptanz
In Deutschland klebt sich die Gruppierung Letzte Generation auf die Straßen, Just Stop Oil oder Exctinction Rebellion wählen in Großbritannien ähnliche Methoden des zivilen Ungehorsams. Mit Folgen: Seit 2020 hat sich weltweit der Anteil von Polizeieinsätzen bei Klimaprotesten fast verdoppelt, das zeigen Daten der Nichtregierungsorganisation Armed Conflict Location and Event Data Project. Demnach gibt es inzwischen bei knapp 40 Prozent der Proteste Polizeiinterventionen.
Das ist aber nicht die einzige Veränderung: Laut einer Umfrage der Nichtregierungsorganisation More in Common hat sich die Unterstützung der Klimabewegung in Deutschland von 2021 bis 2023 von 68 auf 34 Prozent halbiert. Auch eine Umfrage des Meinungsforschungsunternehmen Civey kam zu einem ähnlichen Ergebnis. Wohl auch wegen solcher Zahlen tun sich viele Teile der Klimabewegung schwer mit Gruppierungen wie der Letzten Generation. Die meisten Aktivisten halten sich mit offener Kritik zurück, bemängeln aber schlechte Kommunikation und mangelnden Kooperationswillen. Nicolò Wojewoda, Regionaldirektor bei der NGO 350.org, kritisiert, ziviler Ungehorsam werde „überbeansprucht“. Protestforscher Rucht ist weniger zurückhaltend mit seiner Kritik: Ziviler Ungehorsam sei zwar grundsätzlich ein legitimes Mittel, die Aktionen der Letzten Generation seien aber schlecht organisiert, nicht zielgerichtet genug und die Symbolik sei „weit hergeholt“.
Zukunft von Klimaprotest
„Die Klimabewegung steht aktuell an einem entscheidenden Punkt“, sagt Wojewoda. „Klima gehört inzwischen zu den ganz wichtigen Themen und wir haben die Grenzen von dem, was wir mit unseren aktuellen Methoden schaffen können, erreicht“. Es brauche nun andere Ansätze und Lösungen, die politische und vor allem ökonomische Aspekte mit einbeziehen: „Wir müssen den Menschen die positiven Auswirkungen von Klimaschutz zeigen“, erklärt er. Gerade vor dem Hintergrund steigender Kosten müsse die Klimabewegung zeigen, dass sich Klimaschutz auch finanziell lohne. Klimaschutz müsse als Schnittpunkt zu Wohlbefinden und Wohlstand gesehen werden. Wenn die Klimabewegung das fokussiere, könne sie größere Erfolge erzielen.
Wissenschaftler Rucht ist pessimistischer: „Es gibt keinen Königsweg für die Zukunft“, sagt er. Aktuell nehme zwar ein großer Teil der Bevölkerung Klimaschutz als wichtig war, aber immer weniger unterstützen beispielsweise die Methoden der Letzten Generation. Die zunehmende Radikalisierung sei kontraproduktiv. Wenn der gesellschaftliche Rückhalt falle, sänken auch die politischen Handlungsmöglichkeiten. Er glaubt, dass nur „äußere, gravierende Ereignisse“, die die Auswirkungen der Klimakrise zeigen, dafür sorgen können, dass Klimaprotest wieder ernster genommen wird.
Demonstrationen bleiben weltweit wichtig
Trotz allem – viele Aktivistinnen und Aktivisten halten an den großen Demonstrationen als wichtiges Zeichen fest und finden globale Klimastreiks wichtig. Die könnten zeigen, wie viele Menschen hinter den Protesten stehen, so Greta Waltenberg. Für Romie Niedermeyer ist wichtig, dass sich bei den Protesten die Vielfalt der Klimabewegung zeigt: „Wir sind so viel mehr als die Letzte Generation und Fridays For Future“.
Nicht nur in Europa gibt es in den kommenden Tagen Proteste, rund um die Welt organisiert sich die Klimabewegung, um einen raschen Ausstieg aus den fossilen Industrien zu fordern. Darunter sind folgende Aktionen:
- In Pakistan werden mehr als 3.000 Teilnehmende für den Pakistan Climate March erwartet.
- In Abuja, Nigeria, sollen rund 100.000 Demonstrierende zum Global March to End Fossil Fuels kommen.
- Aktivisten und Aktivistinnen in Ecuador wollen am Freitag eine Kommission vorstellen, die die Umsetzung des Referendums zum Stopp von Ölbohrungen im Yasuní-Nationalpark überwacht.
- In New York, USA, findet am Sonntag ebenfalls ein March to End Fossil Fuels statt. Mehr als 10.000 Menschen werden erwartet.