Befeuert die FDP den AfD-Höhenflug? Liberaler ringt bei Lanz um klare Worte
Das Heizungsgesetz von Habeck kommt doch. Doch die Ampel wirkt zerrissen - und die AfD frohlockt. War es das wert? Das will Markus Lanz von der FDP wissen.
Hamburg – Der Streit scheint beendet: Nach großem Ampel-Zoff soll das Heizungsgesetz von Robert Habeck (Grüne) nun doch noch vor der Sommerpause verabschiedet werden. Für viele eine Überraschung. Für die FDP auch? Das willl Markus Lanz zum Einstieg in seine Sendung am Dienstagabend von FDP-Politiker Konstantin Kuhle wissen. Der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion erwidert, von dieser Entwicklung keineswegs überrascht worden zu sein. Er unterstreicht aber, dass das Gesetz in seiner aktuellen Form noch Überarbeitungen benötigt, um die Menschen nicht zu überrumpeln.
Moderator Markus Lanz wertet diesen Nebensatz als kleinen Seitenhieb gegen Robert Habeck und fragt sich, warum die FDP diesem „bösen“ Gesetz zweimal zugestimmt habe, wenn es doch „Murks“ sei. Kuhle räumt daraufhin ein, dass Habeck in Bezug auf das Heizungsgesetz durchaus im Recht sei. „Denn wir brauchen Klimaschutz im Gebäudesektor“, so Kuhle. Seine Partei habe inzwischen jedoch festgestellt, dass das Gesetz noch Veränderungen bedarf. Lanz kann allerdings nicht nachvollziehen, wie der FDP dies zuvor entgehen konnte.
Streit um Heizungsgesetz: FDP befeuert mit Blockade den Höhenflug der AfD
Stern-Journalist Veit Medick kritisiert die Freien Demokraten anschließend für ihre Kampagne gegen das Heizungsgesetz. Seiner Meinung nach kam die Gesetz-Entstehung einer „Vertrauensvernichtungsmaschine innerhalb der Ampelkoalition“ gleich. Die FDP habe laut Medick so sehr gegen dieses Gesetz geätzt, dass das Vertrauen in die Ampel untergraben und die AfD gestärkt wurde.
Kuhle weist den Vorwurf gegen seine Partei zurück und behauptet stattdessen, dass das Heizgesetz so stark diskutiert werde, weil Klimaschutz heikel sei und die Menschen Angst um ihr Geld hätten. Medick kritisiert dennoch die Ausdrucksweise der FDP und nennt Bundestagsmitglied Frank Schäffler als Beispiel, der den Gesetzentwurf als „Atombombe für dieses Land“ und das Vorgehen der Grünen als „Erziehungsdiktatur“ deklarierte. Zuvor hatte sich Habeck bereits über eine gezielte Kampagne beschwert.
Neurowissenschaftlerin Maren Urner nimmt den Faden auf und verurteilt die Ausdrucksweise der FDP ebenfalls, weil auf diesem Wege Angst und Unsicherheit bei den Wählern gestreut werde. Sie hält vor Augen, dass negative Nachrichten Menschen stets in Angst versetzten. In diesem Zustand träfen sie dann kurzfristige Entscheidungen. Bei einem langfristigen Anliegen wie dem Klimaschutz sei dies fatal.
Markus Lanz im ZDF zum Heizungsgesetz: Runde zerlegt Erding-Auftritte von Aiwanger
Mit einem Einspieler verdeutlicht Markus Lanz danach, wie sich der Ton in Bezug auf das Heizungsgesetz mittlerweile verschärft hat. Zu sehen ist Hubert Aiwanger, stellvertretender Ministerpräsident Bayerns, der bei einer Veranstaltung in Erding gegen die Ampel wettert. Politikwissenschaftler Carlo Masala kritisiert diesen Auftritt und ganz besonders Aiwangers Wortwahl („Die schweigende große Mehrheit dieses Landes muss sich die Demokratie zurückholen“).
In Masalas Augen untergräbt Aiwanger unsere Demokratie mit solchen Forderungen und schlägt damit außerdem in die Kerbe von Populisten wie der AfD und Donald Trump.
In einem weiteren Ausschnitt wird FDP-Politiker Martin Hagen gezeigt, der gegen das Heizungsgesetz hetzt und verspricht, dass es nicht durchkommt. Kuhle lenkt daraufhin ab und schießt gegen Aiwanger - doch Lanz richtet den Fokus postwendend wieder auf Hagen und kritisiert dessen „Heizideologie“-Ausdruck.

Kuhle erklärt, dass er diesen Ausdruck nicht negativ bewerte. Darüber hinaus begrüße er es zu zeigen, wie auch innerhalb der Ampel diskutiert wird. Auf mehrmalige Nachfrage gibt Kuhle dann schließlich doch zu, dass er Hagens Wortwahl nicht gutheißt. Trotzdem verteidigt er Schäffler und Hagen, weil sie hinter den Kulissen laut seiner Aussage anders sprächen.
Medick missbilligt die öffentlichen Äußerung der FDP-Politiker dennoch. Nach Meinung des Politikredakteurs verstärke eine solche Ausdrucksweise Ressentiments. Urner warnt anschließend noch einmal davor, dass diese politischen „Grabenkämpfe“ Deutschlands Klimaziele gefährdeten. Die Zeit dränge sowieso schon. Für die Erreichung unserer Ziele blieben uns laut der Autorin immerhin nur noch knapp sechs Jahre.
Gnadenlose Medienschelte bei „Markus Lanz“ im Umgang mit Habecks Heizungsgesetz
Eine Teilschuld für die aufgeheizte Stimmung im Land schreibt Markus Lanz im Übrigen seinen Medienkollegen zu. Diese würden mit ihren negativen Schlagwörtern zur Verunsicherung der Menschen beitragen. Maren Urner bestätigt diesen Eindruck mit Fakten. So hätten Untersuchungen ergeben, dass ein negatives Keyword in der Überschrift die Klickrate um 2 Prozent erhöhe.
„Markus Lanz“ – das waren seine Gäste am 13. Juni
- Konstantin Kuhle (FDP-Fraktionsvize)
- Veit Medick (Journalist)
- Maren Urner (Neurowissenschaftlerin)
- Carlo Masala (Militärexperte)
Ein Trend zur „Dramatisierung“ sei laut Veit Medick durchaus zu erkennen. Gleichzeitig erklärte er, dass es diesen Hang zur Übertreibung schon immer gegeben habe. Die Digitalisierung erhöhe lediglich die Intensität.
Heizungsgesetz und Ukraine-Krieg: Deutsche nehmen die Welt mit Angst wahr
Urner stimmt ihrem Vorredner in diesem Punkt zu. Die Autorin erwähnt, dass in der Berichterstattung seit 2010 ein Anstieg der Negativität von 314 Prozent zu verzeichnen sei. Wut und Ekel stiegen in diesem Zeitraum als Reaktionen überdies am meisten an. „Das Einzige, was gesunken ist, ist die Neutralität“, stellt Urner dem gegenüber.
Die Neurowissenschaftlerin bezeichnet das Smartphone in diesem Zusammenhang als „digitalen Säbelzahntiger“, weil es unserem „Steinzeitgehirn“ permanent als Gefahrenquelle dient. Masala spricht daraufhin die „German Angst“ an und bezeichnet unsere Gesellschaft als besonders ängstlich. Laut Urner sei der Wunsch nach Sicherheit in Deutschland in der Tat besonders ausgeprägt.
Militärexperte glaubt nicht an Nukleareinsatz im Ukraine-Krieg
Lanz kommt durch die Diskussion über die „German Angst“ auf Wladimir Putin zu sprechen, der die Ängste des Westens gezielt für den Krieg in der Ukraine nutzt. Mit dieser Strategie treffe der russische Machthaber nach Masalas Meinung insbesondere in Deutschland einen Nerv.
Hierzulande sei die Angst laut Masala so groß, weil wir im Kalten Krieg ein „Frontstaat“ waren. Die älteren Menschen sorgten sich in Bezug auf eine Eskalation des Krieges daher mehr als die jüngere Generation. Der Militärexperte hält Putins Drohungen bezüglich eines Nuklearangriffs allerdings für unglaubwürdig. Russlands Präsident denke mit Blick auf den zu erwartenden Gegenschlag zu rational.
Zerstörung der Leopard-Panzer im Ukraine-Krieg beurteilt der Experte nüchtern
Ebenso sachlich bewertet Masala indes die Zerstörung deutscher Panzer durch russische Streitkräfte in der Ukraine. „Im Krieg wird Material zerstört“, lautet sein nüchternes Urteil. Er sei zudem froh, dass bei den Angriffen nur wenige Ukrainer ums Leben kamen.
Hinsichtlich der viel zitierten Großoffensive der Ukraine fragt Markus Lanz abschließend, ob der Krieg zeitnah beendet wird. Masala muss dem ZDF-Moderator diese Hoffnung teilweise nehmen. Er rechne nicht mit einem zeitnahen Ende der Kampfhandlungen. „Ich würde mich eher auf eine längere Offensive der Ukraine einstellen“, so der 55-Jährige. Einen unverhofften Durchbruch der Ukrainer will Musiala aber keineswegs ausschließen. Er warne dennoch vor zu viel Optimismus.
„Markus Lanz“ – Das Fazit der Sendung
Politik und Medien schüren durch ihre negative Ausdrucksweise die Ängste der Bürger. Sie tragen damit nicht nur zu einer grassierenden Verunsicherung bei, sondern auch zum Verfehlen politischer Ziele. Nutznießer dieser Situation gibt es zudem sowohl innenpolitisch (AfD) als auch außenpolitisch (Putin) zuhauf. (Kevin Richau)