Erdogan will mehr Geld - Merkel einzige Verbündete? Grüne warnen vor „Erpressung“

Bundeskanzlerin Angela Merkel ist am Freitag zu Gast bei Erdogan. Kurz vor ihrem Besuch wird ein „Geheimdokument“ öffentlich.
- Bundeskanzlerin Angela Merkel ist am Freitag, 24. Januar, zu Gast in der Türkei.
- Kurz vor ihrem Treffen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan wird ein schwerer Vorwurf laut.
- Am Morgen des Treffens wird außerdem ein „Geheimdokument“ der Bundesregierung öffentlich.
+++ Lesen Sie alle neuen Entwicklungen zur EU-Türkei-Krise im Ticker auf Merkur.de* +++
Update vom 27. Februar 2020: In der syrischen Rebellenhochburg Idlib ist die Lage nun erneut eskaliert. Nach offiziellen Angaben einer türkischen Nachrichtenagentur wurden zwei türkische Soldaten bei einem Luftangriff getötet. Um die Situation in Idlib zu beruhigen ist für Anfang März ein erneuter Krisengipfel geplant.
Update um 21.37 Uhr: Nach dem Treffen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan teilte Bundeskanzlerin Angela Merkel mit, dass Deutschland der Türkei bei der Stärkung ihrer Küstenwache helfen will. Beim Versuch, Migranten auf dem Weg nach Griechenland und damit in die EU aufzuhalten, spiele die türkische Küstenwache eine wichtige Rolle beim Versuch.
Zuvor hatte Merkel Erdogan bereits weitere Hilfen für die Bewältigung der Flüchtlingskrise zugesichert. Dieser will aber wohl vor allem mehr Geld von der EU. Das machte er bei einer Pressekonferenz im Anschluss an das Treffen mit Merkel deutlich. Grünen-Politiker sind jedoch gegen Zugeständnisse an die Türkei.
Nach Merkels Besuch bei Erdogan - neue Debatte über Flüchtlingspakt?
Update um 20.40 Uhr: Deutschland und der EU drohen wohl erneut eine heftige Debatte um den Flüchtlingspakt mit der Türkei - Präsident Recep Tayyip Erdogan wünscht sich weitere Zahlungen, wie er am Freitag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mitteilte. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bezeichnete er als eine Fürsprecherin für einen solchen Schritt. Inweit auf solche Forderungen eingegangen werden sollte, ist schon jetzt heftig umstritten.
„Die EU hat uns sechs Milliarden Euro versprochen. Unsere Ausgaben sind jetzt bei weit über 40 Milliarden Dollar“, sagte Erdogan laut einem Bericht der Bild. Eine „ehrliche Annäherung in dieser Frage“ habe es nur von Merkel gegeben. „Aber dass man nur über Geld spricht, heißt nicht, dass das Geld in der Tasche landet“, fügte Erdogan hinzu. Die EU hatte zuletzt sogar die Vorbeitrittshilfen für die Türkei gekürzt, das Budget für den Deal aber unangetastet gelassen.
Merkel besucht Erdogan - Grünen-Politiker sprechen sich gegen Zugeständnisse aus
Mehrere Grünen-Politiker sprachen sich unterdessen gegen Zugeständnisse an Erdogan aus. „Erdogan wird nie die Grenze aufmachen“, sagte Jürgen Trittin schon am Vormittag dem Sender n-tv. "Dann würde nämlich auch ein Großteil der Oppositionellen massenhaft das Land verlassen. Daran kann er kein Interesse haben." Es handle sich um „alberne“ Drohungen. Seine Parteifreunde Cem Özdemir und Danyal Bayaz erklärten Bild.de, es gebe keinen Grund, sich von der Türkei erpressen zu lassen. „Wir werden nicht wegschauen, wenn Menschen, zum Beispiel Journalisten und Oppositionelle, eingesperrt werden“, sagten sie der Webseite.
Der Architekt des EU-Türkei-Abkommens, Gerald Knaus, sieht das Abkommen unterdessen in Gefahr - es drohe, „am Unvermögen der EU“ zu scheitern, sagte er dem Portal watson.de. Die Rückführung von Geflüchteten in die Türkei funktioniere nicht, warnte er. Knaus forderte Unterstützung für die griechischen Behörden, das dortige Asylsystem steht vor dem Kollaps: „Wenn auf den griechischen Inseln Menschen für Monate in Bedingungen hausen, wie wir sie in Pakistan nicht finden, dann haben wir eine Situation, bei der die EU durch Rechtsbruch, also durch Verletzung von Konventionen und Standards, irgendwie versucht, Leute davon abzuhalten, zu kommen. Das ist Europas nicht würdig.“
In einem Interview mit dem Münchner Merkur* hatte Knaus bereits im Sommer über einen „Mythos“ in Zusammenhang mit der Aufnahme von Flüchtlingen in Europa aufgeräumt.
Merkel besucht Erdogan - und spricht über rund 60 Deutsche in türkischer Haft
Update um 18.59 Uhr: Neben der Bewältigung der Flüchtlingskrise ging es bei dem Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan auch um fast 60 deutsche Staatsbürger, die einem Medienbericht vom Dezember zufolge wegen unterschiedlicher Tatvorwürfe derzeit in türkischer Haft festgehalten werden. Sie hätte mit Erdogan verabredet, "Fall für Fall" noch einmal zu besprechen, sagte Merkel.

Update um 17.04 Uhr: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan weitere Hilfen der EU bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise in Aussicht gestellt. "Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass die EU über die zwei mal drei Milliarden Euro hinaus Unterstützung leistet", sagte Merkel am Freitag nach einem Gespräch mit Erdogan in Istanbul. Darüber werde in den EU-Gremien besprochen.
Merkel dankt Erdogan für Anstrengungen in der Flüchtlingshilfe
"Das, was die Türkei hier leistet, ist bemerkenswert", lobte Merkel das türkische Engagement. „Und jeder kann sich vorstellen - die Türkei hat ungefähr so viele Einwohner wie Deutschland - wenn man 3,5 oder fast vier Millionen Flüchtlinge aus Syrien beherbergt, was das für eine Anstrengung ist und dafür möchte ich der Türkei auch ganz herzlich danken."
Die EU hatte Ankara 2016 sechs Milliarden Euro für die Versorgung syrischer Flüchtlinge in der Türkei zugesagt. Dies war Teil eines Flüchtlingspaktes, der die türkische Seite verpflichtete, alle neu auf den griechischen Inseln ankommenden Migranten zurückzunehmen und stärker gegen Schlepperbanden vorzugehen.
Angesichts steigender Flüchtlingszahlen auf den griechischen Inseln und vielfacher Drohungen Erdogans besteht die Sorge, dass der zwischen der EU und der Türkei bestehende Flüchtlingspakt gefährdet ist. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu hatte vor Merkels Reise der EU Verstöße gegen das Flüchtlingsabkommen vorgehalten. Die EU habe zugesagte Gelder in Milliardenhöhe noch nicht überwiesen, sagte Cavusoglu.
Merkel besucht Erdogan - „Geheimbericht“ enthüllt dramatische Details zur Flüchtlingslage
Update vom 24. Januar: Bundeskanzlerin Angela Merkel ist am Freitag zu Gast beim türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Es soll ein positiver Auftakt gewesen sein. Merkel wies auf die gute wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Türkei und Deutschland hin. Bildung sei ein wichtiges Thema, erklärte die Bundeskanzlerin und sprach konkret die Bildung von Flüchtlingen an - damit sie eines Tages in der Lage seien, in ihre Heimat zurückzukehren und diese wieder aufzubauen. Dabei betonte Merkel die Sorge für syrische Flüchtlinge.
Die Lage auf den griechischen Inseln hat sich wegen überfüllter Flüchtlingsunterkünfte zuletzt zugespitzt - auch, weil trotz Flüchtlingspakt aus der Türkei wieder mehr Boote mit Migranten Richtung Europa abgelegt haben. Und die milden Töne zwischen Merkel und Erdogan nach ihrem Treffen können kaum darüber hinwegtäuschen, dass die Beziehung zwischen der EU und der Türkei gerade bröckelt. Mehr noch: Der Flüchtlingsdeal mit der Türkei wankt. Bereits vor dem Treffen mit der Bundeskanzlerin machte die Türkei Druck - die EU erfülle ihren Teil der Vertragsvereinbarungen, so der Vorwurf.
Merkel/Erdogan: Geheimdokument - Die Türkei will härtere Maßnahmen gegen Flüchtlinge ergreifen
Kurz vor dem Besuch veröffentlichte die Bild-Zeitung Erkenntnisse aus einem „Geheimbericht“ der Bundesregierung. Daraus soll hervorgehen, dass die Türkei Maßnahmen gegen die „hohe Zahl unerlaubt aufhältiger syrischer Flüchtlinge“ ergreifen wolle. Grund seien der „hohe Migrationsdruck, die gesunkene Akzeptanz in der Bevölkerung sowie die angespannte wirtschaftliche Lage im Land“.

Demnach sollen sich mehrere türkische Provinzen weigern, weitere Flüchtlinge aufzunehmen. In Istanbul seien bereits harte Maßnahmen gegen die Flüchtlinge ergriffen worden, die sich ohne Erlaubnis in der Türkei aufhielten. Seit Dezember gilt in der Türkei ein Gesetz „zur Verschärfung der Asyl- und Abschiebepraxis“, das beinhaltet, dass abgelehnten Asylbewerbern die Sozialhilfe und Gesundheitsfürsorge gestrichen werden soll. Ihre Heimreise sollen die Flüchtlinge selbst zahlen. Hunderttausende Syrer sollen die türkische Hauptstadt bereits verlassen haben.
Demnach sollen sich mehrere türkische Provinzen weigern, weitere Flüchtlinge aufzunehmen. Rund 4,2 Millionen Flüchtlinge sollen derzeit in der Türkei leben. Darunter 3,7 Millionen Syrer.
Vor Merkel-Besuch: Türkei erhebt schweren Vorwurf - Bruch des Flüchtlingsdeals?
Ursprungsmeldung vom 23. Januar 2020:
Istanbul - Zwei Tage vor einem Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Istanbul hat der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu der EU vorgeworfen, die im Flüchtlingsabkommen zugesagten Gelder nicht vollständig gezahlt zu haben. Die EU habe versprochen, Ende 2016 und Ende 2018 jeweils drei Milliarden Euro zu zahlen, sagte Cavusoglu der "Bild"-Zeitung. "Jetzt haben wir 2020, und wir haben noch immer nicht die ersten drei Milliarden Euro vollständig erhalten." Und nicht nur das. In den vergangenen Tagen und Monaten sind in der Türkei immer mehr Deutsche festgesetzt worden. Jetzt baut die Türkei mit dem neuen Vorwurf massiv Druck auf. Schließlich gilt Merkel als die große Initiatorin des Flüchtlingsabkommens mit der Türkei.
Neben den finanziellen seien auch weitere Vereinbarungen nicht eingehalten worden, kritisierte Cavusoglu. Es habe kein keine Erweiterung der Zollunion und auch kein neues Kapitel der EU-Beitrittsverhandlungen gegeben. "Schon allein aus den Gründen, die ich gerade genannt habe, hätten wir unsere Grenzen öffnen können. Wir waren dazu berechtigt, aber haben es nicht getan. Unser Präsident hat gesagt: Dann nehmen Sie doch die Flüchtlinge - und Sie haben das als Drohung wahrgenommen?" Trotz allem sei die Türkei aber für eine Fortsetzung des Abkommens.
Merkel zu Gast bei Erdogan: Türkei erhebt schweren Vorwurf
Merkel reist am Freitag zu einem Treffen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan nach Istanbul. Hauptthemen der Gespräche dürften die Flüchtlingspolitik sowie die Konflikte in Syrien und Libyen sein - wie auch zuvor auf Merkels Libyen-Konferenz in Berlin. Angesichts steigender Flüchtlingszahlen auf den griechischen Inseln und vielfacher Drohungen Erdogans besteht die Sorge, dass der zwischen der EU und der Türkei bestehende Flüchtlingspakt gefährdet ist.

Seit dem im März 2016 geschlossenen Abkommen ist die Zahl der über die Türkei in die Europäische Union gelangenden Syrer deutlich gesunken. Zuletzt nahm deren Zahl aber wieder zu. Viele von ihnen flüchten wie zur Zeit der Krise von 2015 von der türkischen Küste mit Booten auf griechische Ägäis-Inseln.
In dem Abkommen verpflichtete sich Ankara, alle neu auf den griechischen Ägäis-Inseln ankommenden Flüchtlinge zurückzunehmen. Die EU versprach im Gegenzug Milliardenhilfen, eine beschleunigte Visa-Erleichterung und die Modernisierung der Zollunion.
Vor Merkels Besuch in der Türkei: Erdogan-Regierung wirft EU Bruch des Flüchtlingsabkommens vor
Währenddessen hat Amnesty International Bundeskanzlerin Angela Merkel vor ihrem Besuch in der Türkei dazu aufgefordert, sich für den inhaftierten Intellektuellen Osman Kavala und andere angeklagte Aktivisten einzusetzen. „Konkrete Schritte zur Beendigung der Repressionen gegen Menschenrechtler müssen im Mittelpunkt der Gespräche zwischen Angela Merkel und dem türkischen Präsidenten stehen“, sagte Amnestys Türkei-Experte Andrew Gardner am Donnerstag. Es sei entscheidend, dass Kavala freikomme und angeklagte Menschenrechtler wie der Amnesty-Ehrenvorsitzende Taner Kilic freigesprochen werden.
Kavala sitzt seit mehr als zwei Jahren in Untersuchungshaft. Im Dezember hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte seine Entlassung angeordnet. Die türkische Justiz ignorierte das Urteil jedoch und Kavala blieb in Haft. Dem Intellektuellen und 15 weiteren Angeklagten wird ein Umsturzversuch im Zusammenhang mit den regierungskritischen Gezi-Protesten von 2013 vorgeworfen. Die türkische AKP erwägt indes unter bestimmten Umständen Straffreiheit für Vergewaltiger.
dpa/nai
*Merkur.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks.