Deutschland und Großbritannien: Seite an Seite zur „Stärkung von Nato und EU“
In einer Zeit des tiefgreifenden Wandels müssen Berlin und London verstärkt zusammenarbeiten. Das ist der Appell eines deutsch-britischen Politikerduos.
- Verteidigungspolitische Kooperationen zwischen Großbritannien und Deutschland sind vorhanden, aber ausbaufähig. Sie haben keine staatsvertragliche Grundlage, wie sie beiderseits mit anderen Verbündeten bestehen.
- Beide Länder stehen zu den westlichen Werten, wie an ihrer Unterstützung für die Ukraine deutlich wird. Sie sind zentrale Stützen der NATO und sollten deren wichtigste Pfeiler in Europa sein.
- Auch die EU würde von einer verstärkten Zusammenarbeit dieser zwei NATO-Kernländer profitieren. Für Großbritannien sind die Beziehungen zu den EU-Partnern sicherheitspolitisch entscheidend.
- Dieser Artikel liegt erstmals in deutscher Sprache vor – zuerst veröffentlicht hatte ihn am 22. Mai 2023 das Magazin Foreign Policy.
Großbritannien und Deutschland müssen ihre Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich ausbauen, um die europäische Sicherheit nach der illegalen Invasion in der Ukraine zu stärken. Das ist die Schlussfolgerung eines bahnbrechenden Berichts der deutschen Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) und des britischen Think Tanks Royal United Services Institute (RUSI), der letzte Woche veröffentlicht wurde.
Wir begrüßen diesen Bericht nachdrücklich und wollen, dass innerhalb von sechs Monaten nach den nächsten britischen Parlamentswahlen ein weitreichendes deutsch-britisches Verteidigungs- und Sicherheitsabkommen als gemeinsame Initiative des Vorsitzenden der britischen Labour Party Keir Starmer und des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz geschlossen wird. Dieser Schritt wird Arbeitsplätze schaffen, die NATO stärken und die Sicherheit beider Länder gewährleisten.
Den Bericht von FES und RUSI haben wir bereits im Herbst 2021 in Auftrag gegeben. Der illegale Einmarsch Russlands in die Ukraine im Februar 2022 verdeutlicht die Notwendigkeit einer intensiveren bilateralen Zusammenarbeit noch einmal.
Die Kooperation zwischen Großbritannien und Deutschland ist ausbaufähig
Der Bericht enthält 19 Empfehlungen zur Verbesserung der deutsch-britischen Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich. Dazu gehören die Entwicklung eines bilateralen Vertrages, eine verstärkte Zusammenarbeit bei gemeinsamen Beschaffungsprojekten und eine intensivere Zusammenarbeit zwischen den britischen Streitkräften und der deutschen Bundeswehr bei Operationen und Ausbildung.

Beide Nationen haben kompatible Streitkräfte, eine kooperative Industrie und gemeinsame Werte. Die britischen Streitkräfte und die deutsche Bundeswehr können auf eine lange Geschichte gemeinsamer Einsätze und Übungen zurückblicken und haben durch britische Stützpunkte in Deutschland ein tiefes gegenseitiges Verständnis. Wir sind jedoch der Meinung, dass die Zusammenarbeit nach wie vor unterentwickelt ist, insbesondere im Vergleich zu anderen wichtigen Verbündeten.
Großbritannien und Frankreich unterzeichneten 2010 die Lancaster-House-Verträge, um die Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich durch den Austausch von Technologien, die gemeinsame Beschaffung und die Einführung der Combined Joint Expeditionary Force zu verstärken. Deutschland und Frankreich haben sich mit dem Aachener Vertrag 2020 (einer Aktualisierung des Élysée-Vertrags von 1963) ebenfalls zu einer weitreichenden Zusammenarbeit verpflichtet. Zwischen Großbritannien und Deutschland gibt es hingegen keine solche vertraglich geregelte Sicherheitsbeziehung.
Es bedarf einer weitreichenden vertraglichen Grundlage
Ohne eine solche weitreichende vertragliche Grundlage ist die Zusammenarbeit eher provisorisch als systematisch. Dennoch gibt es sie. So besteht beispielsweise seit bereits 40 Jahren eine Zusammenarbeit zwischen Großbritannien und Deutschland bei Kampfflugzeugen. Beide Länder haben im Kosovo und in Afghanistan sowie bei der Bekämpfung des Islamischen Staates zusammengearbeitet. Im März dieses Jahres führten die Royal Air Force und die deutsche Luftwaffe im Rahmen der Luftpolizeimissionen der NATO in Estland zum ersten Mal gemeinsame Manöver durch und fingen russische Flugzeuge ab.
Dennoch werden derzeit nur 28 deutsche Mitarbeiter in Großbritannien und nur sechs britische Mitarbeiter in Deutschland ausgebildet, darunter je ein Brite bei der deutschen Marine und der deutschen Luftwaffe.
Die industrielle Zusammenarbeit über gemeinsame Beschaffungsprogramme ist eine der sichtbarsten und wichtigsten Formen der militärischen Kooperation zwischen Verbündeten. So wie die Tornado- und Eurofighter-Jets als Produkte multinationaler Zusammenarbeit in den letzten Jahrzehnten zur Sicherheit Europas beigetragen haben, so werden im Rahmen des Boxer-Programms der britischen Armee Fahrzeuge in Großbritannien gebaut, die von deutschem Know-how profitieren. Allerdings gibt es derzeit nur ein bilaterales Verteidigungsbeschaffungsprogramm zwischen Großbritannien und Deutschland (das „Wide Wet Gap Crossing“-Projekt) und nur acht multilaterale Beschaffungsprojekte, an denen beide Länder neben anderen beteiligt sind.
Beide Länder stehen fest zur Ukraine und zur NATO
Verbündete sind eine strategische Stärke. Wir glauben, dass eine engere deutsch-britische Zusammenarbeit in den Bereichen Verteidigung, Sicherheit und Außenpolitik die Fähigkeit beider Länder, auf gemeinsame Herausforderungen zu reagieren und ihre Bürger zu schützen, erheblich stärken kann.
Wie aus dem RUSI-FES-Bericht hervorgeht, sind Großbritannien und Deutschland derzeit die beiden größten europäischen Geber von Verteidigungsgeldern und unterstützen die Ukraine mit militärischer, wirtschaftlicher und humanitärer Hilfe. Transatlantische Beziehungen und die NATO stehen im Mittelpunkt der Politik beider Länder. Nach der groß angelegten Invasion der Ukraine durch den russischen Präsidenten Wladimir Putin ist die Zusammenarbeit jetzt mehr denn je gefragt. Im NATO-Bericht von 2022 heißt es, die Invasion habe „den Frieden erschüttert und das Sicherheitsumfeld in Europa schwerwiegend verändert“.
Wir glauben, dass eine engere deutsch-britische Zusammenarbeit (...) die Fähigkeit beider Länder, auf gemeinsame Herausforderungen zu reagieren und ihre Bürger zu schützen, erheblich stärken kann.
Bundeskanzler Olaf Scholz von der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) bezeichnete den Moment als Zeitenwende; nur wenige Tage nach dem Einmarsch von Putins Truppen in die Ukraine kippte Scholz die jahrzehntelange deutsche Verteidigungspolitik. Unterdessen hat die britische Labour-Partei ihre volle Unterstützung für militärische Hilfe für Kiew und die Stärkung der NATO-Verbündeten zugesagt. Seit der russischen Invasion in die Ukraine hat sie darauf gedrängt, dass London die Verteidigungsplanung und -ausgaben überdenken muss. Beide Parteien stehen für internationale Regeln und multilaterale Institutionen ein.
Deutschland und Großbritannien sollten den Kern des europäischen Pfeilers der NATO bilden
Das Engagement der britischen Labour-Partei und der deutschen SPD für die NATO ist unerschütterlich. Dieses Bündnis von Demokratien ist der Eckpfeiler für die Verteidigung Europas. Die europäischen NATO-Staaten müssen mehr Verantwortung für die europäische Sicherheit übernehmen, insbesondere angesichts des wachsenden strategischen Engagements der USA im indopazifischen Raum. Deutschland, als Teil der EU, und Großbritannien sollten gemeinsam den Kern eines stärkeren europäischen Pfeilers in der NATO bilden.
Die Verteidigungsindustrie muss schnell auf dieses neue Sicherheitsumfeld reagieren, ebenso die mit engen wirtschaftlichen Zwängen konfrontierten Regierungen, die höhere Anforderungen formulieren müssen. Die Zeitenwende schafft neue Bereiche für die industrielle Zusammenarbeit zwischen Großbritannien und Deutschland. Beide Länder können zusammenarbeiten, um diese Möglichkeiten zu nutzen, Kosten zu teilen, Risiken zu verringern und eine stetige Nachfrage zu schaffen. Dies würde dazu beitragen, die Standardisierung und Interoperabilität voranzutreiben und die Industrie auf neue Bereiche auszudehnen.
Die EU würde von einer stärkeren deutsch-britischen Zusammenarbeit profitieren
Auch die EU hat bewiesen, dass sie mit ihren Sanktionen gegen Russland und ihrer humanitären, wirtschaftlichen, finanziellen und militärischen Hilfen an die Ukraine einen wichtigen Beitrag zur Verteidigung und Sicherheit Europas leisten kann. Deshalb bezeichnet die NATO die EU ausdrücklich als „einen einzigartigen und wichtigen Partner“.
Für Deutschland ist die EU bekanntlich von zentralem nationalem Interesse. Eine funktionierende Partnerschaft mit der EU, die auf Vertrauen und vertiefter Zusammenarbeit in Bereichen wie der Sicherheitspolitik beruht, liegt seit dem Ukraine-Krieg auch eindeutig im nationalen Interesse Großbritanniens. Eine engere bilaterale Zusammenarbeit auf dem militärischen Sektor zwischen diesen beiden Ländern könnte eine komplementäre Zusammenarbeit zwischen der EU und der NATO unterstützen.
Eine der drei Kernaufgaben der NATO ist neben Verteidigung und Abschreckung sowie kooperativer Sicherheit nach wie vor die Krisenprävention, wobei sich das Bündnis verpflichtet hat, „die führende internationale Organisation zu werden, wenn es darum geht, die Auswirkungen des Klimawandels zu verstehen und sich an sie anzupassen.“ Es gibt gute Gründe für die Annahme, dass Deutschland und Großbritannien gemeinsam eine eigenständige Sicherheitsagenda entwickeln könnten. Die Sicherheitsbedrohungen, die von Ungleichheit, Klimawandel und einem Mangel an Nahrungsmitteln, Wasser und Gesundheitsversorgung ausgehen, müssen erkannt werden; die Bemühungen zur Bekämpfung dieser Bedrohungen müssen mit angemessenen Investitionen in die Streitkräfte und die militärische Zusammenarbeit einhergehen.
Zu den Autoren
John Healey ist Schattenstaatssekretär für Verteidigung des Vereinigten Königreichs und Labour-Abgeordneter.
Nils Schmid ist außenpolitischer Sprecher der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.
Die Sicherheit Großbritanniens ist von den Beziehungen zu den EU-Partnern abhängig
Wir wollen, dass der RUSI-FES-Bericht eine breite Debatte über eine ehrgeizige deutsch-britische Vereinbarung über Verteidigung, Sicherheit und Außenpolitik anregt. Die Empfehlungen des Berichts bieten eine solide Grundlage dafür. Die Ziele konzentrieren sich auf den Aufbau einer europäischen Säule der NATO, die Entwicklung der Interoperabilität und die Ausweitung der industriellen Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich.
Für die Labour-Partei ist der Bericht eine Erinnerung daran, dass die Wiederherstellung der Beziehungen zu den europäischen Verbündeten für die nationale Sicherheit Großbritanniens entscheidend ist. Die Labour-Partei akzeptiert den Brexit und wird der Europäischen Union oder dem Binnenmarkt nicht wieder beitreten. Damit der Brexit funktioniert, muss Großbritannien jedoch die Beziehungen zu wichtigen europäischen Verbündeten wiederherstellen, die - oft absichtlich - durch die Handlungen der britischen Regierung in den letzten Jahren beschädigt wurden. Ein deutsch-britischer Sicherheitsvertrag wäre ein wichtiger Schritt in diesem Prozess.
Deutschland und Großbritannien können eine stärkere Kraft für das Gute in der Welt sein, wenn sie enger zusammenarbeiten.
Um dies zu erreichen, brauchen wir eine neue Führung und eine auf Verlässlichkeit und Respekt basierende Beziehung zwischen Berlin und London, um die Sicherheit in Europa zu stärken. Wie der Ukraine-Krieg zeigt, sind Verbündete und Allianzen wichtig. Deutschland und Großbritannien können eine stärkere Kraft für das Gute in der Welt sein, wenn sie enger zusammenarbeiten. (von John Healey und Nils Schmid)
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Dieser Artikel war zuerst am 22. Mai 2023 in englischer Sprache im Magazin „ForeignPolicy.com“ erschienen – im Zuge einer Kooperation steht er nun in Übersetzung auch den Lesern der IPPEN.MEDIA-Portale zur Verfügung.
