Glyphosat ist bald verboten ‒ das sorgt nicht nur für Freude

Nach Monaten gibt es eine Einigung zum Insektenschutz: Das Bundeskabinett hat unter anderem ein Verbot von Glyphosat beschlossen.
Berlin – Ab 2024 dürfen Landwirte in Deutschland das Pflanzenschutzmittel Glyphosat nicht mehr verwenden. Das hat das Bundeskabinett am Mittwoch (10.02.2021) nach monatelangem Ringen um ein Gesetzespaket zum Insektenschutz beschlossen. Umweltverbände wie der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der Naturschutzbund Deutschland (NABU) kritisieren Glyphosat seit Jahren, weil es Pflanzen und Tieren schade und damit die Artenvielfalt gefährde. Außerdem stand immer wieder die Frage im Raum, ob das Pestizid krebserregend ist.
Wie Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) und Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) am Vormittag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mitteilten, sind sowohl die Neufassung des Bundesnaturschutzgesetzes (gemeinhin bekannt als Insektenschutzgesetz) als auch die Änderung der sogenannten Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung auf den Weg gebracht worden. Die beiden Vorhaben waren im Vorfeld auf heftigen Widerstand gestoßen – sowohl aus den Bundesländern als auch seitens der Landwirte. Diese befürchten wirtschaftliche Einbußen durch einen restriktiveren Einsatz von Pestiziden, den vor allem die Verordnung zum Pflanzenschutz neu regelt.
Ende für Glyphosat: Pestizid soll bis Ende 2023 verboten werden
Der Entwurf des Insektenschutzgesetzes sieht unter anderem vor, dass Biotope wie Streuobstwiesen und artenreiches Grünland für Insekten als Lebensräume erhalten bleiben. Auch die Lichtverschmutzung als Gefahr für nachtaktive Insekten soll künftig eingedämmt werden. Landwirte sollen für den Verzicht auf Pflanzenschutzmittel belohnt werden.
Die parallel vom Bundeslandwirtschaftsministerium eingebrachte Änderung der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung regelt unter anderem den Einsatz des umstrittenen Herbizids Glyphosat. Die Anwendung soll zunächst stark eingeschränkt und bis Ende 2023 ganz verboten werden. In Schutzgebieten sind ebenfalls Verbote für andere Pflanzenschutzmittel vorgesehen. Bundesumweltministerin Schulze verteidigte die Beschlüsse am Mittwoch und nannte sie „eine gute Nachricht für die Insekten und die Zukunft unserer Ökosysteme“.
Nun drängt die Zeit, das Aktionsprogramm Insektenschutz noch vor dem Ende der Legislaturperiode umzusetzen. Das Insektenschutzgesetz muss noch durch den Bundestag und den Bundesrat, die Verordnung zum Pflanzenschutz muss den Bundesrat passieren. Beide Ministerinnen zeigten sich zuversichtlich, dass dies gelingt. Der Bund sei den Ländern „sehr entgegengekommen“, sagte Schulze. Das Bundesrecht stelle existierende Ländervorschriften nicht in Frage, ergänzte Klöckner.
Umweltverbände loben Glyphosat-Ausstieg
Mehrere Umweltverbände haben die vom Kabinett beschlossenen Maßnahmen für mehr Insektenschutz begrüßt. Zustimmung signalisierten unter anderen der NABU und der BUND. „Jedes eingesparte Kilo Pestizid, jeder pestizidfreie Quadratkilometer Land und jede eingesparte Lichtquelle sind positiv für Insekten und Natur. Auch der endgültige Ausstieg aus der Glyphosat-Landwirtschaft weist in die richtige Richtung“, sagte der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt. Es sei richtig, dass „in bestimmten Schutzgebieten nun kooperative Lösungen“ gesucht würden, bei denen Landwirte für den Insektenschutz honoriert werden, sagte Bandt.

Auch NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger begrüßte den Glyphosat-Ausstieg bis Ende 2023 und nannte das Paket einen „ersten Schritt in die richtige Richtung“. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace mahnte an, den Insektenschutz trotz teils freiwilliger Maßnahmen konsequent anzugehen. „Wenn Deutschland seine Schutzgebiete weiter schlecht schützt, ist das nicht nur ein Fiasko für die Artenvielfalt. Es droht auch ein erneutes Vertragsverletzungsverfahren durch die EU“, hieß es am Mittwoch in einer Stellungnahme.
Verbot von Glyphosat und Co.: Bauern haben Angst um Existenz
Wie schon in den vergangenen Tagen protestierten auch am Mittwoch wieder Landwirte mit ihren Traktoren gegen die Auflagen - unter anderem in Berlin. Bauernpräsident Joachim Rukwied kritisierte das Gesetz als „kurzsichtig und strategischen Fehler für die Naturschutzpolitik“. Insektenschutz sei auch für die Bauern ein Muss. Jedoch führten Auflagen und Verbote nicht weiter. „Erfolgversprechend wäre hingegen der partnerschaftliche Weg zwischen Landwirtschaft und Naturschutz.“ Das Gesetzespaket „gefährdet die Existenzgrundlage vieler Bauernfamilien“, erklärte Rukwied. Bundesrat und der Bundestag seien nun gefordert, erfolgreiche Länderinitiativen als „Vorbild für eine Korrektur der Vorschläge der Bundesregierung zu nutzen“. Die Initiative Freie Bauern forderte in den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) eine komplette Rücknahme des Gesetzes.
Den Grünen gehen die Maßnahmen dagegen nicht weit genug, der Europapolitiker Martin Häusling sprach von einem „Mini-Insektenschutzpaket“. Es nütze der Artenvielfalt „überhaupt nichts“, auf wenigen Hektar den Einsatz gefährlicher Pestizide herunterzufahren. „Wir müssen an alle intensiv beackerten Zonen ran.“ Dafür sei aber eine Agrarwende dringend notwendig. (ial mit dpa und AFP) *fr.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks.
Auch die Deutsche Bahn erntet regelmäßig Kritik dafür, dass sie Glyphosat an ihren Bahngleisen* einsetzt.