Netanjahu will jüdische Siedlungen im Westjordanland annektieren - FDP und Union üben Kritik

Vor der Parlamentswahl in Israel hat Netanjahu seinen Wählern ein heikles Versprechen gegeben - FDP und Union äußerten sich kritisch zu seinem Vorhaben.
Netanjahu will jüdische Siedlungen im Westjordanland annektieren - FDP und Union üben Kritik
Update vom 7. April, 17.01 Uhr: Die Pläne des israelischen Regierungschefs Benjamin Netanjahu, nach seiner Wiederwahl jüdische Siedlungen im besetzten Westjordanland zu annektieren, stoßen in Union und FDP auf Kritik. „Wir sehen die gesamte Siedlungspolitik Israels kritisch und können unseren Freunden immer nur wieder sagen, dass einseitige Maßnahmen nicht zu einer friedlichen Gesamtsituation führen werden“, sagte der Unions-Fraktionsvize im Bundestag, Johann Wadephul (CDU), dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND, Montag).
Wadephul wies aber darauf hin, dass in Israel am Dienstag das Parlament gewählt wird und Netanjahu in einer „prekären Wahlkampfsituation“ sei. „Wer innenpolitisch unter Druck ist, der sucht gern andere Felder. Das mag eine Motivation für Netanjahu gewesen sein“, sagte er.
Auch FDP-Vize-Fraktionschef Alexander Graf Lambsdorff übte Kritik. „Ob es sich um Jerusalem, den Golan oder das Westjordanland handelt: Territoriale Fragen müssen Teil einer umfassenden Lösung sein, das Herausbrechen einzelner Gebiete macht eine Lösung schwieriger, nicht leichter“, sagte er dem RND.
14.42 Uhr: Vor der Parlamentswahl in Israel hat Regierungschef Benjamin Netanjahu die Annektierung israelischer Siedlungen im Westjordanland in Aussicht gestellt.
"Ich werde nicht eine einzige Siedlung räumen. Und ich werde natürlich dafür sorgen, dass wir das Gebiet westlich des Jordans kontrollieren", sagte der rechtskonservative Ministerpräsident am Samstagabend im israelischen Fernsehen. Netanjahu hofft darauf, das in Umfragen führende Oppositionsbündnis der Mitte von Ex-Militärchef Benny Ganz bei der Wahl in Israel am Dienstag noch zu überholen.
Die israelische Organisation Peace Now teilte am Sonntag mit, ein zuständiger Ausschuss habe den Bau von mindestens 4615 weiteren Wohnungseinheiten im Westjordanland gebilligt. Viele davon befänden sich in isolierten Siedlungen, die Israel im Rahmen einer Friedensregelung mit den Palästinensern vermutlich räumen müsste.
Erstmeldung: Der Likud-Parteichef spricht von einer "schicksalshaften Legislaturperiode"
Der mit Korruptionsvorwürfen konfrontierte Likud-Parteichef sagte, die nächste Legislaturperiode werde schicksalhaft sein. «Werden wir in der Lage sein, unsere Sicherheit zu gewährleisten und die Kontrolle über das essenziell wichtige Gebiet von Judäa und Samaria (Westjordanland)? Wir haben gesehen, was wir nach einem Abzug aus dem Gazastreifen bekommen haben», sagte Netanjahu. Im Falle eines weiteren Abzugs sei ein «Gazastreifen in Judäa und Samaria» zu befürchten. Israel hatte den Gazastreifen 2005 geräumt, 2007 übernahm dort die radikalislamische Hamas gewaltsam die Kontrolle, nachdem ihr Wahlsieg 2006 nicht anerkannt worden war.
Netanjahu sagte, er habe erreicht, dass US-Präsident Donald Trump die Golanhöhen als israelisches Gebiet anerkenne. Man wolle nun «zur nächsten Phase übergehen» und die israelische Souveränität auch auf das Westjordanland ausweiten. Dies war bisher vor allem eine Forderung ultrarechter Koalitionspartner Netanjahus. Der seit 2009 amtierende Regierungschef hatte sich in der Vergangenheit für die Einrichtung eines entmilitarisierten Palästinenserstaates ausgesprochen.
Israel hatte 1967 im Sechstagekrieg unter anderem das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert. Dort leben heute mehr als 600 000 israelische Siedler in mehr als 200 Siedlungen. Vor allem der erzkonservative Erziehungsminister Naftali Bennett dringt darauf, weite Teile des Westjordanlandes zu annektieren. Die Palästinenser beanspruchen die Gebiete indes für einen eigenen Staat Palästina mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt.
Saeb Erekat, Generalsekretär der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO, nannte Netanjahus Äußerungen kaum überraschend. «Israel wird das Völkerrecht weiterhin und so lange schamlos brechen, wie die internationale Gemeinschaft Israel mit Straflosigkeit belohnt», schrieb er auf Twitter.
Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu twitterte: «Das Westjordanland ist palästinensisches Gebiet, das von Israel in Verletzung internationalen Rechts besetzt gehalten wird. Die verantwortungslose Äußerung von Regierungschef Netanjahu, mit der er kurz vor der allgemeinen Wahl in Israel Stimmen fangen will, kann und wird diese Tatsache nicht ändern.»
Israel unterscheidet selbst zwischen illegalen Siedlungen und mit israelischer Genehmigung gebauten. Aus Sicht der internationalen Gemeinschaft sind alle Siedlungen rechtswidrig. Sollte Israel sie annektieren, wäre dies ein weiterer Schlag für Bemühungen um eine friedliche Zwei-Staaten-Lösung.
Netanjahu strebt nach einem emotional geführten Wahlkampf eine fünfte Amtszeit als Ministerpräsident an. In den jüngsten Umfragen lag das Oppositionsbündnis Blau-Weiß von Ganz knapp vor Netanjahus rechtskonservativem Likud. Es ist jedoch fraglich, ob sich Gantz - bis 2015 Chef der israelischen Streitkräfte - mit einem Links-Mitte-Block die Regierungsmehrheit im Parlament sichern kann.
Netanjahus Partei würde sich im Falle eines Wahlsiegs um eine Koalition mit anderen rechten Parteien bemühen, zu deren Wählerklientel auch israelische Siedler gehören. Ganz hat sich im Wahlkampf für den Erhalt der großen Siedlungsblöcke im Westjordanland ausgesprochen, aber auch von der israelischen Besatzung distanziert.
Der Oman rief die anderen arabischen Staaten dazu auf, Israel die Existenzängste zu nehmen. Israel erhalte politische, wirtschaftliche und militärische Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, fühle sich in der Region aber nicht sicher, sagte Außenminister Jusuf bin Alawi bin Abdullah am Samstag beim Weltwirtschaftsforum für den Nahen Osten und Nordafrika am Toten Meer in Jordanien. «Ich denke, dass wir Araber in der Lage sein müssen, uns mit dieser Frage zu befassen und uns darum zu bemühen, diese Ängste zu zerstreuen.»
Die meisten arabischen Staaten sind mit Israel verfeindet und erkennen den israelischen Staat nicht an. Zuletzt hatte es hinter den Kulissen aber eine Annäherung zwischen Israel und einigen Golfstaaten wie Saudi-Arabien gegeben.
Benjamin Netanjahu muss gleich doppelt um den Wahlsieg kämpfen
Bei der Parlamentswahl am Dienstag muss sich Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gleich doppelt beweisen. Dem Amtsinhaber steht mit dem ehemaligen Generalstabschef Benny Gantz nicht nur ein starker Konkurrent gegenüber. Auch eine drohende Anklage wegen Korruption könnte seine Chancen schmälern.
Ob als Wahlsieger oder als -verlierer - dass Netanjahu eine Anklage wegen Korruption droht, ist jedem Wähler in Israel klar. Generalstaatsanwalt Avischai Mandelblit hatte noch Ende Februar bekräftigt, er strebe ein Verfahren wegen Bestechlichkeit, Betrugs und Vertrauensmissbrauchs an. Vor der Anklageerhebung soll Netanjahu bei einer Befragung im Juli Gelegenheit erhalten, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen.
Bekannt ist Netanjahu heute auch für seinen guten Draht zu US-Präsident Donald Trump. Die Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem hatte im vergangenen Jahr in vielen Ländern für Protest gesorgt. Kritiker werfen dem Regierungschef vor, er stehe für Machtgier, Vetternwirtschaft und einen gefährlichen Populismus, der sich gegen Araber richte und die Grundfesten der israelischen Verfassung unterspüle.
Schon die Regierung, die Netanjahu derzeit anführt, gilt als die am weitesten rechts stehende in der Geschichte des Staates Israel. Je nach Wahlausgang halten Beobachter einen weiteren Rechtsruck für möglich.
Es ist bereits das zweite Mal dieses Jahr, dass die Wahlberechtigten in Israel zur Urne gehen. Doch diesmal könnte es Netanjahu an den Kragen gehen - nach vier Amtszeiten.
Interview mit Netanjahu, hebräisch
Deutschland und die Wahl in Israel
dpa